Die Europawahl erschüttert Frankreich (und die EU), Putin nennt seinen Preis
Die Watchlist EUropa vom 15. Juni 2024 – heute mit der Wochenchronik.
Das war eine ausgesprochen schwierige Woche für die EU. Fast alles passierte am Sonntag, nach der Europawahl – und am Freitag, kurz vor der Ukraine-Konferenz in der Schweiz. Da die Folgen in ihrer ganzen Tragweite noch nicht absehbar sind, beschränke ich mich auf Stichpunkte.
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Europawahl:
- Bei der Europawahl sind rechte und rechtsextreme Parteien gestärkt worden. Am deutlichsten war der Rechtsruck in Frankreich, Österreich, Belgien und Deutschland. In Italien ging die rechtspopulistische Regierungschefin Meloni siegreich aus der Wahl hervor.
- Meloni erhebt nun einen Führungsanspruch, den sie auf dem G7-Gipfel in Italien für alle Welt sichtbar unterstrichen hat. Was daraus für die EU folgt, ist unklar. Einige Bilder deuten darauf hin, dass sie sich als Gegenspielerin zu Frankreichs Macron positioniert.
- Macron hat das französische Parlament aufgelöst und Neuwahlen angesetzt. Damit löste er eine innenpolitische Kettenreaktion aus, die kaum noch beherrschbar scheint. Die bürgerliche Rechte zerlegt sich, die Linke bildete eine neue “Volksfront”, Macrons Liberale wirken verloren.
- Die Wahl in Frankreich, die bis Anfang Juli dauert, überschattet schon jetzt die EU-Agenda. In Brüssel wird spekuliert, dass bei der fälligen Besetzung der EU-Spitzenposten (von der Leyen II.?) nun alles ganz schnell gehen könnte, da Macron geschwächt ist.
- Die Aussicht auf eine “Cohabitation” in Paris mit einer extrem rechten oder einer linken Regierung schwächt Frankreich und die EU auch über den Juli hinaus. An den Finanzmärkten wird dies schon “eingepreist”, eine neue Eurokrise ist nicht auszuschließen!
Ukraine:
- Deutschland hat dem Land Hilfe beim Wiederaufbau zugesagt und dabei eine Führungsrolle beansprucht. Kanzler Scholz rief den Nationalisten-Gruß “Slava Ukraini”, das neue in EU-Parlament gewählte BSW boykottierte eine Bundestagssitzung mit Selenskyj.
- Die Nato will die Ukraine “Trump-fest” machen und dafür ein eigenes Koordinierungszentrum in Wiesbaden aufbauen. Das alte, US-geführte “Ramstein-Format” soll wegfallen. Allerdings behalten die USA auch künftig einen entscheidenden Einfluß.
- Die G-7 haben eine Finanzspritze von 50 Mrd. Euro zugesagt. Die Finanzierung ist weiter unklar – auf jeden Fall sollen dafür (in der EU) eingefrorene russische Vermögen genutzt werden. Kremlchef Putin nennt dies “Diebstahl” und kündigt Vergeltung an.
- Obwohl die Ukraine offenbar nicht ohne äußere Hilfe überlebensfähig ist, haben die EU-Botschafter grünes Licht für den Start von Beitrittsverhandlungen gegeben. Los geht’s wohl am 25. Juni – gerade noch rechtzeitig vor Beginn des ungarischen EU-Vorsitzes…
- Am Schweizer “Friedensgipfel” nehmen weniger Staats- und Regierungschefs teil als erwartet: Zum Start waren es nur 57 – und nicht 100, wie angekündigt. Neben US-Präsident Biden fehlen auch die Chefs aus Brasilien und Indien. Russland und China sind gar nicht dabei.
Siehe auch “Friedensgipfel” bringt wohl noch mehr Krieg
Was war noch? Russland Präsident Putin hat seinen Preis für eine Waffenruhe in der Ukraine genannt. Sein Land werde “sofort, buchstäblich in derselben Minute, das Feuer einstellen und Gespräche aufnehmen”, sollte sich die Ukraine aus vier von Russland besetzten Regionen zurückziehen und auf eine Nato-Mitgliedschaft verzichten.
Die Ukraine, die Nato und Deutschland wiesen diese Bedingungen sofort zurück. Präsident Selenskyj sprach von “Augenwischerei”. Nato-Generalsekretär sagte, dies sei “ein Vorschlag für mehr Aggression, mehr Besatzung”. Kanzler Scholz erklärte, ein “Diktatfrieden” sei ausgeschlossen. Diplomaten wurden, soweit bekannt, nicht mobilisiert.
Damit wurde wahrscheinlich die zweite Chance zu einer Verhandlungslösung vergeben. Im April/Mai 2022 in Istanbul gab es schon einmal die Möglichkeit einer Beilegung des Konflikts. Damals haben die USA und das UK alle Vorschläge abgelehnt und auf eine militärische Lösung gesetzt. Seither hat sich die Lage für die Ukraine aber deutlich verschlechtert…
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Schon jetzt ist Deutschland ein Drehkreuz für den Ukraine-Krieg. Doch nun stellt sich die Bundeswehr auf einen weiteren, noch größeren Konflikt ein.
european
16. Juni 2024 @ 12:34
Russland bleibt seiner Linie treu. Mag man es mögen oder nicht.
https://www.nato.int/cps/en/natohq/opinions_218172.htm
“The background was that President Putin declared in the autumn of 2021, and actually sent a draft treaty that they wanted NATO to sign, to promise no more NATO enlargement. That was what he sent us. And was a pre-condition for not invade Ukraine. Of course we didn’t sign that.”
Die USA sind auf Krieg gebürstet, die NATO ist der verlängerte Arm dazu und unsere Regierungen sind quasi nicht existent. Ein NATO-Kriegsquartier in Deutschland um den Ukraine-Krieg zu koordinieren? Wo ist der Kanzler?
Abgetaucht.
Helmut Höft
16. Juni 2024 @ 14:43
Stoltenberg, Herbst ’21: „… of course we didn’t sign that!“
und dann kam Boris_350.000.000£_weekly_Johnson, Frühjahr ’22: „There is no time for negotiation, its time for victory!“ Viel mehr muss man nicht wissen.