Die EU hat sich in Biden getäuscht
Erst tagten die Innenminister, nun folgen die Außen- und Verteidigungsminister: An Gelegenheit fehlt es nicht, das Debakel in Afghanistan aufzuarbeiten und Konsequenzen für die Europapolitik zu ziehen.
Auch an Vorschlägen herrscht kein Mangel. Sie reichen von Hilfskontingenten für afghanische Flüchtlinge (Luxemburgs Außenminister Asselborn) bis hin zu einer schnellen Eingreiftruppe (EU-Kommissar Breton).
Dennoch zeichnet sich nach dem chaotischen Abzug der westlichen Truppen und der Machtübernahme der Taliban kein echtes Umdenken ab. Denn die meisten EU-Staaten sind nicht bereit, ihre Politik zu ändern.
Vor allem die Osteuropäer, aber auch das größte EU-Mitglied – Deutschland – wollen ihre “Sicherheit” weiter den USA und der Nato anvertrauen. Sich von US-Präsident Biden zu distanzieren, kommt ihnen nicht in den Sinn.
Nur der EU-Außenbeauftragte Borell hat es gewagt, Bidens unilateralen Rückzug und seine wolkigen Rechtfertigungen infrage zu stellen. Von Kommissionschefin von der Leyen und Außenminister Maas kommt kein kritisches Wort.
Dies ist nicht erstaunlich. Denn sonst müssten sie ja ihren größten Fehler einräumen. Der größte Irrtum war nicht etwa, auf die afghanische Regierung zu setzen, den westlichen Geheimdiensten zu vertrauen oder die Taliban zu unterschätzen.
Nein – die größte Fehleinschätzung war es, Biden für einen guten und verlässlichen Freund und Partner zu halten, der gemeinsam mit EUropa die westlichen Werte hochhält und die regelbasierte liberale Ordnung hochhält.
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Art Vanderley
5. September 2021 @ 18:59
„Man setzt auf Washington, um nicht von Paris abhängig zu werden…“
Die „Achse“ Paris – Bonn/Berlin, das galt bekanntlich mal als der europäische Motor schlechthin. Wäre wohl kaum noch überraschend, wenn unsere destruktive Regierung auch das noch versemmelt.
Art Vanderley
3. September 2021 @ 20:22
Die Kritik im Artikel ist berechtigt.
Die Amerikaner haben schon immer ihr Ding gemacht, nur hat man da nicht so drüber gejammert, und das in Zeiten, wo es auch eine sehr kritische Haltung gegenüber den USA gab, die gerne auch mal kippte in plumpen Anti-Amerikanismus.
Vielleicht ja gerade deshalb, wen man auch mal kritisiert, mit dem kann man später umso besser kooperieren.
Heute hat man sich, wie bei so vielen Themen, eingerichtet in einem tumben Gut-gegen-Böse-Schema, um dann jetzt, wo der gute Biden den bösen Trump abgelöst hat, umso bedröppelter zu schauen, wenn auch Biden zuerst die US-Interessen vertritt.
ebo
3. September 2021 @ 22:11
Laut „BBC“ werden die EUropäer langsam sauer. Doch bei den diversen Ministertreffen habe ich kein Wort der Kritik an Biden gehört!
Art Vanderley
4. September 2021 @ 20:35
@ebo
Interessanter Link. Sprachlosigkeit ist bekanntlich der Feind einer jeden „Beziehung“, es wird in der Tat Zeit, Kritik zu üben. Sonst besteht die Gefahr, daß das Kind mit dem Bade ausgekippt wird und man gleich anfängt, die USA als Gegner zu betrachten.
Wer die „deutsch-amerikanische Freundschaft“, die als Bandname mehr Sinn macht als als Bezeichnung einer staatlichen Partnerschaft, retten will, muß den USA auch die Stirn bieten, ohne gleich die beleidigte vegane Leberwurst zu spielen, wenns auch mal hakt.
Seien wir doch froh, daß die Amerikaner jetzt das machen, was die Sowjetunion vorwegnahm, der halbwegs friedliche Rückzug aus einer Position der Supermacht, der nunmal unumgänglich ist- eigentlich ein großer historischer Fortschritt.
Wer die Werte des Westens erhalten will, muß als Europäer jetzt eben anfangen, dafür selber mit einzustehen, und den USA Kooperation anbieten.
Europa, mit seiner skeptischen Haltung gegenüber militaristischen Anwandlungen, ist da nicht so schlecht geeignet.
ebo
4. September 2021 @ 20:53
Frankreichs Finanzminister Le Maire spricht von einem „Weckruf“. Doch in Deutschland wagt es niemand, sich von Biden und den USA zu distanzieren. Man setzt auf Washington, um nicht von Paris abhängig zu werden…
european
3. September 2021 @ 08:43
Was hat man denn erwartet?
Da kommt endlich Onkel Joe und macht unser Leben wieder gemütlich? Natürlich wird er die Zölle beibehalten. Selbst Obama hatte schon mehrfach angemerkt, dass der, speziell deutsche, Exportismus und der Drang nach Überschüssen die USA in die Defizite treibt. Es war also völlig klar, dass sie die europäischen Produkte durch Zölle so verteuern, damit das Unterbietungsverfahren aufhört. Natürlich interpretieren unsere Granden das wieder mal als „Erfolgsneid“. Wie auch sonst. Auch der Rest Europa’s ist ja nur neidisch auf unseren Erfolg. Dass es dort auch kluge Ökonomen gibt, die mit dem spitzen Bleistift rechnen können, wer den deutschen „Erfolg“ bezahlt, lassen wir dabei gern unter den Tisch fallen.
Wir haben ein großes Wissensdefizit darüber, dass die Welt außerhalb unserer Grenzen anders tickt, dass es eben viele Wahrheiten gibt. Das Team Biden/Harris verfolgt die gleiche America First Strategie wie Trump und daran wird sich auch nichts ändern. Sie nennen es nur nicht so.
Man kann es nur immer wieder wiederholen. Macron hatte Recht mit seiner Einschätzung und seinen europäischen Ambitionen. Ich hoffe, dass sich nach der Wahl die Dinge entscheidend ändern. Sonst sieht es nicht gut aus für den europäischen Kontinent. Schickt Merkel und ihre Politik mit einem Tusch in den Ruhestand und fangt neu an.
Und für Europa bleibt zu hoffen, dass Timmermans die jetzige EUCO Präsidentin vor dem Ende dieser Wahlperiode ablöst.