Die EU bewaffnet sich, Merz ermächtigt sich – und Kickl kommt doch nicht
Die Watchlist EUropa vom 08. März 2025 – heute mit der Wochenchronik.
Die EU bewaffnet sich. Nicht “wieder”, wie von der Leyens Slogan “ReArm Europe” nahelegt, sondern erstmals. Der Kriegsgipfel am 6. März in Brüssel hat dafür die Weichen gestellt. Sogar neutrale Länder wie Irland oder Österreich und Ungarns chronischer Neinsager Orban haben zugestimmt.
Damit verändert die EU ihren Charakter. Es gab zwar schon in den 50ern Pläne für eine “Europäische Verteidigungsgemeinschaft”. Sie hatte aber das Ziel, eine europäische Armee zu schaffen. Darum geht es diesmal nicht. Es geht vor allem darum, die Mitgliedstaaten und die Ukraine aufzurüsten.
Dafür macht Brüssel die Geldschleusen auf. Die Regeln des Stabilitätspaktes werden über Bord geworfen, EUropa stellt auf Kriegswirtschaft oder “military keynseanism” um. Insgesamt gehe es um 800 Mrd. Euro, sagt von der Leyen. Vor allem aber geht es um Schulden, Luftbuchungen und falsche Versprechen.
Die Büchse der Pandora
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Das Geld wird weder reichen, um die unterbrochenen US-Militärhilfen für die Ukraine zu kompensieren – noch dazu, um strategisch “autonom” zu werden, wenn die USA sich wie befürchtet aus EUropa zurückziehen sollten. “Too little, too late” – diese Regel aus der Eurokrise gilt auch diesmal.
Wir dürfen daher mit weiteren Krisensitzungen und zusätzlichen Rüstungspaketen rechnen. Die Büchse der Pandora ist geöffnet, wie die polnischen Pläne zeigen. Regierungschef Tusk geht “all in” – bis hin zur Atombombe. Da er auch den EU-Ratsvorsitz hat, lässt das nichts Gutes ahnen.
Dabei bin ich nicht grundsätzlich gegen eine europäische Verteidigung, im Gegenteil. In der aktuellen Lage ist aber nicht einmal klar, gegen wen sich die EU verteidigen will. Geht es gegen Russland – oder auch gegen die USA unter Präsident Trump? Hat man Angst vor Frieden in der Ukraine?
Mission Creep
Und wozu soll das zusätzliche Geld gut sein? Nimmt man die verfügbaren Zahlen zu Rate, so stehen die EU und Russland, was die Rüstungsausgaben betrifft, ungefähr gleichauf. Noch einmal draufzusatteln, dürfte ein Wettrüsten auslösen – und genau das hat Tusk ja auch angekündigt.
Zudem droht der EU nun die Überforderung – nicht nur finanziell, sondern auch institutionell und politisch. Für eine effiziente Wiederbewaffnung ist sie nicht geschaffen. Der seit Jahren zu beobachtende “Mission Creep” wird auf die Spitze getrieben, die Trennung zur Nato wird unscharf.
Politisch ist die Aufrüstung ein Zeichen der Schwäche: Man beugt sich dem Willen Trumps, der seit Jahren die Hochrüstung der EU fordert – und zeigt, dass man sich den USA und Russland weit unterlegen fühlt. Dabei geht es doch angeblich um “Frieden durch Stärke”...
Was war noch?
- Merz ermächtigt sich. Der CDU-Chef wirft alle Wahlversprechen über Bord und plant, ein 500 Mrd. Euro teures schuldenfinanziertes Sondervermögen aufzulegen und auch noch die Schuldenbremse auszusetzen – für die Aufrüstung. Das will er mithilfe des Wahlverlierers SPD und des alten, mittlerweile abgewählten Bundestags tun. Man darf gespannt sein, ob die MdB ihm dafür die Ermächtigung erteilen – es wäre ein schwerer Vertrauensbruch und würde die Bundestagswahl ad absurdum führen.
- Aufschub für Autobauer. Brüssel kommt der Autoindustrie bei milliardenschweren CO2-Strafzahlungen entgegen. Die vorwiegend deutschen Unternehmen sollen drei Jahre mehr Zeit bekommen, um die Grenzwerte einzuhalten, sagte die deutsche Kommissionschefin von der Leyen.
- Regierung ohne Kickl. Österreich hat eine neue Regierung – ohne die FPÖ und ihren Chef Kickl. Obwohl er mit 28 Prozent der Stimmen vorn lag, bilden nun ÖVP, SPÖ und liberale Neos eine Koalition. Für Brüssel ist es eine gute Nachricht, denn die neue Regierung ist EU-treu.
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Stef
9. März 2025 @ 06:50
Für die Zukunft der Zusammenarbeit in Europa verheißt die Ankündigung Polens, das größte europäische Militär aufzubauen und sich atomar zu bewaffnen, nichts gutes. Gegenüber Deutschland erhebt Polen Reparationsansprüche in Billionenhöhe. Diese Sachverhalte sollten zusammen gesehen werden.
Wie viele europäische Länder würden einer Aufrüstung europäischer Streitkräfte unter veritablem EU-Kommando zustimmen? Da bin ich mit ebo eher skeptisch.
Das Geld wird der Ukraine allerdings im Krieg wenig bringen. Die USA konnten immerhin Waffen liefern, was die europäischen Staaten kaum noch können. Und dass die USA Waffen gegen europäisches Geld liefern, ist angesichts der anlaufenden Gespräche mit Russland zumindest aktuell unwahrscheinlich.
Skyjumper
8. März 2025 @ 20:35
Da ist schon ein gewisser Widerspruch im Artikel.
Einerseits wird kritisiert, dass sich die EU nicht etwa Wiederbewaffnet, sondern erstmals. Andererseits wird – zutreffend – bemerkt, dass es darum geht dass die Mitgliedsstaaten aufrüsten sollen. Das allerdings wird dann tatsächlich eine Wiederbewaffnung sein, denn erstmals wäre das nun ganz sicher nicht.
KK
9. März 2025 @ 04:46
Die Crux ist doch, dass sich die EU als solche laut dem Lissabon-Vertrag gar nicht bewaffnen DARF!
Es dürfen sich demnach eben nur die Mitgliedsstaaten bewaffen, und streng genommen hat die EU da weder reinzureden noch diese zu finanzieren.
Und das ist dann auch keine WIEDERbewaffnung, denn die Waffen wurden in den Mitgliedsstaaten seit Gründung der EG/EU ja nie abgeschafft (wie zB in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg – da fand dann allerdings in beiden Teilstaaten recht schnell eine WIEDERbewaffnung statt).
Skyjumper
9. März 2025 @ 12:56
@KK
Ici bin mir nicht ganz sicher wer von uns beiden nun falsche Informationen hat. GLAUBEN tu ich natürlich das meine die richtigen sind 😉
800 Mrd. € – Wahnsinnszahl und totales Blendwerk.
650 Mrd. €, eine vollkommen willkürlich geschätzte Zahl, sollen die Mitgliedsstaaten an zusätzlcihen Schulden aufnehmen dürfen, ohne dass dies auf die Verschuldensregeln angerechnet wird. Da wären (wenn es denn in DE so kommt) zum Beispiel auch die 400 Mrd. € drinnen die DE unter Umgehung der Schuldenbremse aufnehmen will. Auch die bereits längst angekündigten, aber zukünftigen, Mehrausgaben der Franzosen wären darin. Am Ende der Fahnenstange werden das wahrscheinlich deutlich mehr sein als die in den Raum geworfenen 650 Mrd. Dieser Teil des Beschlusses ist nicht mehr (leider auch nicht weniger) als die Zertrümmerung des Stabilitätspaktes. Die EU kauft dabei keine einzige Patrone, geschweige denn dass sie sich bewaffnen würde.
Weitere 150 Mrd. € wird die EU über Eurobonds als Schulden aufnehmen und dann ihrerseits als Darlehen an Mitgliedsstaaten vergeben, die davon dann Rüstungsgüter anschaffen sollen. So können auch die Mitgliedsstaaten einen auf dicke Hose machen die an den Finanzmärkten nur schwierig/teuer an Kredite kämen. Auch hierbei kauft die EU keine einzige Patrone.
Dieser Beschluß ist reines Schmierentheater. Die EU bewaffnet sich null. Es bleibt alles wie es ist. Nur die Mitgliedsstaaten wurden animiert noch mehr Schulden zu machen als bisher schon.
Alle arbeiten sich an der Frage ab „das darf sie doch gar nicht“ und übersehen dabei das wesentliche. Die Aufhebung der Stabilitätsregeln und die erneute, eigentlich verbotene, Aufnahme von Schulden durch die EU selbst.
ebo
9. März 2025 @ 13:09
Deshalb mein Kommentar: “Too little, too late”. Die 800 Mrd. Euro sind Blendwerk wie immer bei von der Leyen. Es geht nur um 150 Mrd. Euro – übrigens nicht durch Eurobonds, sondern durch Verschuldung mithilfe des EU-Budgets, das als “Sicherheit” dient. Das Geld kommt aber zu spät, um die Ukraine zu “retten” – und erst recht, um die EU “wieder zu bewaffnen”. Mit Blick auf Trump und die USA hätte dies schon vor acht Jahren beginnen müssen, mit Blick auf Russland vor drei Jahren.
Monika
8. März 2025 @ 19:05
Es geht vor allem darum, die Mitgliedstaaten und die Ukraine aufzurüsten…
Anscheinend gilt die Devise “hier gibts EU-Mittel abzugreifen” mehr als jede Friedensbezeugung. 🙁
Autobauer….
laut in der Branche maßgeblicher Funktionäre sollen die durch die Wirtschaftsflaute freiwerdenden Kapazitäten bei Autobauern und ihren Zulieferern möglichst unaufgeregt und geschmeidig “in den defence Bereich überführt werden” Smarter move :((
Tusk all in…
Intrige und Hetze scheinen mir ein geliebtes Hobby des Herrn Tusk zu sein. Vorallem wenn sich die Kosten anderweitig verteilen.
Bogie
8. März 2025 @ 18:07
„Merz ermächtigt sich“
Da scheint ja der von mir nicht besonders geschätzte Herr Lafontaine mit seiner Aussage, dass wir in einer Scheindemokratie leben, recht zu haben.
Gewinnt Rot-Grün eine Wahl bekommt man eine Agenda 2010 und einen veritablen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg.
Gewinnt Schwarz-Rot bekommt man irgendein Geschwurbel und die Vorbereitung auf einen noch viel größeren Krieg.
Und auf EU-Ebene ist es ohnehin vollkommen egal was gewählt wird am Ende steht immer eine Kommission, die noch ein kleines bisschen gruseliger ist als die vorhergehende und ihre angekündigten Ziele umgehend aufkündigt, verwässert und dann vollkommen neue erfindet, die vor allem dafür sorgen, dass Hass, soziale Ungerechtigkeit und Unfrieden Vorschub geleistet wird.
ebo
8. März 2025 @ 18:14
Auf EU-Ebene gewinnt immer die EVP, also CDU/CSU. Das ist seit gefühlt 100 Jahren so.
Neu ist, dass die CDU/CSU nun auch die Bundesregierung übernehmen UND im Europaparlament (Weber, CSU) UND der Kommission (von der Leyen, CDU) den Ton angeben.
Da ist so mancher Kurzschluss programmiert – und alle demokratischen Sicherungen wurden längst ausgebaut…
Reykjavik
9. März 2025 @ 11:54
Möchte von der Leyen einfach nur freie Hand für Milliardengeschäfte haben, die sie per (später zu löschenden) SMS mit unserem Geld tätigen kann, ohne dass eine parlamentarische/politische/juristische Kontrolle der Mittelverwendung überhaupt möglich wird?
Arthur Dent
8. März 2025 @ 17:53
Der biedere Sauerländer hat die Bürger nach der Wahl wie ein abgefeimter Gebrauchtwagenhändler übers Ohr gehauen.