Die EU als Pfeiler der Nato, der Euro wird digital – und Aus für Spitzenkandidaten?

Die Watchlist EUropa vom 29. Juni 2023 –

Es ist noch gar nicht so lange her, da ließ sich die EU für den Friedensnobelpreis feiern. Russland war ein strategischer Partner, die Nato galt als Auslaufmodell, für das Deutschland nicht zahlen wollte.

Doch nun, eineinhalb Jahre nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, gilt das alles nicht mehr. Beim EU-Gipfel, der am Donnerstag in Brüssel beginnt, wird Nato-Generalsekretär Stoltenberg wie ein Stargast empfangen – mit einem Mittagessen und allerlei Ergebenheits-Adressen.

Französische Diplomaten finden die Zusammenarbeit mit der Nato, die ihr Präsident Macron noch vor kurzem “hirntot” nannte, plötzlich “ganz natürlich”. Deutsche Diplomaten preisen den “europäischen Pfeiler” der US-geführten Militärallianz.

Gemeinsam mit Stoltenberg plant man den Krieg – pardon: die Verteidigung der Ukraine. Frieden ist kein Thema mehr. Selbst wenn der Krieg eines Tages zu Ende gehen sollte, wollen die EUropäer Russland in Schach halten und der Ukraine “Sicherheitsgarantien” geben.

Wie die aussehen sollen, kann zwar noch niemand sagen. Doch Deutsche und Franzosen hoffen, sich mit Garantien für die Ukraine ein Mitspracherecht zu sichern, wenn eines Tages eine neue Sicherheitsordnung für Europa kommt.

Wenn sie sich da mal nicht täuschen! Die Entscheidung über die nächsten Schritte fällt nicht bei der EU in Brüssel – sondern beim Nato-Gipfel in zwei Wochen in Vilnius. Das letzte Wort hat nicht Stoltenberg, sondern immer noch US-Präsident Biden!

Und eine gemeinsame Strategie haben die EUropäer auch nicht. Um sie zu entwickeln, müsste man sich mal allein treffen – ohne Biden und Stoltenberg – und über europäische Interessen nachdenken. Doch auf diese Idee ist noch niemand gekommen.

Dabei war das doch der Sinn von EU-Gipfeln…

Siehe auch “Wie die EU sich selbst vergaß” sowie “Die EU und der Krieg (Q&A)

News & Updates

  • Ein Gipfel im Zeichen des Krieges. Die Krise in Russland, der Krieg in der Ukraine und die Zusammenarbeit mit der Nato beherrschen das zweitägige Spitzentreffen der EU, das am Donnerstag in Brüssel beginnt. Weitere Themen sind die Flüchtlingskrise, die (schlechte) Wirtschaftslage in EUropa und China. – Mein Vorbericht für die taz steht hier
  • Erste Zweifel an Unterstützung der Ukraine. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat vorgeschlagen, das Land bis 2027 mit weiteren 50 Milliarden Euro vor dem drohenden Bankrott zu bewahren. Außerdem will sie das eingefrorene russische Auslands-Vermögen nutzen, um den Wiederaufbau zu finanzieren. Beide Vorschläge stoßen auf Widerstand.
  • Spitzenkandidaten vor dem Aus? Ein Jahr vor der Europawahl ist immer noch unklar, ob es transnationale Listen oder Spitzenkandidaten geben wird. Die EU-Staaten sind sich nicht einig, nur Deutschland und Frankreich unterstützen eine Reform. Sogar die Größe des nächsten Parlaments ist strittig.

Watchlist

  • Was bringt der digitale Euro? Diese Frage ist auch nach der Vorstellung einer Rechtsgrundlage durch die EU-Kommission unbeantwortet geblieben. Die Brüsseler Behörde propagiert eine “weithin akzeptierte, kostengünstige, sichere und widerstandsfähige” digitale Version der Gemeinschaftswährung. Auch mit Bargeld soll weiterhin gezahlt werden können – es soll in Zukunft sogar einfacher verfügbar sein. Dabei werden Münzen und Scheine doch gerade überall verdrängt – manche wittern sogar eine bewußte Strategie dahinter… Siehe auch “Ende des Bargelds? “Der Kipppunkt rückt näher”