Merkel-Putin: Germany first?
Bundeskanzlerin Merkel und Russlands Präsident Putin haben Bereitschaft signalisiert, sich zur Lösung von Konflikten wie in Syrien und der Ostukraine enger abzustimmen. Das klingt gut – doch es gibt ein Problem.
Die Russland-Politik ist nämlich sehr Deutschland-lastig. Merkel behandelt internationale Probleme – Syrien und Ukraine – so, als ließen sie sich auf zwischenstaatlicher, deutsch-russischer Ebene lösen.
Und nationale Prioritäten – wie die deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2 oder den Handel – schirmt sie strikt vor der europäischen Ebene ab. Die EU-Sanktionen sollen damit nichts zu tun haben.
Das offenbart eine erstaunliche Schizophrenie. Denn auf EU-Ebene ist Merkel diejenige, die sich am entschiedensten gegen ein Ende der Russland-Sanktionen wehrt. Sie ist es auch, die eine engere Zusammenarbeit mit Putin blockiert.
Dabei wäre es viel sinnvoller gewesen, einen EU-Russland-Gipfel in Brüssel abzuhalten, als ein “privates” Treffen in Meseberg. Es wäre auch höchste Zeit, die Sanktionen zu lockern und Entspannung einzuleiten.
Damit könnte man sogar US-Präsident Trump testen. Wenn die EU aktiv auf Russland zuginge, würde sich schnell zeigen, was von dessen vollmundigen Ankündigungen beim Helsinki-Treffen mit Putin zu halten ist.
Stattdessen denkt Merkel, wenn es um Russland, geht, nur an deutsche (Wirtschafts-)Interessen. Andere EU-Länder wie Italien werden hingegen gestoppt, wenn sie Pipelines bauen oder Sanktionen lockern wollen.
Und beim Thema, das alle EU-Länder betrifft und neuerdings sogar die Nato umtreibt – Nord Stream 2 und die Energieversorgungs-Sicherheit – tut Merkel so, als sei es ein rein wirtschaftliches Problem…
Von Außenminister Maas sollte man erwarten, dass er diese merkantilistische Schizophrenie beendet – und Russland endlich zur Priorität macht. Schließlich fordert er ja, die Europapolitik aufzuwerten.
Doch davon ist bisher leider nichts zu sehen. Stattdessen führt sich Maas eher als Kalter Krieger auf. Die SPD hat ihre historische Mission vergessen, und für CDU-Chefin Merkel gilt offenbar “Deutschland first”…
Siehe auch “Warum die SPD auf Distanz zu Russland geht” und “Was haben Trump und Putin wirklich vereinbart?”
Solveig Weise
20. August 2018 @ 12:15
Doch davon ist bisher leider nichts zu sehen. Stattdessen führt sich Maas eher als Kalter Krieger auf. Die SPD hat ihre historische Mission vergessen, und für CDU-Chefin Merkel gilt offenbar “Deutschland first”……
Deutschland first? Das kann nur Satire sein….fast hätten Sie mich “erwischt” 🙂
Kleopatra
20. August 2018 @ 07:06
EU-Politik nach Merkel/Junckerscher Art: Wir kaufen bei Russland Erdgas, damit Putin dafür sorgt, dass Deutschland Syrer nach Syrien abschieben kann, und wir kaufen bei den USA (verflüssigtes) Erdgas, damit Trump deutschen Firmen weiterhin gestattet, dorthin Autos zu exportieren.
Kleopatra
19. August 2018 @ 19:59
Merkel ist eine gnadenlose und wiederliche Opportunistin. Die Nord-Stream-2-Affäre ist das beste Beispiel dafür. Es ist ja kein Zufall, dass Gazprom einige Jahre vorher „South-Stream“ aufgegeben hat – die unvermeidliche Unterwerfung unter EU-Recht hätte South Stream für Putins Gazprom unattraktiv gemacht. Nord Stream 2 ist für Russland vor allem deshalb atraktiv, weil man in gewissem Sinn den Standpunkt vertreten kann, es verlaufe durch internationale Gewässer und sei deshalb vom EU-recht auszunehmen.
Fazit also: AM verbündet sich mit V. Putin zur gezielten Umgehung des EU-Rechts. Formell mögen natürlich andere Bereiche der Wirtschaft andere Voraussetzungen aufweisen, aber AMs Einsatz für die Russland-Sanktionen der EU, für die sie von Naivlingen auf der ganzen Welt gefeiert wird, ist durch und durch verlogen, weil er darauf hinausläuft, dass nach ihrer Meinung nur ein Land mit Russland Handel treiben darf , während alle anderen aus moralischen Gründen darauf zu verzichten haben. Offenbar ein moralischer Standpunkt, den man im ostdeutscen Pfarrershaushalt gelernt hat …
[Auf einem anderen Blatt steht, ob Wirtschaftssanktionen gegen Russland sinnvoll sind. Mir scheint, dass Russland gegenwärtig ein Partner/Gegner ist, dessen Handlungen man durch Sanktionen nicht beeinflussen kann, mit dem man aber andererseits nicht mit allem handeln sollte. Die Einschränkungen im Handel mit der Sowjetunion im Kalten Krieg sind heute vielleicht wieder ein aktuelles Vorbild].
Peter Nemschak
20. August 2018 @ 22:12
Ich behaupte im Unterschied zu Ihnen, dass Merkels Politik bisher erfolgreich war. Der Erfolg einer Politik lässt sich nicht daran ablesen, ob Sie Ihnen, mir oder anderen, die hier posten, gefällt, sondern daran, ob die für eine bestimmte Politik verantwortliche Person wiedergewählt wird. Dieses einzig objektive Kriterium hat Merkel bisher erfüllt.
ebo
20. August 2018 @ 22:30
Naja. Merkel brauchte immer einen Mehrheitsbeschaffer. Erst die FDP, dann die SPD. Derzeit hat sie nicht einmal mit der SPD die Mehrheit, denn die CDU liegt in den Umfragen unter 30 Prozent.
Peter Nemschak
19. August 2018 @ 14:20
Ein EU-Gipfel macht erst Sinn, wenn sich die stärksten Akteure (Russland und Deutschland) grundsätzlich verständigt haben. Deutschland müsste sonst alles blockieren bzw. auf die lange Bank schieben, was nicht in seinem nationalen Interesse ist. Das Nationale sticht, wie nicht anders zu erwarten ist, das Supranationale. Im Hintergrund werden sich die Staatschefs der EU intergouvernmental zusammenraufen müssen. Die EU kann nicht gegen die Interessen ihres stärksten Mitglieds Politik machen. Ist das nicht logisch in einem Bund von souveränen Staaten?