Die Crux mit der Souveränität

Österreich zieht sich aus dem UN-Migrationspakt zurück, weil dieser angeblich die Souveränität des Landes bedroht. Gleichzeitig fordert Frankreich, ein „souveränes Europa“ aufzubauen – nationale Souveränität reiche nicht mehr aus. Was ist da los?

Wieso reden plötzlich alle von Souveränität – wo wir doch angeblich in einer total globalisierten Welt leben, die die Nationalstaaten obsolet macht? Und von welchem „Souverän“ ist eigentlich die Rede?

Dies ist keine akademische Debatte. Österreich kann sich auf die (schlechten) Erfahrungen aus der Flüchtlingskrise 2015 berufen, wo die Souveränität des Landes ausgehebelt wurde – die EU hat sie nicht geschützt.

Genau deshalb fordert Frankreichs Macron nun ein „souveränes Europa“ – die EU soll ertüchtigt werden, die Außengrenzen zu schützen und das zu leisten, was Nationalstaaten wie Österreich allein nicht mehr schaffen.

Das Problem ist allerdings, dass es keinen „europäischen Souverän“ gibt – wir haben weder ein europäisches Volk noch eine echte EU-Demokratie. Das „souveräne Europa“ ist schwach legitimiert, wenn überhaupt.

Außerdem fehlen Europa die Machtmittel, um souverän aufzutreten. Es gibt weder eine EU-Armee noch ein EU-Budget, das diesen Namen verdient (Oettingers 1,13 Prozent-Haushalt fällt kaum ins Gewicht).

Selbst die Gemeinschaftswährung, der Euro, ist nur auf dem Papier unabhängig. Im Streit um die US-Sanktionen gegen Iran erleben wir gerade, dass der Euro gegen die Übermacht des Dollar nicht ankommt.

Immer tiefere Eingriffe – siehe Italien

Umso lauter rufen Macron, aber auch Kommissionschef Juncker oder Außenminister Maas nun nach neuen, souveränen Befugnissen. Die EU müsse „weltpolitikfähig“ werden, heißt es in Brüssel.

Gleichzeitig greift die EU immer tiefer in die nationale Souveränität ein. Das frappierendste Beispiel liefert der Budgetstreit mit Italien, wo sich Brüssel über den Willen der Wähler hinwegsetzen will.

Zu begründen wäre dies jedoch nur, wenn die EU Italien im Gegenzug vor spekulativen Attacken der Märkte schützen und für Wachstum und Vollbeschäftigung sorgen würde. Das tut sie aber nicht.

Nicht genug europäischer Mehrwert

Hier liegt die Crux: Immer tieferen Eingriffen in die nationale Souveränität steht kein wachsender europäischer Mehrwert gegenüber. Die nationale Macht schrumpft, doch die EU kompensiert das nicht.

Zudem geht die „negative Integration“ (F. Scharpf) zulasten des sozialen Zusammenhalts. Im Vordergrund stehen Binnenmarkt, Wettbewerb und Stabilität – Solidarität und Kohäsion werden klein geschrieben.

In der Eurokrise hat die EU diesen Trend auf die Spitze getrieben, in der Flüchtlingskrise hat sie sich zudem als handlungsunfähig erwiesen. Die EU war machtlos, ihre Regeln haben versagt.

Ein Konjunkturprogramm für die Rechten

Deshalb erleben wir jetzt die (reaktionäre) Rückbesinnung auf die Nation, das Volk und die Souveränität. Es ist ein Backlash – und ein Konjunkturprogramm für Rechte und Nationalisten.

Dies zeigt sich aktuell auch wieder in Österreich. Dort war es FPÖ-Chef Strache, der sich am lautesten dem UN-Migrationspakt widersetzt hat – mit Verweis auf die nationale Souveränität…

Siehe auch „Italien: Ohrfeige für den Souverän“

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