Die (britische) Demokratie spielt keine Rolle

Stürzt die britische Premierministerin May? Gibt es überhaupt eine Mehrheit im britischen Parlament für den Brexit-Deal mit der EU? Und wenn nein, müßte man dann nicht neu verhandeln? In Brüssel sind diese Fragen tabu.

Die britische Demokratie spielt keine Rolle. Als der Brexit-Deal im November bei einem Sondergipfel verabschiedet wurde, machte sich keiner der EU-Chefs Gedanken, ob es dafür in London eine Mehrheit geben könnte.

Kanzlerin Merkel und Ratspräsident Tusk wiesen Nachfragen von Journalisten brüsk zurück – man wolle nicht spekulieren. Doch auch jetzt, da May selbst einräumt, dass sie keine Mehrheit hat, hat sich daran nichts geändert.

Bei den Briefings zum EU-Gipfel waren die parlamentarischen Prozesse (und Blockaden) in der ältesten Demokratie Europas kein Thema. Niemand fragte, wie man May zu einer Mehrheit verhelfen könne.

Das müsse die Premierministerin schon selbst beantworten, hieß es – um eilig hinzuzufügen, dass “der Deal” natürlich nicht angetastet wird. Nachverhandlungen sind ausgeschlossen, so auch Merkel im Bundestag.

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Okay, May hat die EU schon viel zu lange genervt. Und bei internationalen Verträgen wird selten Rücksicht auf nationale Befindlichkeiten genommen. Warum sollte man auf einen Partner Rücksicht nehmen, der die Scheidung einreicht?

Nun ja, weil es eben um den Scheidungsvertrag geht. Und der ist für beide Seiten lebenswichtig. Wenn der EU-Deal im britischen Parlament durchfällt, droht das “No Deal”-Szenario – der Brexit wird zum Crash.

Außerdem ist die EU nicht nur eine Union zwischen Staaten, sondern auch zwischen Völkern (jedenfalls auf dem Papier). Auch eine Wertegemeinschaft will sie sein – mit Demokratie und Rechtsstaat und allem was dazu gehört.

Da wundert es schon, dass die (britische) Demokratie keine Rolle spielt. Zumindest im Europaparlament würde man mehr Rücksicht auf die britischen MP erwarten. Doch die MEP geben sich besonders hart…

P.S. Nach dem gescheiterten Putschversuch bei den Tories liegen die Kräfteverhältnisse offen: May weiß nur noch 200 von insgesamt 650 Unterhausabgeordneten hinter sich. Ihr “Sieg ohne Größe” (taz) ist eine Niederlage für die EU – denn 200 Stimmen reichen nie und nimmer, um eine Mehrheit für den Brexit-Deal zu organisieren.