Die Briten wählen, die EUropäer warten

Am 1. November sollte der Brexit vollzogen sein. Und Ursula von der Leyen sollte die EU regieren. Beides ist nicht eingetreten. Alle Versprechen, die seit 2016 abgegeben wurden, sind vergessen oder gebrochen worden.

Wir erinnern uns: Nach dem verlorenen EU-Referendum im Juni 2016 haben die EU-Politiker geschworen, ab sofort alles anders zu machen. Die Briten müssten schnell raus aus der EU, die Union müsse sich völlig neu aufstellen.

The UK must respect the wish of a majority of its citizens, entirely, fully and as soon as possible, by officially withdrawing from the EU before any new relationship arrangements can be made, says the European Parliament in a resolution voted after an extraordinary plenary debate on Tuesday. MEPs also stress the urgent need for reforms to ensure that the EU lives up to its citizens’ expectations.

European Parliament, 28.06.2016

„Business as usual „dürfe es nicht geben, hieß es damals in Brüssel. Doch in Wahrheit läuft alles genauso weiter wie 2016. Die EU-27 klammern sich an den Status Quo – und zögern den Brexit hinaus, so lange es nur eben geht.

Gerade erst wurde er zum dritten Mal verschoben. Dabei hat auch der britische Premier Johnson sein Versprechen gebrochen, UK bis zum 31.10. aus der EU zu führen. „Tot im Graben“ wollte er liegen, stattdessen gibt es Neuwahlen.

Immerhin, die Briten dürfen wählen. Sie haben die Chance, Johnson abzustrafen, den Brexit abzusagen oder doch noch ein Referendum („People’s vote“) zu organisieren. Die britische Demokratie hat sich berappelt, wenn auch spät.

Von der EU kann man das leider nicht behaupten. Nach dem großen Schwindel bei der Europawahl ist von der Leyen immer noch damit beschäftigt, ihr Team zusammenzustellen. Die Kandidaten aus Rumänien und UK fehlen noch.

Wann sie nominiert werden, weiß niemand. Ob das Europaparlament am Ende grünes Licht gibt, auch nicht. Es interessiert im Grunde auch keinen mehr. Denn der versprochene „Aufbruch für Europa“ wurde längst verpasst.

Die EUropäer müssen weiter warten – vielleicht bis Dezember, vielleicht aber auch bis Weihnachten oder bis Januar. Eine Wahl haben sie nicht mehr. Die Europawahl wurde ebenso verschenkt wie die Chance zum Neustart 2016.

Dreieinhalb Jahre dauert diese selbst verschuldete Krise schon. Man muss schon großer Optimist sein, um zu glauben, dass sie mit dem Amtsbeginn des Teams von der Leyen endet.

Denn selbst dann – vermutlich im Januar – wird die Brexit-Saga noch immer nicht beendet sein. Der Plan, bis zum 1. November klar Schiff zu machen und zu neuen Ufern aufzubrechen, ist ins Wasser gefallen.

Allerdings scheint dies niemanden zu stören. Abgesehen vom Franzosen Macron haben sich die meisten EU-Chefs längst mit dem Status Quo arrangiert, die Hoffnungen der Europawahl sind längst vergessen…

Hinweis: Wegen des Feiertags Allerheiligen kommt heute kein Newsletter. In Brüssel ist nix los!Siehe auch „Macrons riskante Strategie“ und „Der verhinderte Neustart“ (E-Book)