„Deutschland wird zum Risikofaktor“
Offiziell war es nur eine Landtagswahl. Doch wie erwartet, erschüttert die Hessenwahl nun auch die Bundespolitik – und sogar Europa. Erste Reaktionen im Überblick.
„Die Entscheidung ist ein Schock für Deutschland und Europa, der große Unsicherheit schafft“, sagte DIW-Chef Fratzscher, nachdem Kanzlerin Merkel ihren Verzicht auf eine neue CDU-Kandidatur angekündigt hatte.
Der Stabilitätsanker Deutschland in der EU, den Merkel und die CDU immer wieder beschworen haben, existiere so nicht mehr, meint Fratzscher. „Im Gegenteil: Die Bundesrepublik wird immer mehr zu einem Risikofaktor.“
Der Wahlflop in Hessen sei „eine Niederlage zu viel“ gewesen, kommentiert der belgische „Soir“. Vor allem die erneute Klatsche für die SPD könne Merkel zum vorzeitigen Abgang als Kanzlerin zwingen.
Demgegenüber betonen „Le Monde“ und der „Guardian“, dass Merkel nach 2021 nicht erneut antreten will. Für Frankreich und Großbritannien öffnet das neue Perspektiven – birgt aber auch neue Risiken.
So muss Präsident Macron fürchten, dass seine Reformimpulse für die EU nun endgültig versanden. Und die britische Premierministerin May dürfte sich sorgen, dass sich die Fronten im Brexit weiter verhärten.
Schon beim letzten EU-Gipfel Ende Oktober wirkte Merkel wie eine unbewegliche Sphinx. Wie soll das erst werden, wo alle Welt nur noch auf ihren definitiven und vollständigen Rückzug wartet?
Siehe auch „Gift für für Merkels EUropa“
Peter Nemschak
30. Oktober 2018 @ 13:28
@ebo Jamaica revisited ? Ein durch die SPD verursachter Koalitionsbruch würde ihr eher als der CDU schaden. Es gibt genug Sachthemen für die jetzige Koalition. Die Wähler wollen Sacharbeit und keine hochfliegenden Konzepte.
ebo
30. Oktober 2018 @ 14:27
FDP Chef Lindner hat jede Koalition mit Merkel ausgeschlossen. Die Kanzlerin sitzt in der Falle, die sie selbst gegraben hat
Peter Nemschak
30. Oktober 2018 @ 23:04
Dann wird halt jemand anderer Kanzler werden, so what? Merkel wird von jenen überschätzt, die ideologische Feindbilder brauchen. Wenn sie einmal weg ist, wird sie schnell vergessen sein. Umgekehrt, was ist so besonders an der SPD? Das können die anderen Parteien auch liefern.
Peter Nemschak
30. Oktober 2018 @ 10:14
Die derzeitige Regierung ist nur dann gefährdet, wenn die SPD die Nerven verliert und aussteigt. Beim BREXIT wird es, bevor es zu einem ungeordneten Austritt kommt, eher zu Fristverlängerungen kommen. Mir scheint, dass die Ängste und Unzufriedenheit beim Koalitionspartner SPD größer als bei der Union sind. Was will eigentlich die Mehrheit in Deutschland? Ich meine, sie will Veränderung unter der Bedingung, dass alles so bleibt wie es ist. Schließlich geht es dem Land derzeit so gut wie nie zuvor.
ebo
30. Oktober 2018 @ 10:23
Umgekehrt wird ein Schuh draus. Die Merkel – Regierung ist nun völlig von der SPD abhängig. Die Genossen könnten dies nutzen, Merkel ihr Programm zu diktieren und den „Aufbruch für Europa“ nachzuholen. Insofern birgt die neue Lage auch eine Chance.
Peter Nemschak
30. Oktober 2018 @ 10:31
Die Wähler würden bei Neuwahlen die SPD vermutlich stärker abstrafen als die CDU, womit sich die Abhängigkeit der CDU/CSU von der SPD stark relativiert.
ebo
30. Oktober 2018 @ 13:10
Wer sagt denn, dass es bei einem Koalitionsbruch Neuwahlen geben würde? Bundespräsident Steinmeier will dies vermeiden, Merkel vermutlich auch…
Kleopatra
30. Oktober 2018 @ 07:25
Das Hauptproblem für den britischen Austritt besteht darin, dass Deutschland in denMonaten, in denen eine Vertragslösung für den Austritt abgeschlossen und ratfiziert werden müsste, nur schwer handlungsfähig ist. Die bisherige Regierungskoalition hat ihre Mehrheit und ihre Legitimation weitgehend verloren. Eine Neuwahl braucht mehrere Monate Zeit. Um zu vermeiden, dass ausgerechnet in der ersten Monaten des neuen Jahres kein nicht aufgelöster Bundestag existiert, wäre es vielleicht sogar besser, die Neuwahlen sofort herbeizuführen; dann könnte vielleicht der nächste Bundestag im Januar zusammentreten.
Merkels Rückzug ist natürlich entgegen allem, was sie behauptet, weder freiwillig noch von langer Hand geplant; denn er fällt in einen Zeitraum, in dem er maximal Schaden anrichten kann. Vielmehr dürfte sie abgesehen haben, dass sie nur so erreichen kann, dass nahezu die komplette deutsche Presse ihren angeblichen Edelmut und ihre angebliche Selbstlosigkeit ein letztes Mal lobt. Schon ein-zwei Tage später wäre stattdessen diskutiert worden, welche CDU-Figur durch ihre offen vorgetragene Kritik sie zum Rückzug gezwungen hätte.
Die durch Merkel scheinbar garantierte Stabilität bestand immer nur im effektiven Unterdrücken aller abweichenden Meinungsäußerungen. Auf diese Weise wurde es vorübergehend irrelevant, was viele Menschen wollten. Diese Art von Stabilität bewirkt immer großes Chaos, wenn sie endet.