Deutschland in der Krise: Germany first

Wie kommt Deutschland aus der Coronakrise? Was bleibt von der versprochenen Solidarität mit der EU? Teil eins einer fünfteiligen Serie auf “Lost in EUrope”.

Dies ist ein Vorabdruck aus der Neuauflage unseres E-Books “Die Coronakrise und die EU: Todesstoß oder heilsamer Schock?” Das vollständige Buch kann für 2,99 Euro hier heruntergeladen werden.

And the winner is – Germany!? Wie schon während der Finanz- und Eurokrise sah es auch in der Coronakrise zunächst so aus, als werde Deutschland als Sieger vom Platz gehen.

Die erste Welle der Pandemie hat das größte EU-Land besser überstanden als die meisten anderen. Es gab nicht nur weniger Infizierte und Tote als in vergleichbaren Ländern wie Frankreich oder Italien.

In Deutschland fiel auch die Wirtschaftskrise weniger hart aus. Zudem leistete sich Berlin ein massives Stützungsprogramm für die Unternehmen, das alles übertraf, was die übrigen 26 EU-Staaten zusammen auf die Beine stellten.

„Weil wir es uns leisten können“ war die Antwort auf die Frage, wieso Deutschland so massiv die eigene Wirtschaft stützte. Dank der Politik der „schwarzen Null“ habe man in guten Zeiten einen finanziellen Spielraum erarbeitet, so dass man nun – in schlechten Zeiten – problemlos gegensteuern könne.

Dies war ein Seitenhieb auf Länder wie Italien oder Frankreich, die angesichts wachsender Budgetdefizite größte Mühe hatten, mitzuhalten.

„Germany first“, hieß im März 2020 die Parole. Berlin verweigerte Hilfe für Italien, schloß die Grenzen zu Frankreich und sträubte sich, die Kosten der Krise solidarisch mitzutragen.

Vom Zuchtmeister zum Freund und Helfer

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Eine Zeitlang sah es sogar so aus, als würde Kanzlerin Merkel alle europapolitischen Erfolge der letzten Jahre aufs Spiel setzen, um Deutschland zu protegieren. Erst als der Binnenmarkt in Gefahr geriet und die Wirtschaft Alarm schlug, änderte Merkel ihren Kurs.

Plötzlich wurde vieles möglich, was jahrelang tabu war. Der Stabilitätspakt, den Merkel in der Finanz- und Eurokrise verteidigt und gestählt hatte, wurde über Nacht ausgesetzt.

Das Verbot der Schuldenaufnahme wurde umgangen, um ein Kurzarbeitergeld nach deutschem Beispiel aufzulegen. Krankenhäuser wurden geöffnet, um Corona-Patienten aus anderen Ländern aufzunehmen.

Der deutsche Zuchtmeister war zum Freund und Helfer geworden.

(wird fortgesetzt)