Der zyprische Knoten

Im Streit um Hilfskredite für Zypern scheint sich eine Lösung anzubahnen. Finanzminister Schäuble habe seinen Widerstand aufgegeben, zugleich könnten die Hilfen geringer ausfallen, berichtet die “Süddeutsche”. Doch zentrale Fragen bleiben ungeklärt. Der zyprische Knoten ist noch lange nicht gelöst.

Wer die deutschen Medien verfolgt, könnte den Eindruck haben, Zypern lebe einzig und allein von russischen Oligarchen und deren schmutziger Geldwäsche. Ein einziger, nicht gut dokumentierter SPON-Bericht über angebliche BND-Erkenntnisse hat gereicht, diesen Verdacht zu wecken.

Doch wer sich ein wenig in Berlin umhört, wird schnell herausfinden, dass der BND-Bericht nicht belastbar ist, wie es im Politikerjargon heißt. Offenbar ist er so dünn, dass die Bundesregierung sich bisher sogar weigerte, ihn an Zypern weiterzugeben (trotz Nachfrage).

Die Wahrheit ist, dass nicht nur russische, sondern auch britische und deutsche Geschäftsleute unter den 40.000 Briefkastenfirmen auf der Insel sind.

Den EU-Beitritt Zyperns hat Ex-Erweiterungskommissar G. Verheugen eingefädelt, ein deutscher SPD-Politiker, der übrigens wieder in Berlin tätig ist (als Unternehmensberater). So viel zum Thema SPD – und deren offenbar wahltaktisch motivierter Drohung, gegen Zypern-Hilfen zu stimmen…

Der zyprische Knoten hat aber nicht nur mit Russen-Mafia und deutscher Innenpolitik zu tun, wie man nach Lektüre der “SZ” meinen könnte. Er enthält noch weitere wichtige Fäden:

  • Die Verflechtung der zyprischen Banken mit den griechischen Banken. Sie war ein wichtiger, wenn nicht der entscheidende Faktor beim Absturz Zyperns. Ohne die chaotische Griechenland-“Rettung” stünde selbst Zypern heute noch gut da!
  • Der Streit um die von der Troika geforderte Privatisierung. Sie würde lukrative Versorger betreffen und Zypern zwingen, sein “Tafelsilber” zu verscherbeln. Damit würde das Land seinen letzten Trumpf aus der Hand geben – kein Wunder, dass es zögert.
  • Die Präsidentschaftswahlen auf Zypern. Mitte Februar möchte der konservative Kandidat N. Anastassiadis die Macht von den Kommunisten übernehmen. Kanzlerin Merkel reiste eigens nach Nikosia, um ihn zu unterstützen. Zuvor stellte sie klar, dass es vor der Wahl keine EU-Hilfe geben werde…
  • Der Konflikt mit dem türkisch besetzten Nordzypern und der Türkei. Berlin und Brüssel machen es den Zyprioten auch deshalb so schwer, weil sie die Beitrittsgespräche mit der Türkei vorantreiben wollen und sich über die “Bremser” aus Nikosia ärgern.
  • Der Streit um vermutete Gasreserven. Nach einem Bericht der Royal Bank of Scotland sitzt Zypern auf einem Schatz im Wert von 600 Mrd. Euro. Werden die Reserven erfolgreich angezapft, könnten sie Europa unabhängiger von russischem Gas machen.

Zypern ist also weit mehr als nur ein Steuerparadies für russische Oligarchen – es ist ein viel versprechendes und heiß umkämpftes Pulverfass der Geopolitik. Der Streit zwischen EZB-Chef Draghi und Schäuble um die “Systemrelevanz” der kleinen Mittelmeerinsel erscheint vor diesem Hintergrund ziemlich kurzsichtig.

Wie sagte Draghi noch so schön: Schäuble sei nur Jurist, doch in dieser Frage seien Ökonomen gefordert. Ich würde ergänzen: und Politiker mit Weitblick, die nicht nur an die nächsten Wahlen denken…