Der Weg der EU in den Krieg (7): Die Übernahme ukrainischer Positionen

Am 9. Dezember 2012 bekam die EU den Friedensnobelpreis. Knapp elf Jahre später unterstützt sie die Ukraine im Krieg gegen Russland. Wie konnte es dazu kommen? Was waren die wichtigsten Wendepunkte? Ein kritischer Rückblick in zehn Folgen. – Teil 7: Die Übernahme ukrainischer Positionen.

Nachdem die EU der Ukraine das Beitritts-Versprechen gegeben hatte, schwenkte sie zunehmend auf ukrainische Positionen ein. Diese waren zwar auch schon vorher weit verbreitet, vor allem in Polen und im Baltikum.

Doch Deutschland und Frankreich versuchten zunächst noch, eigene Positionen zu vertreten und europäische Interessen zu formulieren. Diese sind nämlich nicht mit den ukrainischen identisch, ganz im Gegenteil.

So versucht die Ukraine, die Partner in den Krieg zu ziehen – denn allein kann sie gegen Russland nicht bestehen. Demgegenüber gehörte es zur ADN der EU, sich für Frieden und diplomatische Konfliktlösung einzusetzen.

Deutschland hat es zudem lange verstanden, seine wirtschaftlichen Interessen zu wahren. Diese waren, etwa in der Energiepolitik, konträr zur Ukraine (Stichwort Nord Stream). Auch bei Sanktionen (Stichwort: Gasembargo) gab es massive Differenzen.

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Das Attentat auf Nordstream, das Ende der russischen Gasversorgung in Deutschland und der Beginn einer europäischen Ausbildungsmission für ukrainische Soldaten im Oktober 2022 haben jedoch zu einem Sinneswandel geführt.

Für Deutschland gab es nun kein Zurück mehr, zugleich wurde die EU immer mehr zur Kriegspartei. Dies ging mit der Übernahme ukrainischer Positionen einher, die schließlich sogar bei EU-Gipfeln festgeschrieben wurden.

So übernahm die EU im Oktober 20221 die ukrainische Doktrin, wonach Kiew das Recht habe, alle besetzten Gebiete innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen zu befreien und vollständig unter ihre Kontrolle zu bringen.

Freibrief für langen Krieg

Die europäische Unterstützung wurde, entgegen üblicher Praxis, weder zeitlich befristet noch inhaltlich begrenzt – z.B. durch Konditionen, etwa Koordinierung mit der EU oder Verhandlungen mit Russland.

Dies sei “ein Freibrief für einen langen Krieg und eine Eskalation ohne Ende”, schrieben wir am 23. Oktober 2022.

Die Ukraine hat ihre Bereitschaft zu einem gerechten Frieden bekundet, der Folgendes einschließen sollte: die Achtung ihrer durch die Charta der Vereinten Nationen geschützten territorialen Unversehrtheit und Souveränität, die Sicherstellung der künftigen Verteidigungsfähigkeit der Ukraine, die Gewährleistung ihrer Erholung und ihres Wiederaufbaus – einschließlich der Sondierung von Möglichkeiten, dies mit Finanzmitteln aus Russland zu erreichen – sowie die Verfolgung der während des Krieges von russischer Seite begangenen Verbrechen.

EU-Interessen? Fehlanzeige!

Die EU hat sich die größten Wünsche der Ukraine (und ihrer Vormacht USA) zu eigen gemacht. Gleichzeitig vermochte sie es fortan nicht mehr, eigene, genuin europäische Interessen zu formulieren.

Mittlerweile ist es sogar so weit, dass das ureigenste Interesse der EU und ihrer Bürger – die Forderung nach einer Waffenruhe und einem dauerhaften Frieden – als Sakrileg betrachtet wird.

Frieden schaffen mit immer mehr Waffen, heißt es ein Jahr nach Beginn des Krieges in Brüssel – wobei sich die EU nicht einmal darauf einigen kann, wie eine neue Friedensordnung aussehen sollte…

Die anderen Teile dieser Serie finden sich hier