Der Streit um die Flüchtlingspolitik – kurz erklärt

Der Streit um die Flüchtlingspolitik ist verwirrend. CSU gegen CDU, Seehofer gegen Merkel, Italien gegen Deutschland – oder umgekehrt? Angesichts der hitzigen Debatte blickt kaum noch jemand durch. Versuch einer Erklärung.

Worum geht es? “Um den Schutz der deutschen Grenze”, heißt es in München. “Um den Schutz der Außengrenzen”, heißt es in Brüssel. Man sollte beides auseinander halten – vor allem mit Blick auf das EU-Recht.

Wer von den Binnengrenzen spricht, spricht zunächst einmal von Schengen – also vom Prinzip der Reisefreiheit. Das ist gefährdet, wenn man Grenzkontrollen einführt oder die Grenzen dicht macht.

Wer von den Außengrenzen spricht, spricht von Außenpolitik – und, mit Blick auf die Flüchtlinge, von Dublin III. Diese Dublin-Verordnung ist 2015 krachend gescheitert. Sie sieht vor, dass jene Staaten für die Annahme und Bearbeitung von Asylanträgen zuständig sind, in denen die Migranten ankommen.

Damals war das vor allem Griechenland, heute ist es vor allem Italien. Die CSU möchte nun die Dublin III-Verordnung durchsetzen – und Asylbewerber, die in Italien registriert wurden, an der Grenze abweisen.

Italien hingegen will Dublin abschaffen – und durch ein völlig neues System ersetzen. Dabei steht der Schutz der Außengrenzen ganz oben, um den Zustrom von Flüchtlingen maximal zu begrenzen.

Wenn sich nun für den Schutz der Außengrenzen einsetzt, löst das Problem an der deutschen Binnengrenze nicht – denn dort kommen ja nur jene Asylbewerber an, die schon in der EU angekommen sind und von einem Land zum anderen ziehen (“Sekundärbewegungen”).

Merkel möchte dieses Problem lösen, indem sie nationale (nicht: europäische) Rücknahmeabkommen schließt – vor allem mit Italien. Doch die neue Regierung in Rom lehnt das bisher ab.

Hier sehen wir die komplexe Verbindung von (deutscher und italienischer) Innenpolitik und Europapolitik. Merkel und Italiens Premier Conte tragen ihre die ihre nationale Agenda nach Brüssel – und sorgen für Chaos.

Letztlich geht es um die Frage, ob man See- und Binnengrenzen als nationale oder als (inner-)europäische Grenzen betrachtet. Seehofer und Salvini argumentieren national, Merkel (scheinbar) europäisch.

In der Praxis hat Merkels Vorstoß aber dazu geführt, dass nun alle national argumentieren. Beim Krisengipfel am Sonntag war man sich nur einig, dass man sich nicht einig ist – und auch keine EU-Beschlüsse sucht.

Stattdessen soll es zunächst nur um “operative Lösungen” gehen – wie im Fall des Rettungsboots “Lifeline”. Dort erleben wir das Geschacher zwischen nationalen Behörden – EUropa bleibt auf der Strecke…

…dabei kommen heute weniger Flüchtlinge an als vor der Flüchtlingskrise 2015. Wir erleben im Kern also keine neue Flüchtlingskrise, sondern eine politische Krise um den Umgang mit Flüchtlingen!

Die EU-Institutionen zeigen sich dieser Krise nicht gewachsen – denn sie untergräbt das Vertrauen und die Solidarität der 28 Mitgliedstaaten. Dabei war die EU doch dafür geschaffen worden, beides zu organisieren…

Siehe auch “Institutionen-Versagen”