Der permanente Ausnahmezustand
Die EU entfernt sich immer mehr von ihren Idealen. Nicht nur in Griechenland oder in der Türkei, in Ungarn oder Polen – sondern auch in Frankreich und Deutschland. Es droht der permanente Ausnahmezustand.
[dropcap]S[/dropcap]ouverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet. So hat es C. Schmitt formuliert, der Vordenker autoritärer Herrschaft. Was hätte er wohl über dieses EUropa gesagt?
Der Ausnahmezustand breitet sich aus, doch eine souveräne Entscheidung ist nicht mehr zu erkennen. Angefangen hat es in Griechenland, wo ein „Experiment in postdemokratischer Herrschaftskunde“ stattfindet.
Dann hat Frankreich – nach den Mordanschlägen des „IS“ – den Ausnahmezustand verhängt. Belgien folgte kurze Zeit später, noch heute schützen schwerbewaffnete Soldaten die EU-Institutionen in Brüssel.
Danach waren – im Zuge der so genannten Flüchtlingskrise – Ungarn, der Balkan, schließlich auch Österreich und Deutschland dran. Die Grenzen wurden dicht gemacht, in Ungarn fuhr das Militär auf.
All das würde nur kurze Zeit dauern, haben wir uns beruhigt, als es losging. Nach ein paar Monaten werde schon wieder Ruhe einkehren. Dafür werde die EU schon sorgen. Doch wir haben uns getäuscht.
Erst beschloss die Eurogruppe, Griechenland auch nach Ende des 3. Bailouts im Troika-Regime zu halten. Wenn es nach Finanzminister Schäuble geht, soll die Fremdherrschaft bis 2028 dauern, mindestens.
Dann beschloss Frankreich, den eigenen Ausnahmezustand zu verlängern. Erst einmal, dann zweimal, jetzt mindestens bis zur Präsidentschaftswahl im April 2017. Wenn Le Pen siegt, wird er wohl ewig gelten.
Kürzlich kaum noch die Meldung, dass auch Deutschland nicht bereit ist, zur Normalität zurückzukehren – mindestens bis zur Bundestagswahl im Herbst 2017 sollen die Grenzkontrollen weitergehen.
„Europa plant den Überwachungsstaat“
Und das, obwohl kaum noch Flüchtlinge aus Österreich durchkommen! Egal, es geht weiter, immer weiter. Gerade wird die Festung Europa massiv ausgebaut. Zitat aus dem „Tagesspiegel“:
Militärisch organisierte Lagezentren, Datenbanken über zig Millionen Menschen, großflächige Überwachung mittels ferngesteuerter Drohnen, dazu milliardenschwere Fonds für Forschung und die anschließende Beschaffung der benötigten Technologie – kaum bemerkt von ihren Bürgern betreiben die Regierungen der Europäischen Union ein folgenschweres Langzeitprojekt: die großtechnische Aufrüstung zur Kontrolle der Außengrenzen.
„Europa plant den Überwachungsstaat“, fassen die investigativen Journalisten um H. Schumann die Hightech-Projekte zusammen. Milliarden werden in neue Sicherheitstechnik investiert.
Und damit sie sich „rechnen“, darf der Ausnahmezustand auch nach den Wahlen 2017 nicht enden. Er muss weitergehen, immer weiter – einen Souverän, der „Stopp“ sagen könnte, haben wir schon lange nicht mehr.
Oder?
Winston
14. Dezember 2016 @ 17:43
Ja S.B
Der Preis für die EU und Euro-Zone ist sehr hoch, nicht nur für Deutschland sondern für das ganze Europäische Volk. Mit Betonung auf Volk.
Die einzigen die das begriffen haben sind die Briten, „noch“.
Man kann nicht dauerhaft gegen das Volk regieren. Der Frust und die Wut nehmen zu und die Geduld ab und die EU Èliten, sei es in den nationalen Parlamenten oder in Brüssel selber werden immer nervöser und gleichzeitig unverschämter, dies führt wiederum zu immer abstruseren Fehlentscheidung und Fehlentwicklungen.
Brexit und Trump waren nur der Anfang.
kaush
14. Dezember 2016 @ 10:08
Wie ich schon mal schrieb: Ein Putsch in Zeitlupe gegen die Demokratie.
Wobei sich das Tempo beschleunigt.
Und – mein lieber ebo – dieser Putsch wird von s.g. Sozialisten, s.g. Sozialdemokraten und s.g. Christdemokraten geführt.
Nicht von den pösen (mal Rechts-, Links, Oben-, Unten-) Populisten.
Und die Unterstellung, unter Le Pen würde der Ausnahmezustand ewig dauern, könnte man als Fake-News auffassen.
Dafür könntest Du demnächst vom Ministerium für Wahrheit eingeknastet werden.;)
Ganz ohne Le Pen…
S.B.
14. Dezember 2016 @ 09:35
„Wieso sich die heutigen Sozialisten sich so für diese Ordo und Neoliberale EU begeistern ist mir schleierhaft.“
Die Antwort finden Sie im oben von mir verlinkten Tagesspiegel-Artikel.
Die Linksgrünen halten sich erstens für etwas Besseres als den „dumpfen Rest“ und zweitens wollen sie unbedingt ihr Ziel der „kulturellen Moderne“, also eine vielfältige, uneinheitliche (also komplett durchmischte uns so gesehen doch wieder einheitliche) Welt schaffen (im ersten Schritt D und Europa). Das muss zum einen irgendwer bezahlen und das können nur die sein, bei denen es noch etwas zu holen gibt. Zudem muss die politische Gegenwehr gegen diese (fremden) Interessen natürlich so gering wie möglich sein. Dazu muss man Strukturen, die diesem Ziel entgegenstehen, zerstören. Das geht los bei der Familie und erstreckt sich bis zur defacto-Auflösung der (National-) Staaten. Andererseits müssen „konstruktive“ Voraussetzungen geschaffen werden, welche das (Wieder-) Erstarken solcher Strukturen möglichst verhindern. Das geht los mit der Entwurzelung der Menschen im Rahmen der sog. Freizügigkeit, dem völlig unverhältnismäßigen Hypen von irgendwelchen Minderheiten-Interessen und erstreckt sich bis zur unkontrollierten Massenmigration völlig kulturfremder Leute, die zum allergrößten Teil in jeder Hinsicht inkompatibel mit dem europäischen System sind.
Die Ordo- und neoliberale, vor allem aber völlig undemokratische EU, ist den linksgrünen Internationalisten ein überaus willkommenes Werkzeug zur Erreichung ihres Zieles.
Winston
14. Dezember 2016 @ 07:49
In Frankreich wird es interessant.
Da ist auf der einen Seite Fillon, Neoliberal durch und durch und überzeugter Thatcher Anhänger. Seine Agenda sollte nicht überraschen, Sparen: 100 Mrd. kürzen: 600.000 öffentliche Stellen, Pensionsalter hoch, MwSt. hoch. Weniger Staat, mehr Markt. Halt der typische Neoliberale Spin seit den 80er Jahren, Staat schlecht, Markt gut.
Also typische pro Zyklische Maßnahmen, imho das dümmste was man in einer Rezession machen kann. Frankreich ist zwar nicht in einer Rezession, viel fehlt allerdings nicht. Ein französischer Monti, vielleicht ein bisschen softer. Merkel und vor allem Schäuble wirds freuen.
Auf der anderen Seite Le Pen, Rechts“radikal“. Allerdings ist ihre Agenda alles andere als Rechts, ausser die Ausländer Frage. Sie fordert mehr Staat und stellt sich eindeutig gegen den grassierenden Neoliberalismus. Ihre Wirtschaftspolitik ist klar Keynesianisch. Sie will die monetäre und fiskalische souveränität zurück erlangen, das heisst raus aus der Euro-Zone. Le Pen ist vor allem der Alptraum Merkels und Schäubles.
Wieso toben die Medien so gegen Le Pen, ganz einfach, sie will Frankreich aus den Neoliberalen fesseln befreien, sicher nicht wegen ihrer Ausländer Politik. Ganz ähnlich ergeht es Trump.
Für wen werden sich die Französischen Wähler entscheiden ? vor allem die Sozialisten, für den Neoliberalen Fillon oder für die „Sozialistin“ Le Pen ? :-))
Der Sozialist Valls hat schon mal mit der Werbe Trommel gegen Le Pen angefangen und fordert die Sozialisten auf für den Neoliberalen Fillon zu Wählen.
Le Pen ist gegen die EU, auch Rosa Luxemburg war klar gegen die Vereinigte Staaten von Europa.
Wieso sich die heutigen Sozialisten sich so für diese Ordo und Neoliberale EU begeistern ist mir schleierhaft.
Susanne
13. Dezember 2016 @ 22:14
Ein Artikel, der die Schieflage aufgreift.
Ein Fehler reiht sich an den anderen. Man ahnt, nur durch ein reset wird Brüssel wieder politisch von den Völkern der Zone akzeptiert. Das ich heute von dem „Troika-Regime“ lesen durfte, erfreut und erschüttert zu gleich. Es ist genau dieses, ein Regime innerhalb dieser eu…und ich bin gespannt, ob man in Zukunft noch weitere politische Zonen benennt, welche ihre demokratische Legitimation verlassen haben. Es ist doch offensichtlich eine Kungel-Bude, welche die Wähler gnadenlos über den Tisch zieht.
Peter Nemschak
13. Dezember 2016 @ 14:58
Den Souverän, eine kleine Minderheit von Intellektuellen ausgenommen, scheint keinen bedarf für ein STOPP zu verspüren. Wen stört der Ausnahmezustand?
S.B.
13. Dezember 2016 @ 14:24
Hier noch ein lesenswerter Artikel zu den „linksliberalen Eliten“ und ihren Eine-Welt-Zielen im Tagesspiegel.
http://www.tagesspiegel.de/politik/political-correctness-der-hochmut-der-vernuenftigen/14961874.html
Der Titel des Artikels dürfte freilich nicht heißen „Der Hochmut der Vernünftigen“, sondern „Der Hochmut der Intellektuellen-Idioten“ (frei nach Nicholas Taleb: http://www.nzz.ch/feuilleton/aktuell/nassim-nicholas-taleb-die-wohlwissenden-ld.128349). Das wäre freilich dann doch zu deutlich gewesen für den Tagesspiegel und seine linksextreme Leser-Klientel.
Der Artikel ist trotz Aufzeigen des Problems selbstverständlich stark tendenziös, denn vom Autor wird unterstellt, dass alle, die das Modell “kulturelle Moderne” nicht befürworten, eine dumpfe Haltung und dumpfe Gefühle haben, die Befürworter dagegen die „gebildete Elite“ sind:
„Doch die bloße moralische Verurteilung solcher dumpfen Haltungen und Gefühlslagen durch eine gebildete Elite…“
Ausgesprochen ekelhaft diese Anmaßung!!! Und das soll eine Elite sein (zu der sich der Autor offenbar selbst zählt)???
Wie abgehoben diese „linke Elite“ ist, zeigt sich überdeutlich in diesem Statement:
„Der Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Washington, Bastian Hermisson, hat es auf dem Grünen-Parteitag kürzlich auf den Punkt gebracht. „Wir sollten uns an die eigene Nase fassen. Was moralisch richtig ist, wissen wir sowieso, und wir blicken mitleidig auf die anderen, die noch nicht soweit sind“,…“
Was für ein A………..h, dieser Typ! Die denken wirklich, sie hätten einen Alleinanspruch auf die Gestaltung der Welt. Die sind wirklich kein bisschen besser als so mancher Diktator aus der jüngeren Vergangenheit.
Und so wird im Artikel immerhin zurecht festgestellt:
„Im deutschen Flüchtlingsdiskurs ist ein seltsames Phänomen zu beobachten. Ausgerechnet viele derjenigen Geister, die für ein kulturell vielfältiges, uneinheitliches Deutschland streiten, akzeptieren jenseits der eigenen Meinung kaum mehr etwas und hantieren schnell mit dem Rassismus-Vorwurf, wenn ein anderer nur auf die beschränkten Möglichkeiten der Flüchtlingsaufnahme hinweist.“
ebo
13. Dezember 2016 @ 14:26
@S.B. Der Tagesspiegel linksextrem? Selten so gelacht. Wahrscheinlich wird Westberlin nur von Autonomen bevölkert?
S.B.
13. Dezember 2016 @ 15:37
@ebo: „Der Tagesspiegel linksextrem? Selten so gelacht.“ – Das Lachen wird Ihnen noch vergehen. 😉
„Wahrscheinlich wird Westberlin nur von Autonomen bevölkert?“ – Was haben Sie denn gedacht? Seit 1989 hat sich das aber immerhin ein klein wenig aufgelockert. 🙂
ebo
13. Dezember 2016 @ 15:42
Nunja, in den 90ern habe ich selbst für den Tagesspiegel gearbeitet. Er war bürgerlich-liberal. Das ist er auch heute noch.
S.B.
13. Dezember 2016 @ 16:37
„Nunja, in den 90ern habe ich selbst für den Tagesspiegel gearbeitet. Er war bürgerlich-liberal.“ – Damals habe ich noch studiert und würde Ihre Einschätzung (teilweise) teilen.
„Das ist er auch heute noch.“ – Er ist zum linken Umerziehungs-Meinungsmache-Blatt gewandelt worden. Ab und zu steht mal was Gescheites drinnen, wohl aus Alibi-Gründen, um den bürgerlich-liberalen Anschein zu wahren.
S.B.
13. Dezember 2016 @ 11:26
@ebo: Das heutige Europa hat sich doch Lichtjahre davon entfernt, was die Väter der EU konzipiert hatten. De Gaul wollte ein Europa der Vaterländer und keine politische Koordination im Rahmen einer europäischen Überstaatlichkeit. Die „gemeinsamen europäischen Werte“ wurden erst später von der „linksliberalen“ Elite eingebracht. Diese will eine „kulturelle Moderne“ erzwingen, die in ein kulturell vielfältiges, uneinheitliches Europa mündet, das für alle Welt sperrangelweit (also unkontrolliert) offen steht. Die Vielfältigkeit und Uneinheitlichkeit soll sich selbstredend und im Sinne der Eine-Welt-Ideologie nicht auf die europäischen Völker an sich beschränken, sondern auf die (unkontrollierte) Zuwanderung aus der ganzen Welt. An der Umsetzung wird zur Zeit mit aller Rücksichtslosigkeit gearbeitet. Die „Akzeptanz“ seitens der europäischen Völker, soll über die EU-Werte-Matrix (Solidarität, Toleranz, Akzeptanz, Freizügigkeit etc.) hergestellt werden. Die linksliberale Elite hat diese – grundsätzlich nicht zu beanstandenden – Werte allerdings in ihrer praktischen Anwendung vollkommen überdehnt und zerstört damit ein eigentlich funktionales System. Um ihr Ziel der „kulturellen Moderne“ dennoch zu erreichen, greift diese Elite zu Maßnahmen, die sie bei ihren politischen Gegnern aufs Schärfste verurteilt. Dazu gehört auch der totale Überwachungsstaat, der sich in erster Linie nicht gegen Migranten, sondern gegen die eigenen Bevölkerungen richtet. Dieser ist nichts anderes als Ausdruck davon, dass diese Elite keine andere Sichtweise als die ihre akzeptiert. Ein Ausfluss davon ist die „Maasi“-Zensur in Kooperation mit Stiftung, die von einer ehemaligen Stasi-Mitarbeiterin (Anette Kanhane) geführt wird. Die linksliberale Elite ist eben vor allem eins: absolut intolerant gegenüber Andersdenkenden.
S.B.
13. Dezember 2016 @ 09:51
„Oder?“ – Gute Frage!
Schaut man sich die Fakten an, muss man sie wohl leider verneinen. Man kann dieses Nein übrigens nicht damit begründen, dass es den Leuten generell zu gut geht und sie deshalb nicht auf den Erhalt ihrer Freiheitsrechte achten. Dies mag vielleicht in D, AT, NL etc. noch zum Großteil so sein, aber in den Südländern eher nicht.
Ich denke vielmehr, dass die Menschen in der von den linken Eliten gemachten EU-Werte-Matrix festhängen und intellektuell nicht wieder herausfinden. Über Jahrzehnte wurden sie mit sogenannten „gemeinsamen europäischen Werten“ indoktriniert, die bestenfalls in politischen und wirtschaftlichen Schönwetterzeiten funktionieren. Die Umsetzung dieser Werte – insbesondere die offenen Grenzen – hat allerdings in letzter Konsequenz zu dem jetzige Ausnahmezustand geführt. Richtigerweise müsste das ganz offensichtlich dysfunktionale „europäische Werte“-Rad also wieder auf den Ausgangszustand zurückgedreht werden. Defacto würde dies u.a. eine echte Schließung der nationalen Grenzen mit echten Grenzkontrollen bedeuten und auch die Beschränkung des Sozialstaates auf die tatsächlichen Beitragszahler. Soweit will die „Elite“ aber noch nicht gehen, denn noch gibt sie das Projekt „EU“ nicht auf. Auch deshalb, weil ihr der Ausnahmezustand die Möglichkeit zur Einrichtung zur Totalüberwachung gibt. Und zwar nicht nur zum Zwecke der Aufrüstung der Kontrolle der EU-Außengrenzen, sondern insbesondere auch zur Total-Überwachung der eigenen Bürger. Letzteres vergisst der linke Tagesspiegel natürlich absichtlich zu erwähnen; Lücken-Presse eben.
Die Menschen werden in der großen Mehrzahl gegen diese Entwicklung nichts unternehmen, da der totale Überwachungsstaat aus der ihnen eingetrichterten Sichtweise nun einmal der Preis für die „gemeinsamen europäischen Werte“ ist. Und die sind ja sooooo gut für sie… wurde ihnen erzählt.
ebo
13. Dezember 2016 @ 09:56
@S.B. Welche linken Eliten, welche EU-Werte-Matrix? Die EU wurde von Konservativen, Liberalen und Gaullisten gegründet, das waren die Gegner der Linken. Im Zentrum stand – neben dem Versuch, Deutschland von neuen kriegerischen Abenteuern abzuhalten – die Öffnung und Liberalisierung aller Märkte. Von Werten war damals noch keine Rede, oder wenn, dann von Geldwerten 🙂