Der Norden rutscht nach Rechts
Der Rechtsruck in Schweden fiel nicht ganz so stark aus, wie befürchtet. Mit 18 Prozent der Stimmen landeten die Schwedendemokraten nur auf Platz drei – fast wie in Deutschland. Mit der Regierungsbildung werden sie nichts zu tun haben. In Finnland und Dänemark sieht es anders aus.
In Kopenhagen ist die Dänische Volkspartei DF zur zweitstärksten Partei mit 21 Prozent Stimmenanteil aufgestiegen. Lange stimmte als Mehrheitsbeschaffer für alle möglichen Projekte der Minderheitsregierung.
Im Januar kam es zwar zum Bruch. Doch die ausländerfeindlichen Parolen der DF haben längst auf die Regierung abgefärbt. Dänemark hat die schärfsten Ausländergesetze Nordeuropas, die EU-Kommission schweigt.
Auch in Helsinki reden die Rechten mit. Die “Wahren Finnen”, die heute”Partei der Finnen” heißen, sind seit 2015 an der Regierung. Als beim Parteitag 2017 der rechtsextreme EU-Abgeordnete Halla-aho zum Parteichef gewählt wurde, kam es zur Spaltung der Partei.
Die Minister der “Finnen” wechselten in die neue Partei “Blaue Zukunft”, blieben ihren Überzeugungen jedoch treu. Trotz des Rechtsdralls stützt sich Deutschland in der Eurogruppe gern auf Finnland, wenn es gilt, einen harten Kurs durchzusetzen – etwa gegen die Linksregierung in Griechenland.
Nach dem Wahlerfolg der Schwedendemokraten (Sverigedemokraterna) in Stockholm sind nun in allen Ländern Skandinaviens Parteien der äußersten Rechten im Parlament vertreten, die um die 20 Prozent der Stimmen erreichen können, resümiert “German Foreign Policy”.
Das Klischee, dass die Rechten nur im “rückständigen” Osten gedeihen und mitregieren, ist also überholt. Auch der Norden EUropas rutscht nach Rechts. Und in Berlin zerlegt sich gerade die Mitte – oder das, was davon übrig ist…
Claus
11. September 2018 @ 09:59
„. . . fast wie in Deutschland. Mit der Regierungsbildung werden sie (die Schwedendemokraten) nichts zu tun haben . . .“
Stimmt genau. Was aber nicht heißt, sie wären in jeder Koalitionsverhandlung, in jedem noch so vertraulichen Meeting der Parteien, die sie isolieren wollen, nicht mit am Tisch oder voll dabei. Nur eben nicht selbst, unsichtbar, aber dafür aber umso präsenter. Wie in Deutschland.
Peter Nemschak
11. September 2018 @ 09:32
@ebo So schlecht kann der Deal mit Erdogan in den Augen der Sozialdemokraten nicht sein, auch wenn sie seinerzeit vor vollendete Tatsachen gestellt wurden. Sonst würden sie nicht wie der Chef der SPÖ für weitere derartige Deals mit Libyen und anderen afrikanischen Staaten plädieren. In Sachen Flüchtlingsobergrenze sind die Rechten in ihrer Rolle als Garant nationaler Identität in den Augen der Bevölkerung glaubwürdiger als die Linken. Ein Rollentausch in naher Zukunft ist unwahrscheinlich. Von der wechselseitigen ideologischen Blockade der Rechten und Linken profitiert derzeit die konservative Mitte.
Erich
11. September 2018 @ 06:56
Wieso meinen Sie, dass der Rechtsruck schwächer als befürchtet ausfiel? Wer befürchtet das außer die vielen LinksLinks-Parteien, die um ihre Pfründe bangen und die vor Wahlen immer beteuern, dass sie den Zuzug von illegal zuwandernden Migranten eindämmen wollen aber nach der Wahl nichts unternehmen? Zudem handelt es sich in Europa nicht um einen Ruck nach rechts sondern in die Mitte da immer mehr ehemalige Anhänger der Sozialdemokratie erkennen was passiert, wenn sie weiter diese Parteien wählen.
Peter Nemschak
10. September 2018 @ 14:03
Unabhängig davon, ob die Rechten in der Regierung sind hat ihr Einfluss die Sozialdemokraten nach rechts gedrängt. Während vor einigen Monaten eine Flüchtlingsvereinbarung mit dem autoritären Erdogan abgelehnt wurde, empfiehlt der Chef der österreichischen Sozialisten, mit den libyschen noch weniger menschenfreundlichen Warlords, eine ähnliche Vereinbarung wie mit der Türkei abzuschließen. Dagegen nimmt sich der Vorschlag des Wehrsprechers der rechten FPÖ, einen Streifen Land im zerfallenen Staat Libyen zu besetzen und durch Europa zu verwalten direkt menschenfreundlich, wenn auch aus verschiedenen Gründen nicht realisierbar aus. Tempora mutantur.
Kleopatra
11. September 2018 @ 07:52
Die österreichischen Sozialdemokraten hatten bereits Anfang 2016 eine harte, zahlenmäßige jährliche Obergrenze für Asylbewerber beschlossen (als Regierungspartei) und als Koalitionspartner die Aktivität des seinerzeitigen ÖVP-Außenministers Kurz für eine Blockade der “Balkanroute” (Stichwort Idomeni) jedenfalls mitgetragen. Sie sind also schon lange für eine restriktive Migrationspolitik und haben den deutschen “Merkelismus” nur wenige Monate lang passiv mitgetragen; insofern sehe ich keine Änderung der Parteilinie. (Innerhalb der SPÖ wird die Haltung zur Flüchtlingsfrage übrigens kontrovers diskutiert).
Andererseits scheint sich die SPÖ-Haltung in der Migrationsfrage zu lohnen. Die SPÖ hat als vielleicht fast einzige sozialdemokratische Partei in der EU in den letzten Parlamentswahlen (2017) keine katastrophale Niederlage erlitten, sondern vielmehr ihren Stimmenanteil von 2013 halten können.
In welchem Land haben übrigens die Sozialdemokraten eine “Flüchtlingsvereinbarung mit dem autoritären Erdogan” abgelehnt?
ebo
11. September 2018 @ 08:27
Was den Deal mit Erdogan betrifft, so wurden die Sozialdemokraten vor vollendete Tatsachen gestellt. Merkel hat den Deal hinter dem Rücken der EU ausgehandelt, nur der Niederländer Rutte war beteiligt. Das Europaparlament wurde nicht gefragt.