Der liberale “Meltdown”, eine rechte Blockade – und das Wort zum Sonntag

Die Watchlist EUropa vom 4. Juli 2024 – Heute mit dem Niedergang der westlichen Demokratien, der Sperrminorität im Ministerrat und dem Segen der Bischöfe für die EU.

In Brüssel herrscht wieder “Business as usual”. Kommissionschefin von der Leyen sammelt fleißig Stimmen für ihre Wiederwahl, die Chefs der Fraktionen im Europaparlament bereiten die konstituierende Sitzung Mitte Juli vor. Alles in bester Ordnung, könnte man meinen.

Wenn da nicht die verdammten Wahlen wählen, die (anders als die Europawahl) alles ändern können. Im United Kingdom, in Frankreich und später auch in den USA sind die Bürger zu den Urnen gerufen. Es droht nichts weniger als ein liberaler “Meltdown”.

Das klingt übertrieben? Dabei ist es nicht ‘mal von mir – sondern von Carl Bildt, dem ehemaligen Premier und erfahrenen Diplomaten aus Schweden. “It’s meltdown time. Biden last Thursday, Macron on Sunday and Sunak on Thursday next week“, schreibt Bildt auf X.

Meltdown of the liberal democracy, self inflicted in all three cases“, habe ich ihm geantwortet. Wir erleben die “Kernschmelze” der liberalen Demokratie – und in allen drei Fällen ist sie selbst verschuldet. Kein Putin, kein Xi, keine bösen Rechten sind hier am Werk.

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Nein, in London hat Sunak selbst die Wahlen vorgezogen – wohl wissend, dass Labour gewinnen wird. In Paris hat Macron von sich aus Neuwahlen angesetzt – wohl wissend, dass die Nationalisten gewinnen würden. Und in Washington hat Biden selbst entschieden, trotz Altersschwäche nochmal zu kandidieren.

In allen drei Fällen sind es “liberale” Politiker, die als Stützen des “freien Westens” galten. Nun sind sie zum Problem geworden – für das UK, die EU und die USA. Was daraus folgt, ist unklar. Sage nur niemand, der “Meltdown” wäre von irgendwelchen bösen Mächten verursacht.

Schuld ist vielmehr eine falsche Politik, die von den Bürgern nicht mehr mitgetragen wird – und die offenbar auch im “liberalen” westlichen Establishment keine Basis mehr findet…

News & Updates

  • Rechte Blockade im Ministerrat möglich. “Die Mitte hält” – mit diesem Spruch haben sich die etablierten Parteien nach dem Rechtsruck bei der Europawahl Mut zugesprochen. Doch nach dem Regierungswechsel in den Niederlanden und dem wahrscheinlichen Rechtsruck in Frankreich könnten die EU-skeptischen Länder im Ministerrat die sog. Sperrminorität erreichen und umstrittene Gesetze blockieren. Dafür nötig sind mindestens vier EU-Staaten, die mindestens 35 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung stellen. Mit Italien, Ungarn, den Niederlanden und Frankreich wäre diese Bedingung erfüllt. Sie müssen sich “nur” noch einig sein – Siehe auch “Nun auch die Niederlande: Immer mehr Rechte regieren mit
  • Nato verspricht Ukraine noch mehr Waffen. Die Nato-Länder haben neue Ukraine-Hilfen im Umfang von 40 Mrd. Euro auf den Weg gebracht. Die Staats- und Regierungschefs wollen die Zusage kommende Woche bei ihrem Gipfeltreffen in Washington beschließen. Allerdings konnten sie sich nicht auf die Finanzierung einigen. Generalsekretär Stoltenberg ist zudem mit dem Vorhaben gescheitert, mehrjährige Zusagen zu geben. – Siehe auch “Jetzt wird’s brenzlig: Die Nato übernimmt das Ruder in der Ukraine
  • Lufthansa übernimmt halb EUropa: Die Lufthansa darf bei der staatlichen italienischen Fluggesellschaft Ita einsteigen. Nach langer Prüfung hat die EU-Kommission grünes Licht gegeben. Zuvor muss das Traditionsunternehmen aber eine Reihe von Bedingungen erfüllen und z.B. Start- und Landerechte in Mailand-Linate abgeben. Der deutsche Carrier beherrscht jetzt schon halb EUropa – mit Beteiligungen in der Schweiz, Österreich und Belgien.

Das Letzte

Das Wort zum Sonntag. Die deutschen katholischen Bischöfe haben der EU ihren Segen gegeben. “Gerade in Zeiten massiver geopolitischer Veränderungen braucht es die EU, um das Wohl der Menschen zu fördern und die politischen Interessen ihrer Mitgliedsstaaten zu bündeln”, heißt es in einer Stellungnahme der Deutschen Bischofskonferenz. Die Bischöfe schreiben weiter: “Eine Welt ohne die EU wäre eine schlechtere Welt.” Leider fehlt eine theologische Begründung. Angesichts der vielen Toten im Mittelmeer kann man ja durchaus am ethisch-moralischen Mehrwert der EU-Politik zweifeln. Aber die Erklärung wird bestimmt noch nachgeliefert – vielleicht im nächsten Wort zum Sonntag?

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