Der lange Arm des Sultans
Während Präsident Erdogan in der Türkei ein neues Sultanat einrichtet, hält die EU Rechtsstaat und Demokratie aufrecht. Sagt sie jedenfalls. Die Praxis sieht anders aus – Erdogans langer Arm reicht bis nach Deutschland.
„Deutschland auf Türkei-Kurs – Alles kurdische ist Terror“ meldet der Blog der „Ruhrbarone“. In Dortmund hatte die Polizei eine geplante kurdische Demonstration verboten.
Der Grund, man kann es schon fast erraten: Die Polizei befürchtet, dass bei der Demonstration für die PKK geworben werden könnte. Und das darf nicht mehr sein – hat die Bundesregierung Erdogan versprochen.
Noch direkter scheint der Durchgriff des Sultans in Tschechien zu sein. In Prag forderten am Montag rund 200 Demonstranten die Freilassung des syrisch-kurdischen Politikers S. Muslim.
Der 67-Jährige war in der Nacht zu Sonntag in Prag aufgrund eines über Interpol verbreiteten Fahndungsgesuchs der Türkei in Gewahrsam genommen worden.
Die Türkei wirft Muslim unter anderem Verbindungen zu einem Anschlag auf einen Militärkonvoi im Februar 2016 in Ankara vor. Muslim ist syrischer Staatsbürger und ehemaliger Chef der Kurdenpartei PYD.
Derweil kündigte Erdogan die militärische Belagerung der syrischen Stadt Afrin an. Auch dort will er den Kurden, die allesamt „Terroristen“ seien, den Garaus machen.
„Inakzeptabel“ sei das, so Luxemburgs Außenminister Asselborn. Die EU müsse nicht nur Syriens Assad, sondern auch Erdogan zur Einhaltung der vereinbarten Waffenruhe drängen.
Doch Brüssel schweigt…
Heinz
27. Februar 2018 @ 09:59
Dem Kommentar von Herrn Nemschak stimme ich nicht zu. 1. Der „Westen“ hat kein Interesse am Ende des Syrienkrieges, denn der Regimechange ist noch nicht gelungen. Assad bleibt an der Macht. 2. Die Kurden wurden für den Kampf gegen den IS missbraucht, das ist wohl so, ändert aber nichts an ihrem Recht auf einen eigenen Staat. Nur gibt es hier zu viele Widersacher.
3. Erdogan nutzt seine neue Machtstellung als Türsteher für Europa und möchte die Kurden am liebsten ausrotten, aber es gibt zu viele. Bei den Armeniern war es leichter. 4. Da kann man den in der Türkei Herrschen schon vorwerfen, welche Interessen sie verfolgen. Die deutschen „Eliten“ haben 1939 auch geglaubte eigene Interessen verfolgt.
Peter Nemschak
27. Februar 2018 @ 11:25
Ob die Kurden ein Recht auf einen eigenen Staat haben, ist für europäische Interessen irrelevant, die Vernichtung des IS hingegen sehr wohl relevant. Hätten die USA und die EU den IS mit eigenen Bodenkräften bekämpft statt sich auf die Kurden zu stützen, wäre ein Eingreifen der Türkei nicht im politischen Interesse der Türkei gelegen. Die EU hat ebenso wie die Türkei kein politisches Interesse an einem Kurdenstaat – worin sollte dieses bestehen ? – noch hat die EU ein Interesse an einem Konflikt mit der Türkei und schon gar kein Interesse, dass der Türkei-Kurdenkonflikt auf europäischem Territorium ausgetragen wird. Es ist ein fataler Fehler, internationale Politik auf Grundlage eigener gesellschaftspolitischer und moralischer Vorstellungen mit Anspruch auf Allgemeingültigkeit zu betreiben. Andere Staaten haben eben andere Vorstellungen von Moral und gesellschaftlicher Ordnung. Das schafft keinen Frieden. Dieser kann nur das Ergebnis eines Interessenausgleichs sein. Nüchtern betrachtet war Russland, auch wenn es bisher keine Friedensordnung in Syrien zustande gebracht hat, effektiver als der Westen. Aus Sicht von Sachkundigen, welche die Situation in der Region aus eigener Erfahrung kennen, hat Assad den (Bürger)Krieg gewonnen. Allerdings sind sich die Experten uneinig, wie lange dieser noch dauern wird.
Peter Nemschak
26. Februar 2018 @ 21:28
Betrachten wir doch die Politik Erdogans emotionslos. Dadurch, dass der Westen die Bekämpfung des IS durch Bodentruppen den Kurden überlassen hat statt mit eigenen Bodentruppen zu kämpfen, hat er die Ambitionen der Kurden auf einen eigenen Staat unterstützt. Als Ergebnis hat die Türkei reagiert und militärisch in den Konflikt eingegriffen. Sie hat lange ein ambivalentes Verhältnis zum IS gehabt. Man kann ihr nicht vorwerfen, dass sie ihr eigenes und nicht unser Interesse verfolgt hat. Ist das Eingreifen der Türkei in den syrischen Bürgerkrieg in unserem Interesse? ich glaube nein. Es wird den Konflikt verlängern, was nicht im Interesse der EU sein kann. Durch ihr Nichthandeln haben die EU und die USA das Kurden-Türkenproblem in das Territorium der EU exportiert.
ReinardReinard Schmitz
26. Februar 2018 @ 18:08
Dann drängt mal schön …