“Der kriegerische Neoliberalismus eröffnet keine Perspektive”
Gibt es noch linke Politiker und Gewerkschafter in der Ukraine – und wenn ja, was denken sie? Das linke Portal “Analyse & Kritik” hat welche getroffen. Ihr Urteil fällt harsch aus.
Zunächst konstatieren die Befragten – ein Eisenbahn-Gewerkschafter und ein Mitglied der linken Bewegung Socialnij Ruch – dass in der Ukraine keine normale politische Betätigung mehr möglich ist. Unter Kriegsrecht wurde die Opposition ausgeschaltet, Streiks sind verboten.
Um ihre Rechte zu verteidigen, setzen die Eisenbahn-Gewerkschafter die Direktion unter Druck: “Wir drohen dem Management, wir haben unsere Methoden”. Das klingt nach französischen Verhältnissen, ist unter Kriegsbedingungen aber natürlich viel schwieriger und gefährlicher.
Dabei ist die Eisenbahn eines der wenigen Unternehmen, das noch funktioniert. Doch die Arbeiter werden schlecht bezahlt. Das Arbeitslosengeld wurde auf 180 Euro im Monat gekürzt. Kultureinrichtungen in Kiew werden geschlossen, Krankenschwestern werden nicht bezahlt.
Das meiste Geld geht in den Krieg. Doch “der kriegerische Neoliberalismus eröffnet keine Perspektive”, so der linke Aktivist. “Statt das Geld bei den Oligarchen zu holen, macht er unsere Gesellschaft schwächer und abhängiger von den Nato-Ländern.”
Deshalb würden es sich viele Ukrainer, die nach EUropa geflüchtet sind, dreimal überlegen, ob sie nach dem Krieg zurückkommen, um zu Dumpinglöhnen zu arbeiten. “Viele werden versuchen, im Ausland zu bleiben”.
Doch darüber spricht man in der EU nicht…
Auch die Kriegsmüdigkeit ist in Brüssel kein Thema. Dabei entziehen sich immer mehr Ukrainer dem Kriegsdienst, sagt Yurii Sheliazhenko, Sprecher der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung:
»Kaum jemand möchte in den Krieg ziehen. Menschen kämpfen, töten und sterben nicht gern. Selbst wenn momentan laut Umfragen 80 Prozent den Krieg befürworten, sind nur wenige bereit, zur Armee zu gehen. Die meisten ignorieren die Einberufungsbriefe oder finden andere Gründe, um nicht am Kampf teilzunehmen. Darüber wird wenig gesprochen. In unserer militarisierten Kultur ist Kriegsdienstverweigerung stigmatisiert.«
Allerdings sind die Pazifisten eine verschwindend kleine Minderheit. Auch linke Politiker müssten zur Waffe greifen, wenn sie nach dem Krieg noch eine Chance haben wollten, Mehrheiten zu gewinnen, sagt der oben zitierte Aktivist.
Das Treffen fand übrigens an einem geheimen Ort in Kiew statt – aus Angst vor militanten Nazis. Auch davon hört man in Brüssel nichts – offiziell ist die Ukraine ja eine westliche Demokratie…
Mehr hier (“Analyse und Kritik”). Siehe auch Im Schatten des Krieges (German Foreign Policy). Mehr zur Ukraine hier
P.S. Der Wiederaufbau der Ukraine soll von dem US-Finanzverwalter BlackRock koordiniert werden, berichten die “Nachdenkseiten”. Wenn das stimmt, dann steht dem neoliberalen Ausverkauf wohl nichts mehr im Wege. Die Frage ist nur, ob auch EU-Gelder von BlackRock verwaltet werden?
KK
16. Januar 2023 @ 21:59
@ Monika:
„und ob die Ukraine am Ende des Kriegs überhaupt noch durchgehend bewohnbar sein wird, ist auch alles andere als sicher. Noch sind weder östliche noch westliche nukleare „Optionen“ gebannt…“
Das gilt dann wohl für ganz Europa, nicht wahr?
Und ich zweifle, dass das derzeitige Ausreiseverbot für Männer nach einem Krieg aufgehoben würde – irgendeiner muss ja den dann US-Besitz billigst wieder aufbauen, nicht wahr? Und nach einem Krieg müssen Kriegsflüchtlinge idR zurück… vor allem, wenn die aufnehmenden Staaten inzwischen pleite sind!
european
16. Januar 2023 @ 15:53
“Doch “der kriegerische Neoliberalismus eröffnet keine Perspektive”, so der linke Aktivist.”
Neoliberalismus ist Krieg, voellig unabhaengig von der Ukraine. Georg Schramm aka Lothar Dombrowski zitiert bei solchen Gelegenheiten gern Warren Buffet.
“Auf die Frage, was er für den zentralen Konflikt unserer Zeit hält, hat Warren Buffet gesagt: „Der Klassenkampf natürlich, Reich gegen Arm, und meine Klasse, die Reichen, die gewinnen gerade.“
https://youtu.be/h5uzRz40iRY
ebo
15. Januar 2023 @ 21:35
Richtig, Blackrock wird in diesem Zusammenhang immer wieder genannt…
Andreas
15. Januar 2023 @ 21:29
und was gehört ihnen dann noch von ihrem Land….. mehrmals auf diversen Seiten gelesen die letzten Tage… teilweise yellow press …. aber commondreams ist doch halbwegs seriös, oder ?https://www.commondreams.org/news/blackrock-ukraine
KK
15. Januar 2023 @ 19:48
„Deshalb würden es sich viele Ukrainer, die nach EUropa geflüchtet sind, dreimal überlegen, ob sie nach dem Krieg zurückkommen, um zu Dumpinglöhnen zu arbeiten. “Viele werden versuchen, im Ausland zu bleiben”.“
Das sind doch in erster Linie Frauen – Männer unterhalb des Rentenalters dürfen ja derzeit nicht aus dem Land und müssten daher illegal ausgereist sein. Und die Frauen mit ihren Kindern werden ja zu ihren Männern und Vätern zurückkehren wollen, falls diese überleben. Männer im Rentenalter, die ausgereist sind, stehen dem Arbeitsmarkt hier wie dort eh nicht zur Verfügung.
„Selbst wenn momentan laut Umfragen 80 Prozent den Krieg befürworten, sind nur wenige bereit, zur Armee zu gehen.“
Bei den westlichen Politikern, die derzeit fast alle für den Krieg trommeln, wird gar keiner bereit sein, in denselben zu ziehen. Vor allem die kriegslüsternen Frauen wie Baerbock, von der Leyen und Flack-Zimmermann sind da ja auch fein raus, nicht wahr?
Sterben dürfen immer die anderen…
Monika
16. Januar 2023 @ 19:04
Das die Kinder und Frauen freiwillig zurück in ein zerstörtes Land gehen möchten, das nichteinmal mehr in ukrainischer Hand ist, sehe ich nicht. Da wird es dann eher auf „Familiennachzug“ hinauslaufen. Die weiblichen Arbeitskräfte werden problemlos hier aufgesogen, und ob die Ukraine am Ende des Kriegs überhaupt noch durchgehend bewohnbar sein wird, ist auch alles andere als sicher. Noch sind weder östliche noch westliche nukleare „Optionen“ gebannt…