Der heimliche Handelskrieg in der EU, Merz kommt – und KI aus der Fabrik?
Die Watchlist EUropa vom 10. April 2025 – Heute mit News und Analysen zur europäischen Antwort auf Trump, zur neuen Regierungskoalition in Berlin und einem bizarren Plan aus Brüssel
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Die EU holt zum Gegenschlag aus – so und so ähnlich haben die Medien die Antwort aus Brüssel auf den “Zollhammer” von US-Präsident Trump angekündigt. Doch von einem Schlag kann keine Rede sein, eher von einem ängstlichen und defensiven Tapsen.
Den neuen pauschalen US-Zöllen, die am Mittwoch in Kraft getreten sind und die kurz danach für 90 Tage ausgesetzt wurden, setzt die EU (noch) gar nichts entgegen. Und die Gegenzölle in Sachen Stahl und Aluminium fallen schwächer und zögerlicher aus, als erwartet.
Das Gesamtvolumen wurde von 26 Mrd. Euro auf 21 Mrd. heruntergefahren. Die Gegenzölle kommen in Trippelschritten – die letzten erst im Dezember. Und aus Angst vor Trumps Rache wurde Bourbon aus der Strafliste gestrichen.
Meloni spricht mit Trump
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Hintergrund ist der Handelskrieg, der innerhalb der EU tobt. Italien, Frankreich und Irland haben Sorge, ins Hintertreffen zu geraten. Italiens rechte Regierungschefin Meloni fliegt deshalb nächste Woche nach Washington, um direkt mit Trump zu verhandeln.
Paris fordert einen Investitionsstopp in den USA – ein deutlicher Fingerzeig nach Berlin. Dort hat die neue Regierungskoalition gerade die “transatlantische Kooperation” gelobt, viele deutsche Firmen wollen in Trump-Land investieren!
Irland wiederum sorgt sich um ein Privileg: Dort haben viele US-Techkonzerne ihren Europa-Sitz. Wenn die EU eine Digitalsteuer einführen sollte, wie manche als Vergeltung gegen die Trump-Zölle fordern, könnte Irland dabei nur verlieren.
Macron hat ein Problem
So blockieren sich die EU-Länder gegenseitig – ein Grund für die maue Antwort der EU-Kommission im Handelskrieg mit den USA. Diese maue Antwort könnte aber wiederum den Handelskrieg innerhalb der EU zusätzlich befeuern.
Denn wenn deutsche Unternehmen nicht mehr wie gewohnt ihre Produkte exportieren können – die USA sind der wichtigste Handelspartner für Deutschland – dürften sie vermehrt auf den europäischen Binnenmarkt ausweichen.
Das ist ein Problem – vor allem für Frankreich und die Niederlande. Denn das sind nach den USA die wichtigsten Exportländer für Deutschland. In Frankreich hat Deutschland sogar einen großen Exportüberschuss.
Präsident Macron muß sich Sorgen machen – und das nicht nur wegen Trump. Er könnte aber auch Druck machen – zum Abbau des deutschen Exportüberschusses. Denn die Ungleichgewichte werden wieder zum Problem…
Mehr hier (taz.de). Dazu gibt’s auch einen Kommentar: “Nur heiße Luft”
P.S. Gilt Trumps überraschend verkündete “Zollpause” auch für die EU? Das war zunächst unklar. Die hier behandelten Zölle auf Stahl und Alu sind jedenfalls nicht betroffen…
News & Updates
- Merz kommt, doch niemand schreit Hurra. Die neue Regierungskoalition in Berlin steht, der Weg für Kanzler Merz (CDU) ist frei. Doch niemand schreit hurra, auch in Brüssel nicht. Denn von seinen großen Ankündigungen zur Migration ist nichts übrig geblieben – und das, was übrig ist, dürfte für die EU und Schengen zum Problem werden. – Auch außenpolitisch ist das Profil unscharf – die neue “Rückschritts-Koalition” (so spotten die Grünen) lobt sogar die USA unter Trump...
- AfD vor CDU/CSU. Pünktlich zum neuen Koalitionsvertrag melden die Demoskopen, dass die AfD erstmals vor CDU/CSU liegt. Im aktuellen Sonntagstrend von Ipsos rutschen CDU und CSU um fünf Prozentpunkte auf 24 Prozent ab – der niedrigste Wert seit drei Jahren. Die AfD legt drei Prozentpunkte zu und überholt mit 25 Prozent die Union. – Merz wollte die AfD bekämpfen – mit seinem Schlingerkurs scheint er sie zu fördern…
- Litauen will mehr US-Gas. US-Präsident Trump will mehr Gas und Öl an die EU verkaufen – und hat nun einen Fürsprecher in Litauen gefunden. Die EU solle ihre strengen Regeln für Methangas lockern, um die Importe aus den USA zu steigern, fordert das baltische Land. – Da sage noch jemand, Trump sei isoliert und die EU müsse sich unabhängig von den USA machen…
Das Letzte
KI aus der Fabrik? Mit einem Aktionsplan will die EU im Rennen um die sogenannte KünstlicherIntelligenz (KI) aufholen. Herzstück der Initiative sei der geplante Aufbau spezieller, “KI-Fabriken” genannter Rechenzentren, teilte die EU-Kommission mit. Hierfür sollten wie bereits angekündigt 200 Mrd. Euro mobilisiert werden. Ein Teil dieses Geldes fließe in besonders leistungsstarke “KI-Gigafabriken”. – Leider konnte die Kommission nicht erklären, was das sein soll. KI ist eine Software-Technik, sie braucht keine Fließbänder und auch keine Fabrikhallen. Das meint auch der Informatiker und Blogger Fefe: “Das ergibt so wenig Sinn, dass man nicht mal rekonstruieren kann, was ihr da ChatGPT empfohlen haben muss, dass sie diesen Müll hier formuliert.” Die 200 Milliarden sind übrigens auch ein Hirngespinst – die EU macht kaum Geld locker, das meiste soll aus der Wirtschaft kommen…
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Monika
10. April 2025 @ 15:24
Vielleicht sollte man den Iren schmackhaft machen, sich von den USA als US-Bundesstaat kaufen zu lassen. dann sind die US-Konzerne wieder “heimisch”, die Iren haben jeder einen Batzen auf dem Konto, könnten auch gleich noch die Stationierung der US-MultiDomainTaskForce übernehmen, sind dann also super sicher… Die Deutschen wären raus aus der Raketendiskussion, Trump könnte sich die Sache mit Grönland sparen, die Engländer hätten nach dem Brexit auch weniger Gedöns.. was spricht dagegen? Das Ganze natürlich als völlig freie Bündniswahl… Das schlimme ist, dass dieser nonsense-Beitrag in keiner Weise mehr Blödsinn verbreitet als gegenwärtig politisch-medial dem “Volk” täglich verabreicht wird.
…und überhaupt: Boubon ist out und nach politischer Lage eh voll daneben, “WIR sind Scotch”
Kleopatra
10. April 2025 @ 11:20
KI mag eine Softwaretechnik sein, sie benötigt aber erhebliche Rechenleistung, und die wird von physisch vorhandenen Maschinen erbracht und verbraucht übrigens auch erhebliche Energiemengen.
ebo
10. April 2025 @ 11:28
So ist es. Es geht um Rechen- und Datenzentren. Und um Kraftwerke. Mit “KI-Fabriken” hat das aber nichts zu tun, mit Klimaschutz übrigens auch nicht!
Energy demands from AI datacentres to quadruple by 2030, says report
Helmut Höft
10. April 2025 @ 10:58
Vllt. sollte die europäische Politniki einmal hier nachlesen https://www.nakedcapitalism.com/2025/04/were-turning-into-a-dictatorship-trump-tariffs-seen-as-ploy-to-further-consolidate-power.html , oder hier https://www.commondreams.org/news/trump-tariffs-democracy : Das macht mehr Sinn als kleinkariert über Zölle zu sinnieren. Btw. and anyhow: Auf die Zölle gehört ein schweres Kaliber, kein “Onkel Donald, bitte, bitte nicht hauen, ja?” Tit for tat ist prinzipiell doof, aber wenn’s der Clown auf der anderen Seite unbedingt so will sollte man nicht ausweichen?
“Paris fordert einen Investitionsstopp in den USA …” das wäre doch schon mal ‘ne Maßnahme, ob klug ist ‘ne andere Frage.
“So blockieren sich die EU-Länder gegenseitig …” *uups* dess iss jezz abber neu, gell? m(
Merz? Der bleibt sich treu – wie im Wahlkrampf: Heute so, morgen so, übermorgen anders. Wie H.L. Mencken schon 1920 prognostizierte: “On some great and glorious day the plain folks of the land will reach their heart’s desire at last, and the [government] will be adorned by a downright moron.”
ebo
10. April 2025 @ 11:44
Merz kann es nicht und versteht es nicht. Jünster Beweis: Der Handelskrieg. Erst sagt er tagelang nichts und dann lobt er die Falsche 🙂
Arthur Dent
10. April 2025 @ 08:52
“Aktionsplan der EU zu KI” – hatte die EU nicht schon 2001 angekündigt, bis zum Jahr 2010 zur wettbewerbsfähigsten Region der Welt zu werden? Und? Hat wohl nicht geklappt – jetzt versucht man es mit künstlicher Intelligenz, der eigenen traut man wohl nicht so ganz.
Thomas Damrau
10. April 2025 @ 08:36
Der Anfang dieses Beitrags liest sich wie der Plot eines gesellschaftskritischen Films aus den 1970ern: Die Familie EU hat ihre Konflikte und ihre schmutzige Wäsche sorgsam versteckt. Dann stirbt der etwas senile Onkel US-Demokraten und sein Erbe mischt den Clan ordentlich auf – und schwups purzeln die Konflikte und die schmutzige Wäsche aus den Schränken …
Mal sehen, ob diese Story irgendwann einmal verfilmt werden und ob es dafür einen Oscar geben wird.
Guido B.
10. April 2025 @ 07:51
Die Brüsseler Hirngespinst-Gigafabrik hat wieder einen Aktionsplan fabriziert. Und ein baltischer Zwergstaat will mal wieder die Welt vor Russland retten. Dafür fließen weitere Milliarden in ein Nicht-EU-Land, das erfolglos gegen eine Atommacht kämpft. Die EU steht der Muppet Show made in USA in nichts nach.