Der E-Euro kommt, die Rezession bleibt – und das Bankensystem ist nicht sicher


Die Watchlist EUropa vom 15. Januar 2021 –

Der Euro wird digital, neben Münzen und Scheinen wird es künftig auch eine virtuelle Version geben. Dies kündigte die Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, an.

Wie der „E-Euro“ funktioniert und wer ihn bekommt, sagte sie nicht. Bis zur Klärung aller offenen Fragen und zur Einführung könne es noch fünf Jahre dauern, so Lagarde.

Dabei arbeitet die EZB bereits seit Monaten am „E-Euro“. Aufgeschreckt von Meldungen über die neue virtuelle Facebook-Währung Diem (zunächst Libra), die dem Euro Konkurrenz machen könnte, hat die Zentralbank eine Expertengruppe eingesetzt und Bürger und Unternehmen konsultiert.

Die Befragung wurde nun mit Rekordbeteiligung beendet – 8221 Antworten seien eingegangen, so die EZB.

„Die hohe Anzahl von Antworten auf unsere Umfrage zeigt das große Interesse an der Gestaltung der Vision eines digitalen Euro“, hob EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta in Frankfurt hervor.

Ein “Nein” stand nicht zur Debatte

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Die Ergebnisse sollen aber erst im Frühjahr vorgestellt werden. Ein „Nein“ zum „E-Euro“ stand bei der Online-Befragung, die offenbar vor allem für Akzeptanz sorgen sollte, nicht zur Wahl.

Vielmehr ging es um Details wie Datenschutz, Sicherheit und europaweite Verfügbarkeit. Wenig überraschend interessierten sich die meisten Befragten für Datenschutz und Anonymität – dies immerhin ließ die EZB bereits durchblicken.

Wie das in der Praxis gewährleistet werden soll, blieb jedoch offen. Unklar ist auch, wie der „E-Euro“ ausgestaltet werden soll – und wer ihn bekommt.

Eine viel diskutierte Möglichkeit ist, das digitale Geld allen Bürgern zugänglich zu machen – aber nur bis zu einem Höchstwert, etwa 100.000 Euro. Dieser Betrag könnte als bombensicheres Depot dienen, da es von der Zentral-bank garantiert wird.

Aber schon bei der Frage, ob das digitale Konto bei der EZB angesiedelt wäre, oder bei normalen Banken oder Sparkassen, scheiden sich die Geister.

Die Geschäftsbanken würden gerne mitmischen – fürchten sie doch, ansonsten massiv an Geschäft einzubüssen. Doch wie lassen sich „normale“ und digitale Konten voneinander abgrenzen? Was passiert bei einer Krise?

Einige Experten fürchten, dass dann ein „Run“ auf das sichere digitale Geld einsetzen könnte. Statt den Euro zu stärken, könne der „E-Euro“ für neue Turbulenzen sorgen.

Streit hinter den Kulissen

Fest steht, dass Geschäftsbanken, Fintechs und die europäischen Zentralbanken – darunter auch die Deutsche Bundesbank – hinter den Kulissen heftig um die Details der Digitalwährung ringen.

Der Bundestag und das Europaparlament sitzen derweil auf der Zuschauerbank. Dabei fürchten viele Abgeordnete, die neue digitale Währung könne über kurz oder lang dem Bargeld den Garaus machen.

Doch die EZB beschwichtigt: Der digitale Euro solle Bargeld nicht ersetzen, sondern nur ergänzen, beteuert Lagarde. Allerdings werden Münzen und Scheine schon jetzt von elektronischen Zahlungsmitteln verdrängt.

Bares wird Rares – und das lange vor der Einführung des „E-Euro“…

Siehe auch Vom Bargeld zum digitalen Euro

Watchlist

Was bringt die portugiesische Ratspräsidentschaft? Darüber will die EU-Kommission am Freitag bei einem Besuch in Lissabon mit der Regierung sprechen. Ein Schwerpunkt wird natürlich die Coronakrise sein, die die EU bald ein Jahr nach dem Ausbruch der Pandemie nicht in den Griff bekommt. Die portugiesische Regierung will aber auch das “soziale Europa” voranbringen. Unter deutschem Vorsitz hatte es kaum Fortschritte gegeben, der versprochene Mindestlohn in allen EU-Ländern lässt auf sich warten…

Was fehlt

Die Rezession in Deutschland. Im vergangenen Jahr ist das BIP um fünf Prozent geschrumpft, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Die Exporte brachen massiv ein, die Firmen kappten ihre Investitionen kräftig und die Verbraucher senkten ihre Ausgaben so stark wie noch nie. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sagte, die Wirtschaft werde sich im neuen Jahr wohl nicht so stark erholen wie bisher erhofft. Die Rezession bleibt uns also noch eine Weile erhalten…- Siehe auch “Rücksturz in die Rezession”

Das Letzte

Auch zehn Jahre nach der Finanz- und Eurokrise ist das europäische Bankensystem nicht sicher. Dies hat der EU-Rechnungshof moniert. Trotz aller Vorkehrungen für die Abwicklung maroder Banken bestehe weiter das Risiko, dass Steuerzahler im Notfall hohe Kosten tragen müssen. Der Einheitlichen Abwicklungsmechanismus SRM sei unvollständig, das nationale Insolvenzrecht stehe einer einheitlichen Anwendung entgegen. Bleibt zu hoffen, dass die Coronakrise nicht zum Problem für die Banken wird…

Lost & Found

  • Ab Freitag entscheiden 1.001 Delegierte über die neue Führung der CDU. Die Wahl ist nicht nur für Deutschland wichtig, sondern für ganz Europa. Schließlich gibt die CDU (und ihre Kanzlerin) in der EU den Ton an. Zuletzt waren die deutschen Christdemokraten auf keinem guten Kurs. – Meine Analyse steht hier
  • Die Nerven liegen blank in Brüssel. Bei Unruhen in der belgischen Hauptstadt wurde eine Polizeistation in Brand gesetzt; Steinwürfe hätten fast auch König Philippe erwischt. Anlaß der Randale war der Tod eines schwarzen Jugendlichen in Polizeigewahrsam. – Mehr hier
  • Mit dem Aufruf „#ZeroCovid“ ist in den sozialen Netzwerken eine Initiative angelaufen, die einen umfassenden Lockdown fordert. Europaweit solle die Wirtschaft heruntergefahren werden. Die Kosten sollen mit Abgaben auf hohe Einkommen und Vermögen gestemmt werden. – Der Bericht der “Welt” steht hier