Der deutsch-französische „Motor“ zieht nicht mehr
Mit vielen schönen Worten haben Präsident Macron und Kanzler Scholz in Paris die deutsch-französische Freundschaft gefeiert. Zum 60. Jahrestag des Elysée-Vertrags stellten sie gemeinsame Projekte vor. Doch die EU werden sie damit nicht voranbringen – der gemeinsame „Motor“ zieht nicht mehr.
Die deutsch-französischen Beziehungen lassen seit langem zu wünschen übrig. Eurokrise und Brexit haben die Grenzen der Solidarität gezeigt – Frankreich forderte Reformen, Deutschland wollte den vorteilhaften „Status Quo“ wahren.
Seit dem Beginn des Ukrainekriegs sind beide Länder einem regelrechten Stresstest ausgesetzt. Berlin und Paris wurden von den Ereignissen überholt. Die deutsche „Zeitenwende“ macht es noch schwieriger, an einem Strang zu ziehen.
Während Frankreich vergleichsweise gut für die neuen geopolitischen Herausforderungen gerüstet ist, muss sich Deutschland völlig neu aufstellen. Dies führt zu Friktionen in der bilateralen Zusammenarbeit, aber auch in der EU.
Besserung ist nicht in Sicht, wie der monatelange Streit um die Energiepolitik und das Hickhack um die Verteidigung zeigen. Der „deutsch-französische Motor“ gilt in Brüssel als Auslaufmodell. Daran dürfte auch die Jubiläumsfeier nicht ändern.
Denn kritische Themen, wie die Reform des Energiemarkts oder die Entsendung von Kampfpanzern an die Ukraine, wurden ausgeklammert. Über Panzer spricht Berlin lieber mit Washington, Energie beschafft man sich am liebsten allein – am unregulierten Markt.
Erschwerend kommt hinzu, dass sich der Schwerpunkt der Europapolitik seit Kriegsbeginn nach Osten verlagert hat. Heute will Warschau den Ton angeben – Hand in Hand mit Kiew, im Zweifel auch gegen Berlin und Paris.
Deutsch-französische Treueschwüre klingen da irgendwie – antiquiert…
Zu diesem Thema habe ich auch eine Studie veröffentlicht, sie steht hier (Stiftung Genshagen). Mehr zu deutsch-französischem hier
P.S. Kurz vor den Feiern hat Frankreich einen Kooperationsvertrag mit Spanien abgeschlossen. Da sieht Paris wohl eher die Zukunft. Derweil erhebt die SPD in Berlin einen (außenpolitischen) Führungsanspruch in EUropa. Das passt alles nicht (mehr) zusammen, leider…
european
23. Januar 2023 @ 18:49
Dabei wird er mehr denn je gebraucht. Nur ein Zusammenschluss von Frankreich und Deutschland mit einer Verhandlungslösung, die den Namen verdient und sowohl den Krieg beendet als auch Russland’s Interessenlage berücksichtigt. Die Ukraine zahlt so oder so drauf. Da ist nur noch die Höhe relevant.
Ich weiß nicht, was die SPD geraucht oder gesoffen hat, als sie das Grundsatzpapier mit dem Führungsanspruch verzapft hat. Es entbehrt jeder Grundlage und wird auch mit Sicherheit nicht von den europäischen Ländern akzeptiert werden. Kontoauszug hin oder her. Wie benehmen die sich denn? Auch die anderen Parteien. Völlig besoffen vom Kriegsgetöse wird nun auch noch der Rest des Porzellans zerschlagen.
Ich schäme mich für mein Land.
MarMo
23. Januar 2023 @ 17:56
Ja, das ist wirklich traurig. Hier haben die Deutschen aus Eigennutz und Hochmut mal wieder den Zug verpasst. Statt sich eng mit Frankreich abzustimmen und wirklich eine gemeinsame europäische Souveränität zu entwickeln, hoppeln die Deutschen den Amis nach und in ihr Verderben. Macrons Reformvorschläge sind an Merkels teflonbeschichteten Mantel der deutschen Sonderinteressen abgeprallt. Sie hat die Notwendigkeit, ein gemeinsames, kooperatives Verhältnis weiterzuentwickeln nicht gesehen oder ignoriert. Jetzt stehen wir vor einem Scherbenhaufen und einer Menge von Deutschland aus unterschiedlichen Gründen nicht wohlgesonnenen EU-Staaten. Die hochfahrenden Ansprüche der Polen sind indes auch ziemlich übel.