Das SPD-Debakel und die Demokratie-Krise
Die SPD steht am Abgrund, die GroKo in Berlin wankt. Doch andere EU-Länder sind schon viel weiter. In Paris und London ist die Demokratie-Krise längst chronisch geworden – Besserung ist nicht in Sicht.
Wie krank ist die Demokratie in Europa? Nach der Europawahl gaben die EU-Politiker Entwarnung: Die Wahl sei ein „Sieg der Demokratie“, jubelten sie – wegen der hohen Wahlbeteiligung. Dabei weitet sich die Demokratie-Krise immer mehr aus. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich, Italien, Belgien und Griechenland stehen die Regierungen auf der Kippe.
Besonders ernst ist die Lage in Frankreich. Dort sind nicht nur die Sozialdemokraten praktisch von der Bildfläche verschwunden. Auch die konservativen Republikaner sehen nun in den Abgrund.
Seit der Europawahl kennt Präsident Emmanuel Macron nur noch eine ernsthafte Gegnerin: Nationalisten-Führerin Marine Le Pen. Die „Mitte“ ist futsch, nur die Grünen sind ein Hoffnungsschimmer.
Dass auch die Gelbwesten bei der Europawahl brutal abgeschmiert sind, ist kein Trost – im Gegenteil: Es zeigt, dass sich die radikale Protestbewegung nirgendwo mehr repräsentiert sieht.
Ernst ist die Lage auch in London. Bei der Europawahl ist die Brexit-Party zur Nummer eins aufgestiegen, die regierenden Tories haben keinen Halt mehr, der Rechtsruck dürfte Boris Johnson an die Macht spülen.
Bisher hat man sich in Brüssel damit beruhigt, dass die Briten selbst schuld seien – sie hätten ja nicht für den Brexit stimmen müssen. Und die Franzosen galten immer schon als notorische Unruhestifter.
Doch nun, da die Demokratie-Krise auch Berlin erfasst, ziehen diese simplen Erklärungen nicht mehr. Vielmehr stellt sich die Frage, ob die (nationale) Demokratie noch mit der EU kompatibel ist.
Eine politischere Union?
Wenn Nein – wie steht es dann um die europäische Demokratie? Bekommen wir nun eine „politischere Union“, die sich um die Anliegen der Bürger kümmert, wie Optimisten glauben?
Noch ist es zu früh, das zu beurteilen. Seit der Europawahl haben wir aus dem EU-Parlament nicht mehr viel gehört. Denn auch hier lösen sich die alten Mehrheiten auf, auch hier leiden die etablierten Parteien.
Und dass nun ausgerechnet Ratspräsident Donald Tusk einen neuen Parlamentspräsidenten finden soll (neben dem Kommissionschef), verspricht auch nicht gerade mehr Demokratie…
Siehe auch „Politbeben in Berlin“ und „Warum die Sozis abschmieren“
Claus
4. Juni 2019 @ 20:53
Überall „Demokratie-Krisen“?
Na, dann schauen wir uns die Sache doch mal an und beginnen in Frankreich: Hätten die Franzosen ein „Weite so wie gehabt “ in Sachen EU inklusiv deutscher Bevormundung gewollt, hätte Macron vermutlich die Wahl gewonnen und nicht Marine Le Pen.
London: Gründe für den Brexit und das folgende Desaster? Die Briten (nicht die Boni-gestopften Londoner City Boys!) hatten schlichtweg genug vom EU-impliziten Asyl- und Sozialmissbrauch, lohndrückender osteuropäischer Schattenwirtschaft und irrlichternder EuGH- und EGMR-Rechtsprechung, wobei Merkel mit ihrer illegalen Grenzöffnung die letzten 5% in die pro-Brexit-Abstimmung wirft. Nimmt Brüssel den Brexit-Handschuh auf und reformiert die EU? Fehlanzeige! Statt auf die Briten zuzugehen, statuiert Brüssel ein Exempel, was mit „EU-Abtrünnigen“ passiert Wundert da der Erfolg der Brexit-Partei? Überhaupt nicht!
Berlin: Schon die garnicht so große Große Koalition nach der für CDU und SPD erbärmlich vergeigten Bundestagswahl 2017 war eine Steißgeburt und Resultat der veränderten Parteienstatik durch links- / grün-Verdrehung der CDU und dadurch aufgefüllten rechten Raum. Zur EU-Wahl dann Überrumpelung der CDU durch den kampagnenmäßig beispielhaft inszenierten Klimarettungs-Hype, bei dem die CDU auch ganz gern, obwohl noch etwas verschämt, mitmacht, locken doch mehr als 100 Mrd. p.a. Luftsteuer (korrigiere: CO2-Abgabe) zum Aufpäppeln der Haushalte. Aber leider wählten die Leute jetzt das Original des Hypes, die Grünen.
Was noch: Belgien und das Ungemach mit Flaams Belang? Ebenfalls Resultat einer nicht mehr mehrheitsfähigen EU-„kompatiblen“ Politik. Und weiter ginge es mit Italien, Polen, Ungarn, Tschechische Republik etc, etc.
„Demokratie-Krise? Wie sagte man in der Unternehmensführung? Hast Du die Lösung oder bist Du das Problem? (Ähnlichkeiten mit Brüssel wären rein zufällig!)
Kleopatra
4. Juni 2019 @ 08:44
Nach der letzten Europawahl hat Merkel auf Drängen von Gabriel den Parlamentspräsidenten bestimmt. Da ist der ständige Ratspräsdent schon besser. Aber generell ist es in parlamentarischen Demokratien grotesk, dass der Parlamentspräsident inoffiziell eine Art Regierungsamt ist und im Rahmen desselben Verfahrens bestimmt wird.
Peter Nemschak
3. Juni 2019 @ 19:49
Nur weil althergebrachte Parteien an Zulauf verschwinden, kann man nicht von einer Demokratiekrise sprechen. Die Gesellschaft ist individualistischer und ideologisch heterogener als früher. Da werden sich andere Koalitionen bilden, Jamaica wird wieder aktuell werden.