Davos: Gewerkschaften warnen vor “obszöner Kluft” – und vor Trump
Die Kluft zwischen Löhnen und Manager-Gehältern wird immer größer, kritisiert der Europäische Gewerkschaftsbund (ETUC). Vor dem Weltwirtschaftsforum, das am Montag in Davos beginnt, warnt ETUC-Chefin Esther Lynch zudem vor Trump und Musk.
Die Chefs in Europas Topkonzernen verdienen nach Berechnungen des Gewerkschaftsbunds 110mal so viel wie ein einfacher Arbeiter oder Arbeitnehmer.
Das Jahreseinkommen der CEOs in den hundert größten europäischen Unternehmen lag demnach im Durchschnitt bei 4.147.440 Euro. Demgegenüber habe es für einen normalen Vollzeitjob nur 37.863 Euro gegeben.
„Die obszöne Kluft zwischen Arbeitern und Konzernchefs zeigt, dass wir die Wirtschaft dringend neu ausrichten müssen“, so Lynch. Eine zentrale Rolle spielten dabei die (von Gewerkschaften ausgehandelten) Tarifverträge.
Die EU müsse mehr tun, um die Tarifbindung in europäischen Unternehmen zu steigern. Als Ziel nennt der ETUC eine Abdeckung von 80 Prozent. Die EU-Kommission war zuletzt vom “sozialen Europa” abgerückt.
Eine klare Warnung richten die Gewerkschaften an die in Davos versammelten Manager und Politiker, zu denen auch EU-Kommissionschefin von der Leyen zählt.
Sie sollten nicht Donald Trump und dem mit ihm verbündeten X-Chef Musk folgen und die Wirtschaft deregulieren, sondern sich auf Europas Stärken besinnen – wozu auch gut ausgebildete Arbeitnehmer gehörten.
„Musk und die Tech-Brothers haben nicht die richtige Einstellung“, meint Lynch. Der Milliardär Musk stehe für einen zügellosen Kapitalismus. Von der Leyen solle nicht auf ihn hören.
Es wäre „eine Katastrophe“, wenn Europa versuchen sollte, auf der Grundlage niedriger Löhne, schlechter Arbeitsbedingungen oder langer Arbeitszeiten wettbewerbsfähig zu werden.
Dies ist die gekürzte Fassung eines Artikel für die taz, das Original steht hier
Arthur Dent
20. Januar 2025 @ 23:20
Ich nehme den Reichen mal die Hälfte ihres Vermögens (durch Steuern) weg, dann wird es den Ärmsten auf der Welt gleich viel besser gehen? Kann man den Reichtum eines südkoreanischen Unternehmers mit der allgemeinen Armut der nordkoreanischen Bevölkerung in eine direkte Beziehung setzen?Oder muss man für mehr Marktwirtschaft plädieren, um etwas gegen die Armut zu tun? Weil eigentlich die Kapitalakkumulation und der Handel uns zu größerem allgemeinen Wohlstand geführt haben?
european
21. Januar 2025 @ 10:16
Das Kapital, das scheue Reh, ist global unterwegs. Es werden Milliarden durch Carry-Trade verdient. Reichtum entsteht manchmal durch ein gutes Produkt, meistens jedoch durch Spekulation und schlichte Ausbeutung.
Bill Gates verspricht sich durch Impfungen einen 20:1 return. Wer diesen Return bezahlt, kann man an den Erhoehungen der KK-Beitraege sehen und an der Pleite der Pflegeversicherung. Kapital, bzw. verfuegbares Einkommen wird von unten nach oben abgesaugt.
Flassbeck hat einen sehr guten Merksatz gepraegt: Die Welt ist eine geschlossene Volkswirtschaft. Alles passiert hier. Geld wird vernichtet, z.B. durch Schuldentilgung, meistens jedoch ist es woanders.
Die Autofirmen haben von den Niedrigloehnen und den Leiharbeitern profitiert und den global agierenden Aktionaeren Milliarden an Dividenden gezahlt. Die Hauptaktionaere von Mercedes sitzen zb in Singapur, VAE und in China. Davon hat der unterbezahlte Leiharbeiter nichts.
Weltweit agierende Grosskonzerne sitzen auf Milliarden Cash und investieren nicht. Statt dessen kaufen sie ihre eigenen Aktien im grossen Stil auf und manipulieren damit die Aktienkurse. Soviel zum Thema “Investitionskapital fuer Unternehmen”
Monika
20. Januar 2025 @ 18:26
…Die EU-Kommission war zuletzt vom “sozialen Europa” abgerückt…
Wann bitte war „zuletzt“?
Seit den fortgesetzten Osterweiterungen in den 90ern von keineswegs EU-reifen Staaten, leicht versetzt dazu die von den USA forcierten NATO-Erweiterungen, „Hand in Hand“ organisiert, hat sich Europa in bräsiger Selbstgefälligkeit von der „Überlegenheit der neuen hegemonialen Wertegemeinschaft“ rund um die USA „überzeugen“ lassen. Alles zum Frommen des „großen Wurfs“, am „Ende der Geschichte“. Natürlich geht die Geschichte weiter, bloß nicht so wie die hypnotisierte europäische „Elite“ in ihrem romantischen Wahn angenommen hat. Der sich fürsorglich und ritterlich gebende Heiratskandidat USA hat sich nach Eheschließung -wie in einem schlechten Film- als fieser Kerl entpuppt, der von seiner Angetrauten Europa die devote Hausfrau fordert. Sein Motto: und bist du nicht willig, dann halt mit Gewalt… Die sozialen Flausen könne sie sich nun getrost abschminken, für solch kommunistische Umtriebe ist kein Platz! … Nicht solange du deine Füße unter meinen Nato-Tisch stellen willst!
Tipp vom Therapeuten: schnellstmöglich die Scheidung…
KK
20. Januar 2025 @ 14:08
“Die EU müsse mehr tun, um die Tarifbindung in europäischen Unternehmen zu steigern.”
Solange die Vertreter der Gewerkschaften in den Tarifverhandlungen, die ja zumindest in Deutschland nicht selten genug mit in den Vorständen der Unternehmen sitzen, sich immer wieder auf faule Kompromisse einlassen wie in den letzten Jahrzehnten, nutzt diese Tarifbindung nicht viel.
Warum haben die Gewerkschaften denn seit Jahrzehnten einen drastischen allgemeinen Mitgliederschwund, und warum haben zB ausgerechnet die Lokführer einen hohen Organisationsgrad in der GDL?
Skyjumper
20. Januar 2025 @ 13:49
Wo genau hat denn die Gewerkschafterin Lynch konkrete Verbesserungen für Angestellte und/oder Arbeiter gefordert?
Tatsächlich hat sie nur mehr staatliche Regulation zugunsten eines Machtzuwachses für die Gewerkschaften gefordert (80 % Abdeckung mit gewerkschaftlichen Tarifverträgen). Also mehr Platz am Fresstrog für sich selbst.
Positive Impulse für die Beschäftigten sind damit nicht zwingend verbunden. Bei einen Blick in den deutschen Rückspiegel sehe ich hier eher das Gegenteil. Gewerkschaftler und Vorstände kungeln zu Lasten der Beschäftigten.
Arthur Dent
20. Januar 2025 @ 11:07
Vielleicht fangen die Gewerkschaftsvorsitzenden und die Betriebsratsvorsitzenden der Großkonzerne erst einmal bei sich selbst an Kritik zu üben. Sie fungieren nämlich häufig als Co-Manager, sechsstellige Jahresgehälter sind da durchaus üblich, hinzu kommen noch Vergütungen durch Aufsichtsratsposten. Im Gegenzug gibt es „moderate Lohnabschlüsse“ und bei Rentenreformen einen müden, pflichtschuldigen Protest.
european
20. Januar 2025 @ 10:46
Ich hab wenig Hoffnung auf den Erfolg dieses Appells. Dieser Trend haelt nun schon eine sehr lange Zeit an und bisher hat es niemanden interessiert. Gerade aus Deutschland wird nichts kommen. Dort kursieren schon diverse Kuerzungsphantasien in der CDU, die sich schon auf dem Siegertreppchen und Merz im Kanzlerstuhl sieht. Von dort aus wird er predigen, dass wir alle mehr arbeiten muessen und dass der Staat kein Selbstbedienungsladen ist. Kommt gut von demjenigen, der fuer die Abwicklung der maroden WestLB und den Verkauf an HSBC von eben diesem Staat ein Tageshonorar von 5000 Euronen, einschliesslich Wochenenden, also insgesamt 1.9 Mio bezogen hat. Er fordert Respekt vor den Besserverdienenden.
Es passt alles zur Schwab-Ideologie, die uns ja verspricht, dass wir nichts mehr besitzen aber gluecklich sein werden. Aktuell sind zwar alle Regierungen mit Schwab-Juengern abgestuerzt, aber der Gedanke, noch mehr aus den Gesellschaften herauszusaugen, weil man die Macht dazu hat, ist doch zu verlockend.
Derweil gehen in Frankreich die Buerger auf die Strasse und fordern den Frexit.
ebo
20. Januar 2025 @ 11:21
Ja, viel Hoffnung gibt es nicht. Das kam eben rein: https://www.spiegel.de/wirtschaft/oxfam-bericht-vor-davos-2025-vermoegen-der-superreichen-waechst-immer-schneller-a-55587921-cf0a-4040-90ed-03efcb3a54a2
european
20. Januar 2025 @ 11:42
Die Superreichen haben an der Armutsbekaempfung kein Interesse. Man denke nur an den Club of Rome, diesen elitaeren Verein, der die “Ueberbevoelkerung” in den 70ern als groesstes Problem angesehen hat. Wenn sich die Menschheit durch fortschreitende Armut quasi von selbst reduziert, dann ist doch fuer die Welt ein gutes Werk getan. *Ironiemodus aus.
Ein gutes Beispiel war Rutger Bregman, der auf einem Davos-Event die Besteuerung der Reichen gefordert hat. Mehr Steuergerechtigkeit anstelle von Philantropy. Letzteres sieht gut aus und wird auch gern von Leuten bevorzugt, die an einer positiven Legacy fuer sich arbeiten, nachdem sie Dinge getan haben, die sie eher als Schwein in die Geschichte eingehen lassen wuerden. Ersteres bringt mehr Geld in die Kasse und mehr Gerechtigkeit
https://youtu.be/P8ijiLqfXP0?si=eAEWP904ml5HG5E3
Nach seiner Rueckkehr in die Niederlande erhielt er Morddrohungen fuer seine Forderungen.
Was m.E. auch zu wenig in der Oeffentlichkeit ankommt, ist der ueberproportionale Zuwachs an Macht, der mit dem Reichtum einhergeht. Wir hier unten machen uns Sorgen wegen der Demokratie und oben ist sie bereits ausgehebelt.
Titi
20. Januar 2025 @ 09:23
Eine soziale bzw. sozialdemokratische (gewerkschaftsorientierte) Politik werden wir von der CDU-Politikerin Von der Leyen wohl eher nicht bekommen.