So könnte die EU Trump Paroli bieten (und den Iran-Deal retten)
In der neuen Iran-Krise hat sich die EU wieder einmal als Papiertiger erwiesen. Man könne halt nichts tun, als den USA zu folgen, heißt es in Brüssel – doch das stimmt nicht. Die Europäer haben durchaus noch einige Optionen.
US-Präsident Trump bedroht mit seinem Vorgehen zwar direkt die strategischen Interessen der EU. Doch die Europäer sind nicht machtlos. Sie könnten darauf reagieren, indem sie den Schulterschluss mit Russland und China suchen, wie dies Ex-Außenminister Sigmar Gabriel vorgeschlagen hat.
Sie könnten auch versuchen, dem Iran entgegenzukommen – und endlich die vor zwei Jahren versprochene Handelsbank für Öl- und Gasgeschäfte in Betrieb nehmen. Dies wäre ein klares Signal, dass die EU den Atomdeal retten will – und sich von Trump nicht länger einschüchtern lässt.
Zudem könnten sie Trump drängen, seine Iran-Sanktionen aufzuheben. Genau das fordert Teheran seit Wochen. Nur wenn diese Forderung erfüllt werde, werde man die schrittweise Abkehr vom Atomdeal rückgängig machen, heißt es bei Europas Vertragspartnern.
Auch im Irak ist die EU nicht zu Untätigkeit verdammt. Wenn es ihr ernst ist mit der Souveränität des Landes, dann kann sie sich vom US-Vorgehen distanzieren und versuchen, den Anti-Terror-Kampf ohne die USA zu organisieren. Auf europäische Art – ohne Drohnenmorde etc.
Ein wichtiges Signal wäre es auch, den US-Truppen die Überflug- und Nutzungsrechte in Europa zu verweigern, wenn es um Kriegsvorbereitungen geht. Frankreich hat dies beim ersten Golfkrieg schon einmal vorgemacht. Was war nochmal die Rechtsgrundlage für die US-Base in Ramstein?
Und wenn die USA die EU oder einzelne Staaten bzw. Unternehmen mit Sanktionen überziehen, sollte es Gegensanktionen geben. Dies wäre auch im Fall von Nord Stream 2 denkbar. Wieso setzt die EU den mit Washington vereinbarten Ausbau der Flüssiggas-Infrastruktur nicht aus?
Damit würden wir uns ins eigene Fleisch schneiden, heißt die (allzu) naheliegende Antwort. Doch umgekehrt wird ein Schuh draus: Wenn wir uns nicht wehren, wird Trump seine imperialen Interessen immer rücksichtsloser vertreten und die EU immer tiefer spalten…
Siehe auch “Reden wir von Imperialismus”
P.S. Damit die hier vorgeschlagenen Maßnahmen ergriffen werden, muss man freilich auch den politischen Willen haben, sich von den USA zu emanzipieren. Und der ist – abgesehen vielleicht von Frankreich – bisher nicht zu erkennen…
Pompeo would be well advised to stop dumping on Europe in this crisis if US military overflights on the way to MENA are to continue unfettered. Reminder for skeptics: there have been precedents ( US airlift during 1973 Yom Kippur war, 1986 Libya bombings…) https://t.co/NlshNQuPVu
— François Heisbourg (@FHeisbourg) January 6, 2020
Peter Nemschak
7. Januar 2020 @ 21:41
Wenn sich die EU auf die Seite des Iran schlägt, scheidet sie als Vermittler aus. Wo wäre der Vorteil für die EU den Iran zu unterstützen ? Was hat die EU dabei zu gewinnen ? Es braucht ohnedies ein neues erweitertes Abkommen mit dem Iran, das über das bestehende Atomabkommen hinausreicht. Deshalb zahlt es sich nicht aus für das alte in den Krieg gegen die USA zu ziehen. Sollen die USA ihren Streit mit dem Iran alleine ausmachen. Durchaus möglich, dass es zu einer Zerstörung der iranischen Atomanlagen durch die USA und Israel kommen wird. Abwarten, was die Präsidentenwahl in den USA bringen wird und zusehen, ob der wieder angefachte Konflikt mit dem Iran dem exzentrischen Trump oder den Demokraten hilft. Das nach wie vor bestehende, wenn auch derzeit belastete Bündnis mit den USA ist allemal mehr wert als es zusätzlich nur wegen einer aggressiven Mittelmacht im Mittleren Osten zu belasten. Wirklichen Einfluss in dieser Region hat die EU ohnedies nicht.
kwasir
7. Januar 2020 @ 20:03
Da die Bundesregierung am 7/5/2019 Revision beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt hat, hat das Urteil des OVG Münster bislang keine Rechtskraft. Selbst dann wäre es nicht besonders schwierig, dem sehr vorsichtig formulierten Urteil Genüge zu tun : “geeignete Massnahmen” um sich zu vergewissern, dass das Völkerrecht eingehalten wird, falls nicht, “darauf hinzuwirken” , dass es eingehalten ist.
Interessant wird es erst, wenn später mal gegen die Regierung wegen Nichteinhaltung des (noch zu bestätigenden) Urteil Klage erhoben wird.
Durch das NTS-ZA besteht – zumindest in der Theorie – die Verpflichtung, die Regeln des Friedenssicherungsrechts (sog. ius ad bellum, insb. das Gewaltverbot) als auch das humanitäre Völkerrecht (Genfer Konventionen und Zusatzabkommen) einzuhalten
“Die völkerrechtswidrige „Exekution“ eines Terrorverdächtigen durch Kampfdrohnen außerhalb eines bewaffneten Konflikts kann daher, wenn die Bundesregierung davon weiß und nicht dagegen protestiert, eine Beteiligung an einem völkerrechtlichen Delikt darstellen.“ – BT – Wiss.Dienst
Adi Golbach
7. Januar 2020 @ 09:56
Danke Pjotr56 für diesen wichtigen Hinweis.
Allerdings: was kümmert ein solches Gerichtsurteil die transatlantisch eingebundene Bundesregierung. Hat ja keine weitere Konsequenzen. Ist faktisch ja nur eine Meinungsäußerung einiger Richter. Wer jetzt aufgrund dieses Urteils fordert, die US-Amerikaner aus Ramstein rauszukomplementieren, kann ja klagen, wenn die Bundesregierung weiterhin nichts macht. Und was bringt eine solche Klage? Siehe oben (Was kümmert es den Mond, wenn ihn ein Hund anbellt?).
Was wir brauchen, ist eine echte Demokratie von unten, ein Rätesystem mit aktivierten, hellwachen, von vielen, kritisch eingestellten Medien gut informierten Bürgern, nicht so eine eingelullte Scheindemokratie, die von oben gesteuert ist.
Pjotr56
6. Januar 2020 @ 18:51
Interessant dazu, Heribert Prantl am 22. März 2019:
„Ramstein tötet
Die US-Air-Base ist 1400 Hektar groß – aus Sicht deutscher Richter ein riesiger Teppich, unter den der Rechtsstaat dringend schauen muss. …
Diese Teppich-Geschichte ist mir eingefallen, als in dieser Woche, fast 70 Jahre später, das Oberverwaltungsgericht Münster ein wegweisendes Urteil fällte: Deutschland müsse, so sagten die Richter, darauf hinwirken, dass die USA bei der Nutzung ihrer Militärbasis Ramstein bei Kaiserslautern das Völkerrecht einhalten. Dass das nicht der Fall ist, weiß jeder, der es wissen will. Ramstein ist die Flugleitzentrale für US-Drohneneinsätze in Afrika; in Ramstein werden die tödlichen Drohnenflüge gegen echte und angebliche Terroristen im Irak, in Afghanistan, Somalia, Jemen, Pakistan koordiniert; über Ramstein laufen die Datenverbindungen zwischen den US-Drohnen und den Befehlsgebern in den USA, Ramstein ist die Daten-Drehscheibe der militärischen Drohnenwelt.
Ramstein hat mitgeholfen, als die 68-jährige Mamana Bibi auf ihrem Feld in Pakistan nahe der afghanischen Grenze in Stücke gerissen wurde; sie hatte gerade Gemüse geerntet. Ramstein hat mitgeholfen, als in Jemen eine Hochzeitsgesellschaft mit einem Al-Qaida-Konvoi verwechselt und in die Luft gesprengt wurde; die Leute hatten gerade zu feiern begonnen. Ramstein hat mitgeholfen, als in einer Sommernacht im August 2012 ein Drohnenangriff die Körperteile von Salim und Walid Jaber über das gesamte Moscheegelände von Khaschamir in der jemenitischen Provinz Hadramaut verteilte; einer von ihnen war ein Geistlicher, der gegen den Al-Qaida-Terror gepredigt hatte. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster besagt, dass „nach Auswertung aller verfügbaren öffentlichen Erklärungen der US-Administration“ Zweifel bestünden, ob „die generelle Einsatzpraxis für Angriffe“ dem Unterscheidungsgebot des humanitären Völkerrechts zwischen Kämpfern und Zivilisten genüge. …“
Quelle:
https://www.sueddeutsche.de/politik/leitkolumne-ramstein-toetet-1.4378778
Pjotr56
6. Januar 2020 @ 17:21
ebo, du fragst:
“Was war nochmal die Rechtsgrundlage für die US-Base in Ramstein?”
Im WDR5 Tagesgesapräch heute sagte Michael Lüders, dass dort das Nato-Statut (als Ersatz für das vorherige Besatzungsstatut) gilt, und niemand anders als die USA entscheiden, was dort geschieht oder nicht geschieht.
Wusste ich nicht, ist aber so:
https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/tagesgespraech/tg-sechster-januar-104.html
ebo
6. Januar 2020 @ 17:40
Tja, so etwas Ähnliches hatte ich mir gedacht. Deutsches Recht kommt offenbar nicht zur Anwendung, EU-Recht auch nicht. Ein Grund mehr, dass sich Berlin und Brüssel mal um Ramstein kümmern!