Das Klima ist vergiftet (II) – Die Paranoia der Geheimdienste
Wohin steuert die EU nach der Europawahl? Der anhaltende Streit der Chefs um den Brexit lässt nichts Gutes ahnen. Macron, Merkel, Tusk und Juncker schenken sich nichts. Pünktlich zu Halloween droht der nächste Showdown.
Eigentlich wollte sich die EU vor der Europawahl geschlossen und konstruktiv präsentieren. Doch nach dem Krach im Europaparlament um die Urheberrechts-Reform hängt nun auch in Rat und Kommission der Haussegen schief. Die Chefs werfen sich gegenseitig Egoismus, Fixierung auf die Innenpolitik und fehlenden Weitblick vor. Das Klima ist vergiftet, und das gleich in mehrfacher Hinsicht.
Zum einen wird immer deutlicher, dass sich das deutsch-französische “Paar” auseinandergelebt hat; W. Münchau spricht in der “FT” gar vom Ende der Beziehung.
So weit würde ich zwar nicht gehen. Richtig ist jedoch, dass der Krisengipfel in der vergangenen Woche neue Wunden geschlagen hat. Ausgerechnet die Scheidung von Großbritannien hat Berlin und Paris entfremdet.
Das war jedoch nicht nur die Schuld von Staatschef Emmanuel Macron, wie nun kolportiert wird. Nein, auch die Überhöhung des Brexit durch Kanzlerin Merkel (“eine historische Stunde”) war nicht hilfreich.
Auch Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionschef Jean-Claude Juncker haben das Klima belastet – also genau jene beiden Politiker, die den Laden eigentlich zusammenhalten sollen.
So ist Tusk mal wieder eigenmächtig vorgeprescht. Mit seinem Vorschlag, den Brexit gleich um ein Jahr zu vertagen, hat er den Beschluss des EU-Gipfels vom März ad absurdum geführt – sein Ziel ist “no Brexit”.
Auch Juncker spielt nicht mehr mit. Beim Krisengipfel letzte Woche warf er Macron vor, aus rein innenpolitischen Motiven beim Brexit auszuscheren, wie “Le Monde” berichtet.
Dabei denkt auch Juncker nur an sich und an seine Bilanz als Kommissionschef. Die fällt zwar ziemlich miserabel aus – Flüchtlingskrise und Brexit sind nicht gelöst – doch niemand soll es merken.
Junckers “Kommission der letzten Chance” hat einige Probleme gelöst – vor allem mit dem sozialdemokratisch inspirierten Investitions-Programm EFSI – aber auch viel verschlafen, z.B. den aktuellen Konjunktur-Einbruch oder das Desaster in Libyen.
Wenn das Juncker-Team Ende Oktober abtritt, hinterläßt es seinen Nachfolgern einen Problemberg. Und genau dann soll – so die neue Planung – die Deadline beim Brexit enden. Pünktlich zu Halloween droht der EU der nächste Showdown.
Und man kann schon jetzt ziemlich sicher sein, dass es ein schwerer Machtkampf zwischen Macron und Merkel sein wird – um Deal oder no Deal, aber auch um den künftigen Kurs in der EU, nach Tusk und Juncker…
Siehe auch “Das Klima ist vergiftet (1), “und “Der heimliche Machtkampf, der Europa zerreißen könnte”
Watchlist
- Am Montag tagt der Agrarrat – normalerweise kein großes Ding. Doch diesmal stehen zwei heiße Themen auf der Agenda: das Verhandlungsmandat für Gespräche mit den USA über Industriezölle – und die Copyright-Reform im Internet (Stichwort Uploadfilter). Wie wird Deutschland bei diesem hoch sensiblen Thema abstimmen? Vor Ort ist Agrarministerin Julia Klöckner (CDU), doch alle blicken auf Katharina Barley (SPD). Kann sie ihr Versprechen einlösen, die Uploadfilter zu verhindern? Oder beugt sie sich doch wieder der CDU?
Siehe auch “Sündenfall im Internet”
Was fehlt
- Seit Monaten werden wir vor Wahlbeeinflussung und “Fake News” aus Russland gewarnt. Doch fünf Wochen vor der Europawahl ist davon immer noch nichts zu sehen. Das ficht unsere Geheimdienste aber nicht an: Moskau habe die Taktik gewechselt und versuche nun, über soziale Netzwerke oder Medien wie “RT” russlandfreundliche oder EU-kritische Parteien zu unterstützen, heißt es. Doch auch dafür bleiben die Dienste einen Beweis schuldig. Während sie ihre hochbezahlte Paranoia pflegen, kommen immer mehr “Fake News” von den Brexiters aus UK, der Regierung aus Ungarn oder den Gelbwesten in Frankreich...
Peter Nemschak
15. April 2019 @ 15:13
@Holly01 Da kommt eine Allianz mit den USA billiger, abgesehen davon, dass es in der EU keine Institution gibt, eine eigene Militärmacht zu führen. Allein eine Typenbereinigung bei der Hardware würde allen Mitgliedern Kosten sparen. Ein Bund souveräner Staaten ist eben kein Bundesstaat.
Holly01
15. April 2019 @ 20:41
Mit den USA hat man keine Allianz, denen liefert man sich vollständig aus und die nehmen sich was immer sie möchten …..
vlg
Peter Nemschak
15. April 2019 @ 14:42
@ebo Kanzlerschaft schwächen? Wird halt eine neue Kanzlerin kommen. Deutschland ist kein Ein-Fraubetrieb. Auch die anhaltende innenpolitische Schwäche von Macron strahlt auf die EU aus, die deshalb nicht untergehen wird. Ich fürchte Sie haben unrealistische Erwartungen was die supranationale Governance betrifft.
Peter Nemschak
15. April 2019 @ 09:45
Bis es soweit ist, wird Merkel Geschichte sein. Merkel hat politisch nichts mehr zu gewinnen. Fallen die Europawahlen für die CDU enttäuschend aus, was nach langer Regierungszeit durchaus wahrscheinlich ist, wird sich KK das Ergebnis zurechnen lassen müssen. Deshalb wird Merkel im Wahlkampf vermutlich kaum sichtbar werden. Aus einem konjunkturellen Rückgang eine Krise zu machen, welche massive fiskalpolitische Gegensteuerung erfordert, ist verfrüht. China, BREXIT und die unberechenbare Politik der USA werden als Unsicherheitsfaktoren länger erhalten bleiben, letztere vor allem dann, sollte Trump wiedergewählt werden.
ebo
15. April 2019 @ 10:24
Oha, woher der plötzliche Merkel-Pessimismus? Hier geht man davon aus, dass sie bis zum Ende (ihrer Amtszeit) durchsteht…
Peter Nemschak
15. April 2019 @ 11:29
Warum sollte sie? Nach der Europawahl, die KK für die CDU vermutlich mit eher geringem Erfolg schlagen wird – ich rechne mit starken Zugewinnen der Grünen vor allem zu Lasten von CDU/CSU bei stagnierender SPD und deutlichen Zugewinnen der Rechten -, kann sich Merkel umdrehen und ihren parteiinternen Freunden sagen: mit mir wäre euch das nicht passiert. Ihr habt es so gewollt.
ebo
15. April 2019 @ 12:00
Natürlich wird Merkel die Schuld AKK in die Schuhe schieben, da sind wir uns einig. Aber eine Wahl-Niederlage wird auch ihre Kanzlerschaft schwächen und auf die EU ausstrahlen. Eine lose-lose-Situation. Nicht sehr attraktiv…
Holly01
15. April 2019 @ 14:45
Die Sackgasse macht sich ja nicht an Merkel oder AKK fest.
Der Hegemon ist einfach nicht zukunftsfähig.
Wie lange will man den Amis noch in den Untergang hinterher laufen?
Wo ist das Personal für einen Wechsel?
…. und wie soll die zukünftige Linie aussehen?
Für eine Lufthoheit benötigt die EU etwa 20.000 Kampfflugzeuge. Das sind bei 100 Mio./Stck schon richtige Summen und nur eine Sparte der Luftwaffe.
Bei der Größenordnung lohnt sich auch eine eigene Industrie.
… aber wer erklärt das Onkel Trump?
Der dreht ja schon am Rad, wenn alle nachgeben und machen was der Onkel aus Amerika möchte.
vlg
Baer
15. April 2019 @ 08:34
Wer jetzt immer noch nicht begriffen hat,wer in der Welt wirklich manipuliert,intrigiert,und lügt dass sich die Balken biegen,dem ist nicht zu helfen.
Die höchsten Rüstungsausgaben, CIA,NSA mit über 1 Mio. Mitarbeitern und fakenews fürs eigene Volk ohne Ende.
Eine Demokratie sieht anders aus, aber Russland Einmischung in Wahlen unterstellen,nur zum lachen(weinen).
Irak,Iran,Libyen,Sürien,Ukraine usw. sind doch wohl Beweis genug,von 9/11 gar nicht zu sprechen.