Das geht gegen Österreich und Italien
„Ich werde nicht unilateral, nicht unabgestimmt und nicht zu Lasten Dritter vorgehen“. So sprach Kanzlerin Merkel zu Ende des EU-Gipfels am Freitag in Brüssel. Nun ist alles vergessen – es geht gegen Österreich und Italien.
Nichts anderes bedeutet der „Kompromiss“, auf den sich Merkel mit ihrem Noch-Innenminister Seehofer und der CSU geeinigt hat. Dabei geht es nämlich nicht nur um ein neues „Grenzregime“ mit Auffanglagern („Transitzentren“).
Es geht auch darum, Asylbewerber direkt nach Österreich abzuschieben. Zitat aus der Einigung:
In den Fällen, in denen sich Länder Verwaltungsabkommen über die direkte Zurückweisung verweigern, findet die Zurückweisung an der deutsch-österreichischen Grenze auf Grundlage einer Vereinbarung mit der Republik Österreich statt.
Eine solche Vereinbarung mit Österreich gibt es aber noch gar nicht. Merkel hat es beim Gipfel nicht geschafft, sie auszuhandeln. Das soll nun offenbar Seehofer nachholen – viel Spaß…
Der Passus richtet sich aber auch gegen Italien – denn das ist das wichtigste Land, das sich“ Verwaltungsabkommen über die direkte Zurückweisung verweigern“ wird – und zwar massiv.
Auch mit Italien kam beim Gipfel keine Einigung zustande. Auch da biß sich Merkel – die angeblich Siegreiche – die Zähne aus. Von dort kommen aber die meisten Asylbewerber über die Alpen nach Bayern.
Italien ist auch das Land, das das Dublin-III-Abkommen über Bord werfen will, auf dem Merkels und Seehofers „Kompromiss“ beruht. Hier dürfen wir also einen harten Konflikt erwarten.
Wie war das nochmal? „Nicht unilateral, nicht unabgestimmt und nicht zu Lasten Dritter?“ Genau das macht Merkel nun. Wer sich dem deutschen Diktat „verweigert“, wird – ja was eigentlich?
Offenbar hat Merkel der „europäische Geist“ verlassen, von dem sie ständig redet…
Siehe auch „Rückführung: Wie Merkel flunkert“
Solveig Weise
3. Juli 2018 @ 12:51
Sollten diese Beschlüsse Italien und Österreich wirklich „schaden“ würde dies im Umkehrschluss ja auch bedeuten, dass das Unterlassen einer solchen Handlung Deutschland „schaden“ würde. Inwiefern ist letztere Konsequenz dann aus Sicht der deutschen Politik zu präferieren? Diese Diskussion wird in den deutschen Medien fast nie geführt?
ebo
3. Juli 2018 @ 13:14
Hier eine österreichische Perspektive: https://derstandard.at/2000082731908/Seehofer-und-Merkel-schieben-ihre-Probleme-nach-Oesterreich-ab?ref=rss
Solveig Weise
3. Juli 2018 @ 13:51
Gegengfrage: Wieso sollte die deutsche Politik stattdessen die „Probleme“ aus Österreich und Italien übernehmen (nachdem man dies seit 2015 durchgehend gemacht hat) und Italien sich jeder konstruktiven Lösung verweigert.(Salvini:“Wir können keinen einzigen mehr aufnehmen“). In Italien mit 60 Millionen Einwohnern leben weniger „Schutzsuchende“ als in NRW mit 17 Millionen Einwohnern.
ebo
3. Juli 2018 @ 16:03
Mir geht es um den neuerlichen deutschen Alleingang. Genauer: Um den Alleingang von CDU und CSU, die SPD war ja gar nicht beteiligt. Um ihre Macht zu retten und Bayern einen Gefallen zu tun, legt Merkel mal eben fest, was passiert, wenn unerwünschte Asylbewerber an der bayerisch-österreichischen Grenze ankommen. Das kann sie tun – dann soll sie aer nicht den „europäischen Geist“ beschwören. Dann hätte sie Seehofer gleich Recht geben sollen.
Solveig Weise
4. Juli 2018 @ 01:22
@ebo: volle Zustimmung zum Widerspruch zwischen der Vereinbarung zwischen CDU und CSU und dem Geschwätz von europäischen Lösungen. Aber Sie kennen doch das Geschäft. Merkel hat dem nur zugestimmt weil sie weiß, dass die SPD niemals mitmacht. Billige Taschenspielertricks einer Kaiserin ohne Kleider.
Peter Nemschak
3. Juli 2018 @ 18:22
Österreich wird sich zu schützen wissen. Im schlimmsten Fall wird ein Dominoeffekt nach Süden entstehen. Am effizientesten wäre es, alle ankommenden Asylwerber in Transitlager zu stecken, damit sie nicht untertauchen können und die Asylansuchen innerhalb von 3 Monaten erledigen. Das würde die Kontrolle erleichtern. Der Großteil sind ohnedies Abschiebefälle. Wovon leben eigentlich die Sekundärmigranten? Versorgt werden sie doch vom Erstaufnahmestaat. Eine europäische Lösung wird es am ehesten bei der Abschottung der Außengrenze von illegaler Migration geben. Da scheinen sich die Mitgliedstaaten einig zu sein.
Solveig Weise
4. Juli 2018 @ 01:25
Und genau dies wird die Lösung sein. Entweder Europa wird zur „Festung“ oder die Strukturen der EU lösen sich auf. Die Alternative, dass Deutschland alle Migranten aufnimmt wird nicht tragen.