Das Europaparlament fordert Merkel heraus


In Brüssel formiert sich Widerstand gegen Kanzlerin Merkel und ihr neues EU-Budget; in Paris muß Außenminister Maas neue türkische Attacken abwehren – und der britische Streetart-Künstler Banksy kritisiert die europäische Flüchtlingspolitik: Die Watchlist EUropa vom 31. August 2020.

Das geplante neue EU-Budget sorgt für dicke Luft zwischen Brüssel und Berlin. „Das Europaparlament ist kompromissbereit, lässt sich aber nicht über den Tisch ziehen”, warnte der grüne Europaabgeordnete Rasmus Andresen nach der ersten Verhandlungsrunde mit dem deutschen EU-Vorsitz über den 1,8 Billionen Euro schweren Finanzrahmen.

Man werde sich nicht mit „kleinen Änderungen“ zufrieden geben, so Andresen. Berlin müsse bei Rechtsstaat, Klimaschutz und Wiederaufbau nachbessern. „Bei der Höhe der Programme und beim Rechtsstaatsmechanismus stehen uns noch harte Debatten bevor.“ Ähnlich äußerten sich Abgeordnete der Sozial- und Christdemokraten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel will das Budget, das bei einem chaotischen EU-Gipfel im Juli ausgehandelt worden war, jedoch nicht wieder aufschnüren. Sie nehme die Forderungen zum Rechtsstaat sehr ernst, sagte Merkel in Berlin. Das Europaparlament dürfe sich aber nicht auf Maximalforderungen versteifen, der Spielraum sei gering.

Bei dem Gipfel im Juli hatte der Rechtsstaat nur eine Nebenrolle gespielt. Ein ursprünglich geplanter starker Mechanismus, mit dem die Auszahlung von EU-Mitteln an Länder wie Polen oder Ungarn gestoppt werden könnte, wurde im Laufe der Beratungen verwässert. Zudem wurden Mittel für Forschung, Bildung und Gesundheit gekürzt.

Diese Kürzungen will das Europaparlament nun rückgängig machen. Es fordert zudem, dass der Rechtsstaats-Mechanismus leichter ausgelöst und nur mit qualifizierter Mehrheit gestoppt werden kann. Außerdem wollen die Abgeordneten über die Vergabe von Finanzhilfen aus dem neuen, 750 Mrd. Euro schweren Wiederaufbaufonds mitbestimmen.

In der ersten Verhandlungsrunde biß das sechsköpfige Verhandlungsteam jedoch auf Granit. Der deutsche EU-Botschafter Michael Clauß sagte den Abgeordneten, dass sie sich mit kleinen Änderungen zufrieden geben müßten. Mehr Geld für Gesundheit oder Bildung werde es nicht geben. Auch beim Rechtsstaat könne man nicht viel tun.

Am Montag könnte es laut werden

Die Abgeordneten wollen das nicht auf sich sitzen lassen. Bei einem Treffen des Haushaltsausschusses am Montag in Brüssel dürfte es lautstarken Protest gegen Merkels kompromisslose Linie geben. Das Europaparlament hat – zumindest im Prinzip – eine starke Position: Ohne seine Zustimmung kann das neue EU-Budget nicht in Kraft treten.

Zudem kann sich Merkel nicht mehr auf eine eigene Mehrheit unter den Abgeordneten verlassen. Die konservative „Europäische Volkspartei“ (EVP), der auch CDU/CSU angehören, gibt nicht mehr den Ton an. Für einen „Deal“ muß Merkel auch Sozialdemokraten, Liberale und Grüne überzeugen.

Dafür müsse sie jedoch ein besseres Angebot auf den Tisch legen, heißt es in Brüsseler Parlamentskreisen. Und wenn nicht? Dann kommt es zum Schwur, wie beim letzten Finanzrahmen vor sieben Jahren. Damals sind die EU-Abgeordneten am Ende doch noch eingeknickt…

Siehe auch “Das Europaparlament muß für seine Rechte kämpfen” und “Absurde EU-Regeln: Fälle der Rechtsstaat hinten runter?”

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Watchlist

Droht ein Krieg mit der Türkei, und was wird der deutsche EU-Vorsitz dagegen tun? Dazu muß sich der deutsche Außenminister Maas am Montag in Paris äußern. Am Wochenende waren die türkischen Drohungen gegen Griechenland und Frankreich eskaliert. Beide Länder seien “gierig und inkompetent”, erklärte Sultan Erdogan. Bisher wollte Maas vermitteln, nun muß er Stellung beziehen! – Mehr hier

Was fehlt

Die scharfe Kritik von Streetart-Künstler Banksy an der EU-Flüchtlingspolitik. Die EU-Behörden würden Notrufe von ‚Nicht-Europäern‘ im Mittelmeer “absichtlich ignorieren“, ist in einem Banksy-Video zu lesen, das auf Instagram veröffentlicht wurde. Der Brite unterstützt das Rettungschiff “Louise Michel”, von dem 150 Migranten in Sicherheit gebracht wurden. Die EU-Kommission wollte sich nicht zu dem Vorfall äußern…

Das Letzte

Nicht nur in Berlin gab es an diesem Wochenende Proteste gegen die Corona-Maßnahmen. Auch in London gingen Tausende auf die Straße. Laut “FAZ” war es die bislang größte Demonstration gegen die Corona-Politik der Regierung. Die Polizei befürchtete weitere Verstöße gegen die Auflagen, weil bis Montag Tausende mit illegalen „Raves“ den offiziell abgesagten „Notting Hill Carnival“ feiern wollen…


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