Macron gegen Leyen: Die nächste Führungskrise

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat der künftigen Kommissionschefin von der Leyen die Schuld dafür gegeben, dass seine Kandidatin im Europaparlament durchgefallen ist. Damit hat er ein merkwürdiges Demokratie-Verständnis offenbart – und eine Führungskrise ausgelöst.

Macron erklärte, dass er von der Leyen drei Vorschläge für die EU-Kommission gemacht habe. Die CDU-Politikerin habe sich für Goulard entschieden. Außerdem habe Leyen ihm versichert, die Zustimmung der Chefs der drei wichtigsten Fraktionschefs im Parlament erhalten zu haben.

Doch Goulard ist am Donnerstag krachend gescheitert. Mit großer Mehrheit wurde die Französin nach der zweiten Anhörung abgelehnt – wegen alter und noch nicht vollständig aufgeklärter Affären, aber auch wegen allzu vager Antworten auf Fragen nach ihrem riesigen Aufgabenfeld.

Zuvor hatten französische Macron-Gegner auf der Linken und der extremen Rechten, aber auch deutsche Christdemokraten Front gegen die ehemalige Europaabgeordnete gemacht. Macron ist nicht nur innenpolitisch geschwächt; er fühlt sich auch von CDU und CSU verraten.

Das ist sein gutes Recht. In Brüssel pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass vor allem die CSU auf Rache für die Europawahl und für das Scheitern ihres Spitzenkandidaten Manfred Weber sann. Doch indem er auf von der Leyen zielt, trifft Macron die Brüsseler Institutionen an einem wunden Punkt.

Nun könnte sich der mit der Europawahl eröffnete Machtkampf zwischen Rat und Parlament auch noch auf die neue EU-Kommission und ihre künftige Chefin ausweiten. Bisher war Macron von der Leyens wichtigste Stütze; nun könnte er zu ihrem härtesten Gegner werden.

Zudem drohen sich die drei großen Parlaments-Fraktionen – Konservative, Sozialdemokraten und Liberale – endgültig zu zerstreiten. Die Liberalen haben nun ihrerseits Rache geschworen, genau wie zuvor die Konservativen. Aus „Renew Europe“ wird „Auge um Auge, Zahn um Zahn“.

Das bedroht die ohnehin schon knappe Mehrheit für von der Leyen. Nur die Grünen sind der CDU-Politikerin beigesprungen – wie schon im Frühjahr, als sie CSU-Weber umwarben. Doch das hilft im Moment wenig; die Krise dürfte den Start der gesamten Kommission verzögern.

Macrons Wutausbruch und die heftige Reaktion in Brüssel zeigt, dass die Führungskrise in der EU immer noch nicht beigelegt ist und der Machtkampf zwischen Frankreich und Deutschland weiter schwelt. Die nächsten fünf Jahre könnten bitter werden, für alle Beteiligten…

Siehe auch „So viel Machtkampf war nie“ und „Die Führungskrise geht weiter – Merkel verliert“

Watchlist

  • Die Wahl in Polen am Sonntag. Wenn nicht alles täuscht, steht die rechtskonservative Regierungspartei PiS vor einem neuen Wahlsieg – und das trotz des Dauerstreits mit der EU um Rechtsstaat und Flüchtlingspolitik. Die deutsche Bundesregierung hat schon vorgebaut und ihre Beziehungen nach Warschau vertieft – Kanzlerin Merkel hat in Warschau sogar um Unterstützung für ihre Parteifreundin von der Leyen geworben…

Was fehlt

  • Der Krieg der Worte zwischen Präsident Erdogan und der EU. Erdogan warnte die Europäer davor, von einer „Invasion“ in Syrien zu sprechen und drohte damit, Zehntausenden syrischen Flüchtlingen „die Tore nach Europa“ zu öffnen. Seit dem von Merkel 2016 geschlossenen Flüchtlingsdeal ist die EU in der Flüchtlingspolitik von der Türkei abhängig. Das spielt der türkische Sultan nun gnadenlos aus…