Broken Brexit, „Magnitsky Act“ und ein Mord mit Ansage

Die Watchlist EUropa vom 19. Oktober 2020 –

Es läuft nicht gut für Boris Johnson. Immer mehr Briten wenden sich von seinem chaotischen Brexit-Kurs ab. Die Europäer spielen auch nicht mehr mit. Der EU-Gipfel hat sein Ultimatum für einen Handelsdeal schlicht ignoriert. Wir verhandeln weiter, so die trotzige Botschaft aus Brüssel.

Und nun kommt auch noch die Ratingagentur Moody’s – und stuft die Kreditwürdigkeit Großbritanniens herab. Zur Begründung verweisen die Finanzexperten auf die Unfähigkeit der Regierung in London, einen Handelsvertrag mit Brüssel abzuschließen. Es ist eine Ohrfeige für Johnson.

Ein Grund zu (Schaden-)Freude ist es allerdings nicht. Denn nicht nur Johnson steht vor einem Scherbenhaufen. Auch die Verhandlungstaktik der EU ist gescheitert. Sie hat ein Ziel nach dem anderen verfehlt – und muß sich nun auf einen „No Deal“ einstellen, das Worst Case Szenario.

Inständig bitten Kanzlerin Merkel und Ratspräsident Michel den Rabauken aus London nun darum, doch bitte, bitte weiter zu verhandeln. Man wolle einen Deal, wenn auch nicht um jeden Preis, erklärte Merkel in Brüssel. Johnson’s Vertrauensbruch scheint vergessen.

Dafür gibt es einen schlichten Grund: It takes two to Tango – für einen Deal braucht man nun einmal zwei Partner. Wenn die EU doch noch ein Handelsabkommen mit Großbritannien abschließen will, muß sie sich mit Johnson an einen Tisch setzen, auch wenn sie ihm zutiefst mißtraut.

Doch wird es überhaupt noch zu Gesprächen kommen? Nach dem EU-Gipfel gaben sich die Europäer zunächst noch siegessicher. Verhandlungsführer Michel Barnier werde am Montag den Eurostar nach London besteigen und sich dann mit seinem britischen Counterpart David Frost treffen, hieß es.

Doch mittlerweile ist das nicht mehr so sicher. Barnier solle doch nicht kommen, man werde miteinander telefonieren, heißt es in London. Ist das noch so ein perfider Trick, um die Europäer weich zu klopfen? Oder macht Johnson Ernst mit seiner Drohung, den „No Deal“ anzusteuern?

Genau werden wir dies wohl erst am Montag wissen, wenn die Gespräche beginnen sollen. Klar ist nur eins: Ein „Weiter so“ wird es nicht geben. Im britisch-europäischen Verhältnis ist etwas zerbrochen – auch wenn die Europäer es immer noch nicht wahrhaben wollen…

Watchlist

Kommt der europäische „Magnitsky Act“? Darüber will die EU-Kommission am Montag beraten. Hinter dem ominösen Titel verbirgt sich ein neues Sanktions-Instrument. Brüssel will sich selbst ermächtigen, schwere Menschenrechtsverletzungen und -missbräuche über all auf der Welt mit Strafen zu ahnden. Das könnte z.B. den belarussischen Diktator Lukaschenko treffen, der die Repression am Sonntag nochmals verschräft hat. Zudem bekäme die EU die Möglichkeit, Russland noch stärker zu sanktionieren – dabei herrscht jetzt schon ein „Kalter Krieg light“ zwischen Brüssel und Moskau… – Mehr hier

Was fehlt

Die Anteilnahme am Mord eines französischen Lehrers in einem Vorort von Paris. Der Pädagoge wurde am Freitag von einem 18-jährigen Flüchtling aus Tschetschenien enthauptet, nachdem er die „Charlie Hebdo“-Karikaturen des Propheten Mohammed gezeigt hatte. In Paris gingen am Sonntag Zehntausende auf die Straße, um ihre Solidarität mit dem Lehrer zu bekunden und gegen den grassierenden Islamismus zu protestieren. In Brüssel fielen die Reaktionen auf die „Hinrichtung mit Ansage“ (FAZ) dagegen mau aus. Kommissionschefin von der Leyen bekundete Beileid, vermied es aber, die Worte „Charlie Hebdo“ oder „Islamismus“ in den Mund zu nehmen.

Das Letzte

Normalerweise berichten die Medien nicht über Wahlen in besetzten Gebieten. Doch bei Nordzypern machen sie eine Ausnahme. Zu Recht: Denn mit dem Hardliner Tatar wird künftig eine Marionette von Sultan Erdogan die annektierte Zone führen. Er setzt sich wie Ankara für eine Zwei-Staaten-Lösung – also eine Spaltung der Insel – ein. Damit fordert er die EU heraus, denn Zypern ist ein Mitgliedsland, die Wiedervereinigung ist EU-Programm. Auf die Reaktion aus Brüssel darf man gespannt sein. Wird man ähnlich hart reagieren wie im Fall der Krim – mit Wirtschaftssanktionen? Zuletzt hat die EU-Kommission sogar noch Geld nach Nordzypern überwiesen… Mehr hier

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