Dafür braucht man keine GroKo
Außenminister Gabriel kommt nicht, und Grünen-Chef Özdemir muss ganz schnell wieder weg: Beim EuropaCamp, das am Freitag in Hamburg beginnt, zeigt sich, wie ernst unsere Politiker die Debatte mit den Bürgern nehmen.
Statt sich mit dem (möglichen) Scheitern der EU und (möglichen) Gegenstrategien zu befassen, streiten sie über den Familiennachzug und die Frage, ob er nun ein paar Monate länger ausgesetzt bleibt.
Ja verdammt, haben die denn nicht Wichtigeres zu tun? Gibt es keine anderen Themen, mit der sich eine neue Regierung befassen müsste? Dafür jedenfalls braucht man keine GroKo, ein Treffen mit der CSU genügt.
Überhaupt steht diese GroKo, so sie denn zustande kommen sollte (taz-Reporterin B. Gaus bezweifelt es immer noch, wie wir bei Maischberger lernten), unter keinem guten Stern. Jede Talkshow beweist es aufs Neue.
Das wächst zusammen, was nicht mehr zusammenpasst. Und da hofiert man eine Kanzlerin, die schon in der Versenkung verschwunden ist und deren Abgang sich sogar manch ein CDU-Politiker wünscht.
Ebenso wünscht sich manch ein Christdemokrat, dass das Europaprogramm, auf das man sich in Berlin geeinigt hat, nie umgesetzt werde. Auch das schwächt diese GroKo, denn Europa ist ihre einzige, notdürftige Klammer.
Ich bin mal gespannt, wie man all das in Hamburg sieht, wenn man fernab der Berliner Machtspiele über die EU und ihre Zukunft diskutiert. Dieser Blog wird live berichten, ein Vorbericht steht hier.
WAS FEHLT? Die Auseinandersetzung mit der AfD. In Brüssel wird sie ignoriert, in Berlin wird sie etabliert – mit wichtigen Ämtern im Bundestag. Doch die inhaltliche Auseinandersetzung findet nicht statt, alles dreht sich nur um Personen. Dabei wüßte man schon gern, welche “Alternativen” die AfD etwa in der Europapolitik anbietet – und was sie von CSU und FDP unterscheidet.
Peter Nemschak
2. Februar 2018 @ 09:15
Solange mehr Supranationaliät keine greifbaren wirtschaftlichen Vorteile für den Einzelnen bringt, werden sich wenige dafür begeistern. Das Supranationale tritt nur unter dem Eindruck existentieller Krisen hervor. Die vorläufige Rettung der Eurozone Anfang der 2010-er Jahre ist ein Beispiel dafür. Wirtschaftliche gute Zeiten wie jetzt tun dem Europagedanken nicht gut. Mangelnde Bürgernähe erklärt auch wenig. Die Leute wollen im Grunde gar nicht partizipieren, weil es mühevoll und zeitraubend ist, sondern bloß sich mitgenommen fühlen. In Sachen Flüchtlingspolitik fühlt sich die Mehrheit nicht so recht mitgenommen. Hier hat die Wählerschaft mehr Realitätssinn als jene Politiker, die diese zu vertreten meinen. Offenbar gibt es in Teilen der Bevölkerung kulturelle Ängste, während andere mit einer offenen Gesellschaft gut zurecht kommen. Von welchen politischen Eliten kommt der Ruf nach Demokratisierung und Partizipation? Man muss sich mit den Wunsch nach Partizipation inhaltlich einmal genauer ansehen. Was will die Mehrheit wirklich? Dass bestehende Eliten an der Macht bleiben und neue an die Macht kommen wollen, dürfte jedenfalls klar sein.
Claus
2. Februar 2018 @ 10:38
@Peter Nemschak: Bei der „Flüchtlingspolitik“ geht es doch um viel Weitreichenderes als „kulturelle Ängste“ versus „offene Gesellschaft“, und schon garnicht um die abgedroschene Floskel „mitgenommen zu werden“ oder nicht.
Es ist doch absolut legitim, dass ein zunehmender Teil der EU-Bürger diese demokratisch nicht legitimierte Entwicklung einschließlich ihrer Folgen schlichtweg nicht will. Ganz ohne „Ängste“. Punkt!
PS: Und wenn jemand „mitgenommen“ werden muss, ist es allenfalls die Politik, die den Willen der Bürger umzusetzen hat. So steht es im Grundgesetz. Und was offenbar erneut als Ergebnis der GroKo-Verhandlungen nicht passiert.
Claus
2. Februar 2018 @ 07:33
Was die AfD in der Europapolitik anbietet, lässt sich in ihrem Wahlprogramm für die BTW 2017 nachlesen. Da steht:
„Deutschland als souveränen Staat erhalten: Nein zu den „Vereinigten Staaten von Europa“ Das bestehende „Lissabon-Europa“ ist zurückzuführen zu einer Organisation von Staaten, die auf der Basis völkerrechtlicher Verträge ihre Interessen und Aufgabenwahrnehmung definieren. Nicht rückholbare Souveränitätsverzichte zu Gunsten einer „immer enger“ werdenden Europäischen Union sind mit einer solchen Konstruktion nicht vereinbar. Sollte die gemeinsame Rückbesinnung auf ein „Europa der Vaterländer“ mit den derzeitigen Partnern in der EU nicht möglich sein, muss Deutschland nach dem Vorbild Großbritanniens aus der EU austreten.“
ebo
2. Februar 2018 @ 07:39
Sehr schön. Leider fehlt der Hinweis, dass es Deutschland war, das den Lissabon Vertrag entworfen und durchgesetzt hat, trotz des Neins in Frankreich, Holland und Irland. Auch jetzt ist Deutschland wieder am Werk ; der bulgarische EU-Vorsitz folgt den Wünschen aus Berlin.
derPragmatiker
2. Februar 2018 @ 08:19
Den Lissabon-Vertrag hat doch nicht die AfD entworfen und durchgesetzt!
Trekker-Charly
2. Februar 2018 @ 08:31
Es sollte wieder die EWG (Europäische-Wirtschafts-Gemeinschaft) eingeführt werden. Alle Staaten sollten Souverän bleiben. Wobei Deutschland erst wieder ein Staat werden müsste. D.h., die BRD schliessen und eine Verfassung vom Volk beschliessen lassen.
Oudejans
3. Februar 2018 @ 00:36
>>“Den Lissabon-Vertrag hat doch nicht die AfD entworfen und durchgesetzt!“
Nein, aber um in Griechenland den Duft von Fremdherrschaft zu schnuppern, braucht man keine AfD.
Der kann man komfortabel alles Schrille vorwerfen, das den Blick auf das stille Wirken deutscher Vorherrschaft der EU09 ungebührlich schärft.
Da die AfD Merkels Gewächs ist, kann man somit nicht umhin, ihr neonationales Experimentieren als scheiternd zu bezeichnen. Griechenland, Russland, Migration…