UK first
Während die Verhandlungen über einen Post-Brexit-Deal andauern, führt das UK die EU schon einmal vor – und beginnt mit den Corona-Impfungen. Derweil wird Deutschland zum Nachzügler im Kampf gegen die Pandemie.
Eine 90 Jahre alte Frau hat am Dienstag die erste Corona-Impfung in Großbritannien erhalten. Margaret Keenan wurde im Universitätskrankenhaus in Coventry geimpft, wie der britische Gesundheitsdienst mitteilte.
Der Impfstoff wurde mit großzügiger EU-Hilfe bei Biontech in Deutschland entwickelt und bei Pfizer in Belgien produziert. Doch ausgerechnet das Nicht-Mehr-EU-Mitglied Großbritannien profitiert als Erstes davon.
Der britische Gesundheits-Nationalismus hat gesiegt – und das mitten in den Verhandlungen um einen Post-Brexit-Deal. Die Regierung in London brüstet sich sogar, nur der Brexit habe den Alleingang ermöglicht.
Und was sagt die EU dazu? Nichts! Auf der Website der EU-Kommission zur „Corona-Krisenreaktion“ findet sich nur ein altes Video von Kommissionschefin von der Leyen, aber kein Wort zum „V-Day“ in UK.
Dabei hatte die Kommission bisher immer behauptet, sie werde dafür Sorge tragen, dass die EU-Mitglieder als erstes die besten Impfstoffe bekommen würden. Nun werden sie vom UK vorgeführt.
Bitter ist das Ganze auch für Deutschland. Denn während die Briten nun mit dem Impfstoff auf dem Weg der Besserung sind (hopefully), verschlechtert sich die Corona-Lage hierzulande zusehends.
All wichtigen Kennziffern sind im roten Bereich. Nun fordert auch noch die nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina umfassende Kontaktbeschränkungen nach Weihnachten.
„Ab dem 24. Dezember 2020 bis mindestens zum 10. Januar 2021 sollte in ganz Deutschland das öffentliche Leben weitgehend ruhen und ein harter Lockdown gelten“, heißt es in einer Stellungnahme.
Deutschland wird damit zum Nachzügler in der Coronakrise. Die meisten anderen EU-Länder haben einen solch harten Lockdown schon längst hinter sich – und profitieren von ersten Lockerungen.
Fünf EU-Staaten haben sogar niedrigere Infektionszahlen als Deutschland, wie der „Tagesspiegel“ meldet. Dazu zählt sogar Belgien, das lange das absolute Schlußlicht war…
Siehe auch „UK prescht bei Impfstoffen vor“ und „Merkel muß nachsitzen„
Ute Plass
9. Dezember 2020 @ 22:01
„Deutschland wird damit zum Nachzügler in der Coronakrise. Die meisten anderen EU-Länder haben einen solch harten Lockdown schon längst hinter sich – und profitieren von ersten Lockerungen.“
Welch eine erbärmliche Politik!
„Lasst Euch gesagt sein, dass Unterwerfung und Wohlverhalten nicht zur Abwendung der Krise beitragen werden. Corona ist – über den dürftigen medizinischen Wahrheitskern hinaus – längst zu einem Herrschaftsinstrument geworden. Das Virus macht ggf. Menschen krank und kann in seltenen Fällen einen schlimmen oder sogar tödlichen Krankheitsverlauf nehmen. Es schränkt aber keine Grundrechte ein, schließt keine Restaurants und Theater, es untersagt keine Reisen oder Tanzveranstaltungen. Dies beruht auf politischen Entscheidungen, die so oder so ausfallen oder ganz unterbleiben können. Naturgesetze sind alternativlos, politisches Handeln schöpft immer aus einem breiten Spektrum von Alternativen. Insofern ist die Formulierung “Aufgrund von Corona müssen …“ verlogen und verschleiernd.“
https://2020news.de/ich-will-wieder-tanzen-deshalb-halte-ich-abstand-mehr-orwell-geht-nicht/
Art Vanderley
9. Dezember 2020 @ 19:49
Anders als beim ersten Mal versucht man in Deutschland einen „Ökonomie first“ Lockdown, in der vergeblichen Hoffnung, das Virus habe einen Hang zum deutschen Arbeitswahn und befalle nur böse Menschen, die doch tatsächlich irgendwelchen Freizeitbeschäftigungen nachgehen, oder gar am Abend das Haus verlassen und dadurch auf jeden Fall für die hohen Fallzahlen verantwortlich sein müssen.
Vielleicht ist es aber eher ein „Anleger first“ Lockdown, auf Branchen, die diesbezüglich irrelevant sind, wird keine Rücksicht genommen.
European
9. Dezember 2020 @ 10:45
Es ist ein bisschen untergegangen, aber auch in UK gibt es noch bodenständige Leute mit dem Blick aufs Reale 😉
https://www.theguardian.com/world/2020/dec/02/hancock-brexit-helped-uk-to-speedy-approval-of-covid-vaccine
„At a government briefing about the UK’s decision to become the first country to license the Pfizer/BioNTech vaccine for emergency use, the head of the UK’s Medicines and Healthcare products Regulatory Authority (MHRA), which made the decision, cited EU rules. “We have been able to authorise the supply of this vaccine using provisions under European law, which exist until 1 January,” said June Raine, the MHRA’s chief executive.“
Jedes EU-Land hat aktuell das Recht, seine Zulassungsgeschwindigkeit selbst zu bestimmen. Dass man sich aktuell an die EU-Kommission hängt, scheint eine stille Übereinkunft zu sein, notwendig oder sogar zwingend ist sie nicht. Manchmal wäre es hilfreich, wenn seitens der EU auch mal Sachlagen laut und verständlich geklärt würden.