Coronakrise: The Politics of Fear

Nie wieder Lockdown, nie wieder Grenzkontrollen! So hatten es sich die EU-Chefs nach der ersten Coronawelle im Frühjahr 2020 geschworen. Doch das soll nun nicht mehr gelten. Aus Angst vor dem mysteriösen Virus-Mutanten aus UK ruft Kanzlerin Merkel nach neuen, alten Maßnahmen.

„Es geht nicht darum, flächendeckende Grenzschließungen einzuführen“, sagte Merkel vor dem Corona-Krisengipfel am Donnerstag. Vielmehr gehe es um ein einheitliches Vorgehen gegen die Pandemie.

Sie wolle, „dass wir alle möglichst dasselbe Ziel verfolgen, die Inzidenzen möglichst runterzubringen“, so Merkel. Grenzschließungen wären dabei nur die „Ultima Ratio“ – aber nicht völlig ausgeschlossen.

„Das war falsch 2020 und das ist noch falsch in 2021“, entgegnete Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn. Grenzschließungen seien kein geeignetes Mittel gegen die Coronakrise.

Luxemburg hatte Geschäfte wieder geöffnet, nachdem sie in Deutschland geschlossen worden waren. Auch in der Schweiz, Österreich und Tschechien geht man anders mit dem Coronavirus um als im größten EU-Land.

Hier sieht Merkel nun Handlungsbedarf. Bei Frankreich, Belgien und den Niederlanden erwarte sie keine Probleme, sagte die CDU-Politikerin.

Frankreich hatte zuvor „Gesundheitskontrollen“ an den Binnengrenzen gefordert, Belgien erwägt sogar das Verbot von „nicht essentiellen“ Reisen – also das Aus für den grenzüberschreitenden Tourismus.

Reden müsse man aber noch mit Tschechien und der Schweiz, so Merkel weiter. In einem Diskussionspapier aus Berlin war von „Testzentren an den Grenzen“ die Rede.

Damit sind wir wieder da, wo wir schon im Frühjahr 2020 waren – bei halb oder ganz geschlossenen Grenzübergängen, in denen „Testzentren“ oder einfache Polizisten den Zugang regeln.

Es gibt nur einen Unterschied: Diesmal will Merkel das nicht im deutschen Alleingang machen, sondern auf EU-Ebene durchdrücken. Der Videogipfel ist dafür eine erste Gelegenheit.

Allerdings kann sich die Kanzlerin diesmal nicht – wie noch 2020 – auf rasant steigende Fallzahlen stützen. Getrieben wird sie allein von der Angst vor der britischen Variante.

Diese Angst hatte schon vor Weihnachten genügt, um Großbritannien abzuriegeln und einen „harten Lockdown“ zu simulieren. Es war die „Politics of fear“.

Nun soll es auf die gesamte EU ausgeweitet werden, wenigstens aber auf die Nachbarländer Deutschlands, die sich nicht an die deutschen Hygienregeln halten.

In UK sorgt das schon für helle Aufregung. „Britons face ban on entering the EU under German plan to shut borders“, meldet die „Times“.

Auf dem Kontinent hingegen scheint man sich mit dem deutschen Diktat abzufinden. Nur Luxemburg leistet noch Widerstand…

Siehe auch „Ein Hauch von Panik“ und „Brexit-Angst und Corona-Panik – eine giftige Mischung“

P.S. Wenn es nur um Vorsorge und Vorsicht ginge, wäre dagegen nicht viel einzuwenden. Merkel arbeitet aber mit Vermutungen (Belege für eine akute Gefahr fehlen) und der Angst vor einem „Eintrag“ des „britischen Virus“ (sic!) über die EU-Nachbarn nach Deutschland. Sie schürt also Angst vor dem Virus und Angst vor dem (EU-)Ausland – keine gute Politik!