Coronakrise: Kippt die Stimmung?
Bisher haben die Europäer die Coronakrise und ihre dramatischen Folgen ohne vernehmliches Murren hingenommen. Doch nun könnte die Stimmung kippen – diese Alarmsignale geben zu denken.
- Fast die Hälfte der Italiener will den EU-Austritt. In einer aktuellen Umfrage sind 49 Prozent der Befragten für einen Austritt aus der EU, meldet der “Kurier”. 51 Prozent für den Verbleib. Das sind um 20 Prozent mehr “IItaliexit”-Befürworter, als vor eineinhalb Jahren, als dies zuletzt abgefragt wurde. Durchgeführt wurde die Umfrage unter 1000 Personen am 9. und 10. April, also kurz vor der Einigung der Eurogruppe.
- Antifranzösischer Rassismus im Saarland. “Franzosen trauen sich zum Teil gar nicht mehr hierher”, sagt Michael Clivot auf t-online.de. Er ist Bürgermeister der kleinen Gemeinde Gersheim an der französischen Grenze. In einer Videobotschaft schilderte er, die Grenzschließung in der Gemeinde sei ein “Alptraum”, der jahrzehntelange Arbeit für eine deutsch-französische Aussöhnung bedrohe.
- Wilde Beschimpfungen gegen von der Leyen. Die EU-Kommissionschefin hat in einem Tweet um das erste COVID-19-Opfer in der Brüsseler Behörde getrauert. Daraufhin setzte es wilde Beschimpfungen gegen die EU und ihre Präsidentin. Ein Foto zeigt eine Leiche mit der Europaflagge. Eine andere Reaktion lautet “The real virus are you”.
I am extremely sad to announce the passing away yesterday of a devoted Commission member of staff, who had fallen ill to COVID-19. I present my heartfelt condolences to his family, and my thoughts are also with his colleagues from the ERCEA and the wider DG Research & Innovation.
— Ursula von der Leyen (@vonderleyen) April 13, 2020
Zu denken gibt auch die Lage in Brüssel, der “Hauptstadt der EU”. Dort gab es am Osterwochenende schwere Krawalle, nachdem ein 19-jähriger bei einer Verfolgungsjagd ums Leben gekommen war.
Die Polizei nahm fast 100 Menschen fest, die im Stadtteil Anderlecht randaliert hatten – und das mitten in der Corona-Ausgangssperre…
Siehe auch “Sie reden von Exit”
Holly01
13. April 2020 @ 20:20
Den Menschen wird klar, wie dramatisch schlecht die Verfassung der EU Staaten ist.
Das Vertrauen ist im freien Fall.
Die Politik als Instrument der Umverteilung von unten nach oben steht ungeschützt da, die Menschen wenden sich ab.
Die Reichen werden nach der Krise nur reicher sein.
Die Armen werden nach der Krise noch ärmer sein.
Es ist klarer als je zuvor.
Läuft es gut, werden die Reichen reicher.
Läuft es schlecht werden die Reichen reicher.
Die Länder und die Menschen haben überhaupt gar nichts davon.
Die Politik hat vergessen, das es ein Minimum an Unterstützung bei der Bevölkerung braucht.
Macht mal ruhig so weiter.
Bisher sieht das nur aus, wie in einem Weltuntergangsfilm, aber morgen oder übermorgen, muss die Politik den Menschen erklären, was die mit unserer Welt angestellt haben ….
Aber, andererseits, das sehen die Menschen ja immer deutlicher.
Während dessen setzen sich die Reichen ab.
Angst? Ich glaub ich rieche Angstschweiss …… ja das ist Schadenfreude, man hat ja sonst nicht mehr viel was übrig wäre.
frohe Ostern und bleibt gesund
Holly01
14. April 2020 @ 08:40
Michael Roberts erklärt sehr schön, warum das Misstrauen sehr angebracht ist:
” https://braveneweurope.com/michael-roberts-the-post-pandemic-slump ”
Genau darum schreibe ich immer wieder:
– das Geld muss durch negative Zinsen weniger werden
– die Schulden in der Masse müssen abgebaut werden, nicht nur Geld drucken, sondern Schulden abschreiben durch Bilanzverkürzungen
Beides sollte aus rein praktischen gründen bei der EZB passieren.
Wer die Gesellschaft wieder flott bekommen will und positive Stimmung erzeugen will, muss bei den Nöten der Gesellschaft ansetzen.
Die Not ist der permanente Kaufkraftverlust, bei gleichzeitig explodierenden Großvermögen.
Nun soll ja niemandem etwas weggenommen werden, das wäre wenig sinnvoll.
Also muss die Axt dort ansetzen wo es sinnvoll ist.
Das sind auseinander laufende Staatsschulden, die muss man egalisieren, am Besten auf ein Minimum zusammen streichen.
Die Notenbanken halten einen beträchtlichen Prozentanteil der Schuldverschreibungen, also Bilanzverkürzung, weg damit und dann Programme die umgekehrt proportional (reziprok) zum BIP die Schuldstände senken.
Länder mit Nachholbedarf müssen stärker entlastet werden, als entwickelte Länder.
Ja, auch “Schwellenländer” oder “Entwicklungsländer” müssen aus der Schuldenfalle raus.
Wir kommen da nur raus, wenn wir anderen da raus helfen.
Ohne Solidarität werden die 200 Familien das nicht zulassen.
Also Alle oder keiner.
Mit der EU anfangen, die Partnerstaaten mitnehmen und dann mit der UN ein riesen Programm auflegen, bei dem China sicher helfen würde.
Schnell wäre gut.
Und dann müssen wir (wenn Vertrauen und Erleichterung die Laune gehoben haben) ganz dringend über die Zukunft reden.
Unseren weltweiten verbrauch von Ressourcen und Natur.
Sonst schaffen wir Corona und dann schafft der Klimawandel uns.
vlg
European
14. April 2020 @ 11:16
Wenn wir Schulden abbauen, müssen wir klären, wer in Zukunft die Schulden macht. Sparen und Schulden sind zwei Seiten derselben Medaille und ein Staat, der seinen Bürgern Sparen für’s Alter nahelegt, aber Schulden verdammt, hat unser Geldsystem nicht verstanden.
Deutschland ist auf eine jährliche Neuverschuldung des Auslands i.H.v. ca. 300 Mrd Euro angewiesen. Alle Sektoren – Privathaushalte, Staat, Unternehmen – sind in Deutschland Nettosparer. Also muss die Verschuldung im Ausland passieren. Mal abgesehen von den Auswirkungen des Exportüberschusses, der nur möglich ist, wenn andere Defizite haben, also weniger Einkommen als Ausgaben haben, also Schulden machen.
Vielmehr sollte man Phänomene wie z.B. Japan beobachten und weiterhin untersuchen, wodurch die klassischen Schuldenmacher, die Unternehmen, zu Nettosparern geworden sind. Die sind eigentlich die Innovateure, die Investoren. Dort sollte die Neuverschuldung einer Volkswirtschaft stattfinden.
European
13. April 2020 @ 19:12
Ich find’s entsetzlich, kann aber die Italiener verstehen. Solange das falsche System nicht korrigiert wird, steuern wir zumindest auf ein Auseinanderbrechen der Eurozone zu.
Heißt nicht, dass der Euro stirbt, aber er wird auf wenige Länder beschränkt sein, die dann massiv aufgewertet werden. Dann sind die ganzen Vorteile des letzten Jahrzehntes futsch und die untere Hälfte der deutschen Bevölkerung immer noch arm.