Coronakrise: China gewinnt – oder?

Bei einer Pandemie gibt es normalerweise keine Gewinner oder Verlierer (sondern nur Verlierer). Doch ausgerechnet die EU hat die Coronakrise zum Systemwettbewerb hochstilisiert und sich gegen China positioniert. Der Schuß geht nach hinten los.

Als die Pandemie im Winter 2020 nach Europa schwappte, gaben die EU-Granden zunächst Entwarnung: Man habe alles im Griff, so schlimm wie in China könne es gar nicht werden. Sogar Handel und Verkehr ließ man unbeirrt weiterlaufen.

Als sich Europa dann zum Epizentrum entwickelte, wurden die EUropäer zunehmend nervös. Über Nacht verwandelte sich die EU vom Helfer für die scheinbar unfähigen Chinesen zum Hilfsempfänger. Der Ton wurde gereizt.

Als China dann seinerseits Hilfsmaterial nach Europa flog und Italien das auch noch feierte, war plötzlich von “Propaganda-Krieg”, “Infodemie” und “Fake News” aus Peking die Rede. Sogar der Auswärtige Dienst schaltete sich ein.

Doch noch immer saß man auf dem hohen Roß. Der freie Westen könne und werde eine Pandemie besser und effizienter bekämpfen als eine kommunistische Diktatur, hieß es in Brüssel und Berlin. Der Systemwettbewerb war eröffnet.

Das war ein Fehler, wie sich bald zeigen sollte. Denn als Systemrivale hat sich in der Pandemie vor allem die USA erwiesen. US-Präsident Trump hat den Schengenraum mit einem Reisebann belegt und eine globale Corona-Initiative verweigert.

China hingegen ist, wenn es um die Zusammenarbeit in der Weltgesundheitsorganisation WHO und um mögliche Corona-Impfstoffe geht, zu Kooperation bereit.

Nun, in der “zweiten Welle”, kommt es ganz dick. Während die EU bei den Neuinfektionen auch noch hinter die USA zurückfällt, trumpft China mit frischem Wachstum auf – die Pandemie scheint im Reich der Mitte weitgehend besiegt.

Notgedrungen räumen Politiker und Wirtschaftsvertreter in Berlin eine Niederlage im “Wettstreit der Systeme” gegen China ein, wie “German Foreign Policy” berichtet.

Es zeige sich, urteilt Siemens-Chef Kaeser, “dass das chinesische System, was die Krisenbekämpfung angeht, westlichen Systemen überlegen war”.

Und das liegt nicht nur an den autoritären Strukturen und der Total-Überwachung per App, wie oft behauptet wird. Viele Corona-Vorschriften – wie der Mundschutz – werden freiwillig eingehalten, merkt der “Cicero” selbstkritisch an.

Auch wirtschaftlich erweist sich China als überlegen. Während die EU in der tiefsten Rezession ihrer Geschichte versinkt, zieht die Konjunktur im Reich der Mitte schon wieder spürbar an.

China werde durch Corona wirtschaftlich an Bedeutung gewinnen, meint IfW-Chef Felbermayr. Die USA und die EU fallen weiter zurück:

Zum Ende 2021 wird Amerika dort sein, wo es vor der Krise war. Die Eurozone dürfte in der Wirtschaftsleistung etwas kleiner dastehen und China wird um zehn Prozent größer sein als vor der Krise. Das heißt, dass das Land jetzt in diesen zwei Jahren mit noch größeren Schritten zu den fortgeschrittenen Volkswirtschaften aufschließt und an Bedeutung gewinnt – wirtschaftlich wie politisch.

Quelle: Rhein-Neckar-Zeitung

Heißt das nun, dass Europa den “Krieg” gegen Corona verloren hat? Nein, so weit würde ich nicht gehen. Deutschland schlägt sich vergleichsweise gut – nicht zuletzt dank der engen Verflechtung mit China.

Und die EU wäre gut beraten, die Zusammenarbeit mit China auszubauen, statt sich von den USA in einen Handelskrieg ziehen lassen. In Berlin hat man dies offenbar verstanden, Kanzlerin Merkel setzt weiter auf Kooperation.

In Brüssel sieht es dagegen so aus, als könne sich die EU durch eine falsch verstandene Geopolitik vor den Karren der USA spannen lassen. Der “Infokrieg” der letzten Monate lässt jedenfalls nichts Gutes ahnen…

Siehe auch “EU vs China: Der Infokrieg weitet sich aus”