Chronik des Versagens (X): Statistik

Wo steht Europa fast sechs Wochen nach Beginn der Coronakrise? Wir wissen es immer noch nicht – denn die EU verfügt über keine verlässliche Statistik. Dies wird nun zum Problem für die Exit-Strategie.

Einige EU-Staaten wie Deutschland, Österreich und Dänemark haben nicht nur den Ausnahmezustand gelockert. Sie beginnen auch schon, laut über mögliche Urlaubsreisen nachzudenken. Vor allem Österreich wirbt um deutsche Touristen.

Dabei gehört das angrenzende Bayern immer noch zum Hochrisikogebiet. Auch im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW gibt es besonders viele Corona-Fälle. Zudem geht die sogenannte Reproduktionszahl schon wieder in die Höhe.

Woran soll man sich beim weiteren Vorgehen orientieren: An der “flachen” Kurve der Neuinfektionen? An der Verdoppelungszeit? An der Reproduktionszahl – oder doch vielleicht an der Sterberate, die in vielen EU-Ländern (nicht nur Belgien) weiter in die Höhe schnellt?

Wir wissen es nicht. Denn es gibt keine EU-weit gültigen Kriterien, an denen die Exit-Strategie ausgerichtet werden könnte. “Wir vertrauen auf das Monitoring der Mitgliedsstaaten und darauf, dasss sie sich austauschen”, sagt der Chefsprecher der EU-Kommission.

Zum anderen gibt es immer noch keine verlässliche Statistik, auf die sich die Politik stützen könnte. Die EU verfügt zwar über ein eigenes Statistikamt (Eurostat) und eine eigene Seuchen-Präventionsbehörde (ECDC).

Doch diese beziehen ihre Zahlen von den Mitgliedsstaaten. Dabei kommt es zu massiven Verzerrungen – allein schon, weil einige Staaten wie Deutschland viel mehr COVID-19-Tests durchführen als andere, was u.a. zu niedrigeren Sterbequoten führt.

Auch die Zählung der Toten und die Meldung aus den Altenheimen ist nicht EU-weit geregelt. Auf die Idee einer Harmonisierung ist man in Brüssel noch nicht gekommen. Doch ohne gemeinsame Statistik kann es auch keine gemeinsame Exit-Strategie geben…

Siehe auch “Trumps Tote, Belgiens Quote” sowie “Chronik des Versagen IX: Exit-Strategie”

P.S. Die EU-Behörde ECDC “bemüht sich um Guidance”, sagte der Chefsprecher der EU-Kommission am 22. April. Da Gesundheitspolitik eine nationale Domäne ist, könne sie aber keine gemeinsamen Maßnahmen erzwingen. Mit anderen Worten: Die Statistik bleibt ein Riesen-Problem…