Chronik des Versagens (I): Leerverkäufe
Versagt die EU bei der Krisenbewältigung? Dies fragt die Europa-Presseschau „Eurotopics“ – und die meisten Kommentare fallen bitterböse aus. Leider zeichnet sich auch nach zwei EU-Krisengipfeln keine Besserung ab. Im Gegenteil – das Versagen geht weiter.
Zunächst aber eine Klarstellung: Es geht nicht um pauschales EU-Bashing. Es geht um die Reaktion auf die Coronavirus-Krise und ihre Folgen. Das Versagen muß gebrandmarkt werden, um es abzustellen. Das ist in dieser Krise überlebenswichtig.
Dabei ist zu beachten, dass es „die EU“ nicht gibt.
Vielmehr gilt es – wie immer – die 27 EU-Mitgliedstaaten auf der einen Seite und die EU-Institutionen (Kommission, Rat und Parlament) auf der anderen zu unterscheiden. Im Idealfall arbeiten sie eng zusammen.
In dieser Krise zeigt sich jedoch wieder einmal, dass die EU-27 nicht solidarisch, sondern egoistisch agieren. Und die Institutionen bringen es nicht fertig, die Fehler der Mitgliedstaaten zu kompensieren. Sie kritisieren sie nicht einmal.
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Doch es gibt Ausnahmen. So hat sich heute der CDU-Finanzexperte M. Ferber sehr kritisch zum Versagen der EU angesichts der wiederholten Börsencrashs geäußert. Zitat:
„Wir haben in den vergangenen Tagen an den europäischen Märkten extremeSchwankungen erlebt. Spekulanten treiben die Kurse mit Leerverkäufen immer weiter nach unten. Die Europäische Wertpapieraufsicht muss hier eingreifen“
Ganz ähnlich haben sich schon vorher Finanzexperten der Grünen und der Linken geäußert. Hintergrund sind die Wetten großer Hedgefonds auf fallende Kurse. Besonders „Bridgewater“ tut sich hervor, meldet n-tv:
Der Fonds wettet auch gegen deutsche Konzerne, die im Leitindex Dax zu finden sind. Dabei sticht SAP heraus, alleine auf den Kursverfall der Aktie des Software-Herstellers setzt Bridgewater eine Milliarde Dollar. Insgesamt summieren sich die Wetten auf deutsche Firmen auf knapp 4,9 Milliarden Dollar.
Doch beim EU-Gipfel am Dienstag waren die gefährlichen Leerverkäufe, die Finanzanlagen der Unternehmen und Bürger gefährden, kein Thema.
Offenbar hat die EU nicht einmal aus der Finanzkrise gelernt…
Siehe auch „Was die EU jetzt noch tun könnte“
Pjotr56
18. März 2020 @ 13:57
„Offenbar hat die EU nicht einmal aus der Finanzkrise gelernt…“
Ich tendiere zu der Einschätzung, dass die EU letztlich als Serviceagentur für die Interessen von Banken, Hedgefonds und Konzernen fungiert.
Hier und da schwafeln ihre Vertreter/innen von „europäischen Werten“, was sich bei näherem Hinsehen jeweils als pure Heuchelei entpuppt.
@ebo: Kannst du in ungefähr beziffern, was den eoropäischen Bürger/innen die EU mit all ihren Institutionen pro Jahr kostet?
ebo
18. März 2020 @ 14:24
Klar, die EU kostet rund ein Prozent der Wirtschaftsleistung. Das meiste Geld fließt aber über diverse EU-Fonds zurück an die Staaten, wobei Deutschland weniger zurückbekommt als es einzahlt („Nettozahler“). Die Brüsseler EU-Institutionen sind vergleichsweile billig – wie genau, kann ich bei Bedarf gerne nachschlagen.