“Europäer wollen keinen Kalten Krieg”
Die Mehrheit der EU-Bürger will nicht einen neuen Kalten Krieg verwickelt werden – weder gegen Russland noch gegen China. Sie distanzieren sich damit von den USA, fürchten aber auch eine zunehmende Verwicklung der EU.
Dies geht aus einer Umfrage des “European Council on Foreign Relations” (ECFR) hervor.
“The European public thinks there is a new cold war but they don’t want to have anything to do with it,” said Mark Leonard, a co-author of the study and ECFR director. “Our polling reveals that a ‘cold war’ framing risks alienating European voters.”
Das ist aus zwei Gründen interessant. Zum einen wird die Eindämmungspolitik von US-Präsident Biden (zu Recht) als neuer Kalter Krieg wahrgenommen – auch wenn Biden dies bestreitet.
Zum anderen macht sich der ECFR, der für eine aktivere bzw. aggressivere EU-Außenpolitik wirbt, zum Fürsprecher eines freundlicheren “Framings”.
Die EU solle lieber nicht von “kaltem Krieg” sprechen, wenn sie China angeht, sondern von Sicherung der Seefahrtswege und Förderung des Freihandels, so die unterschwellige Botschaft.
Dummerweise ist das gerade sehr schwierig geworden.
Denn Biden hat Frankreich und die EU im Indopazifik ausgebootet, und die Bürger merken sehr wohl, dass es hier um harte Interessenskonflikte geht.
Im Streit mit China sollen sich die EUropäer mit einer Nebenrolle begnügen und den USA die Führung überlassen – so die kaum verhüllte Ansage aus Washington.
Kein Wunder, dass sich die Bürger Sorgen machen. Vielleicht wäre es das Beste, eine Denkpause einzulegen und die Amis allein machen zu lassen, mit ihren neuen britischen und australischen Alliiierten.
Dann wären wir wenigstens einigermaßen sicher, nicht in den sich abzeichnenden Konflikt zwischen USA und China verwickelt zu werden…
Mehr zum Indopazifik hier
P.S. Die Kanzlerkandidaten halten sich übrigens ziemlich bedeckt, was China angeht. Nur die Grüne Baerbock pflegt eine Rhetorik, die an US-Präsident Biden und die USA erinnert. Und nur die Linken wollen sich aus dem militärischen Build-up heraushalten. Sie treffen damit am ehesten die Stimmung der Europäer…
Adrian E
22. September 2021 @ 19:36
Mir scheint, dass es durchaus sein könnte, dass dafür, dass Baerbock in der Beliebtheit abgestürzt ist, nicht in erster Linie der Lebenslauf und Pagiaten in ihrem Buch verantwortlich sind, sondern vor allem dieTatsache, dass das Zentrum der außenpolitischen Vorstellungen von Baerbock ist, dass die westlichen Länder die Guten seien, nichtwestliche Länder (ganz besonders China und Russland) die Bösen und das Ziel der Aussenpolitik darin bestehen solle, dass die westlichen Länder möglichst aggressiv von oben herab die anderen abkanzeln, Anspruch auf eine westliche Hegemonie erheben und den neuen kalten Krieg gegen China und Russland eskalieren lassen. Aussenpolitik ist ein wichtiges Gebiet, und Baerbocks Ziele widersprechen dem, was eine Mehrheit in Deutschland und Europa will, diametral. Aber in den Medien, die sich ebenfalls zum Ziel gesetzt haben, ihren Beitrag zur Eskalation des neuen Kalten Krieges zu leisten, wird man kaum etwas davon lesen, und es werden weniger plausible Erklärungen für den Absturz des anfänglichen Medienlieblings Baerbock vorgeschoben.
ebo
22. September 2021 @ 21:29
Interessanter Gedanke, danke!
european
23. September 2021 @ 08:29
@Adrian E
Sehr richtig. Es war für mich DER Grund, weshalb ich die Grünen nicht gewählt habe. Eine “harte Kante” gegenüber Russland ist das letzte, was wir gebrauchen können. Annalena Baerbock “möchte die Probleme dieser Welt lösen” konnte man im auf dem Portal der WELT lesen usw. “Ich Völkerrecht, du Schweinebauer” gegenüber Habeck, der nun deutlich mehr politische Erfahrung hat, als sie. Zumindest war er mal Landesminister und stellvertretender Ministerpräsident.
Habeck und Baerbock waren nie gleich qualifiziert. Es musste unbedingt eine Frau als Kanzlerkandidatin her und das war der Grund für ihre Nominierung ohne Gegenkandidat.
Vieles, was sie bezüglich Energie und Umweltschutz sagt, hat durchaus Hand und Fuß. Viele andere Dinge, die in einem Kanzleramt deutlich wichtiger sind, wirken unreif, überheblich und zeugen oft von absoluter Ahnungslosigkeit und Selbstüberschätzung Dafür ist das Amt aber zu wichtig. Deshalb schied sie für mich bereits vor den vergleichsweise lächerlichen Affairen um Buch und CV aus.
Um es noch deutlicher zu sagen: Ich will auch nicht, dass Deutschland in Europa wieder eine Führungsrolle übernimmt. Das hatten wir in den letzten 16 Jahren und das hat weder Deutschland noch Europa gutgetan.