Gefährliches Chicken game
Wie lange will sich die EU noch von Sultan Erdogan provozieren lassen? Diese Frage beschäftigt viele Europäer, doch sie erhalten keine Antwort aus Brüssel. Denn Berlin gibt den Kurs vor – und Kanzlerin Merkel spielt ein riskantes Chicken game.
Die EU sollte endlich reagieren und die Beitrittsverhandlungen abbrechen oder wenigstens rote Linien ziehen, meint eine Mehrheit der Bürger – auch in meiner aktuellen Umfrage zum Thema Türkei.
Doch die EU hat in dieser Krise längst abgedankt. Dies hat die Eskalation in den Niederlanden in der vergangenen Woche gezeigt: Trotz verbaler Solidarität hat sich am EU-Kurs kein Jota geändert.
Die Führung liegt, wie in vielen anderen Fragen auch, in Berlin. Und dort hat man nicht vor, dem Beispiel der Niederlanden zu folgen und klare Kante zu zeigen, wie der CDU-Außenpolitiker Röttgen betont.
Deutschland habe eine größere Verantwortung als Holland und müsse an die Folgen für ganz Europa denken, sagte Röttgen ohne falsche Bescheidenheit bei „Anne Will“. German EUrope rules!
Wer ausweicht, verliert
Doch worauf läuft das Ganze dann hinaus? Will man so lange warten, bis Erdogan endgültig die Macht an sich reißt und die Todesstrafe wieder einführt? Oder bis nach der Bundestagswahl in Berlin?
Nobody knows. Vermutlich weiß es Merkel selbst nicht. Klar ist nur eins: Die Kanzlerin hat sich mit dem Sultan auf ein riskantes Chicken game eingelassen. Wer zuerst ausweicht, verliert!
Und so rasen zwei Wagen ungebremst aufeinander zu, ein Frontal-Zusammenstoß (etwa in Griechenland) wird mit jedem Tag wahrscheinlicher. Denn es kommt noch ein beunruhigender Aspekt hinzu.
Madman Erdogan
Erdogan ist offenbar ein Anhänger der Madman-Theory. Sie wurde von Ex-Präsident Nixon entwickelt und sollte die Welt davon überzeugen, dass der US-Präsident unzurechnungsfähig sei.
Erinnert verdammt an Trump, oder? Die USA wollen mit ihrem „irrationalen“ Benehmen ihre Gegner einschüchtern und abschrecken. Erdogan will Deutschland und Europa erpressen.
Wenn diese Theorie stimmt, dann geht es längst nicht mehr nur um die geplante Machtergreifung, um die Erdogan angeblich zittert und kämpft. Es geht um mehr, um weit mehr…
Foto: picjumbo
Sny030
22. März 2017 @ 22:16
Das so böse, böse german Merkel-Europe soll nun also im Namen Europas den Türken den Krieg erklären? So ein Quatsch…
kaush
21. März 2017 @ 16:41
„Will man so lange warten, bis Erdogan endgültig die Macht an sich reißt und die Todesstrafe wieder einführt? “
So lange er nicht mit 100% der Stimmen „gewählt“ wird, wie unser Martin, ist doch alles Ok…
Im Ernst: Erdogan möchte ein Präsidial-System einführen, dass dem der USA, oder dem in Frankreich nicht so unähnlich ist.
Ebo, warum schreit hier keiner Zeter und Mordio, wenn in Frankreich Gesetze am Parlament vorbei, per Dekret durchgedrückt werden?
Oder wenn der Ausnahmezustand in Frankreich immer wieder verlängert wird?
Das ist Ok? Es lebe der Doppelstandart.
Zur Todesstrafe: Seit 1976 in den USA hingerichtete: 1.436
Aktuell sitzen in Todeszellen: 2.943
https://de.wikipedia.org/wiki/Todesstrafe_in_den_Vereinigten_Staaten
Zuzüglich Tausender illegaler Tötungen, durch Obama persönlich abgesegnet.
Alles kein Problem?
Ich glaube, dass bei einigen Leuten der Kompass ganz schön verrückt spielt.
Erdogan ist mir höchst unsympathisch. Schon lange. Aber ich lebe nicht in der Türkei, also ist das kein Problem für mich.
Das sich Merkel von so einem transatlantischen Thinktank auf dieses Pferd namens Flüchtlings-Deal hat setzen lassen, dass ist ein Problem. Für mich und für ganz EUropa.
Peter Nemschak
21. März 2017 @ 08:41
Zumindest bis zum Referendum in der Türkei ist es im Interesse Europas sinnvoll nichts zu unternehmen, um die von Erdogan gewünschte Opfersituation nicht zu fördern. Danach wird die CDU/CSU eine Entscheidung über die weitere Vorgangsweise treffen, welche die Wahlchancen der Kanzlerin optimiert. So ist es nun einmal in einer ressentimentgeladenen Massendemokratie, die mit der leichten Erregbarkeit und Wankelmütigkeit der Wähler rechnen muss. Heutzutage kann ein mittlerer Terroranschlag oder eine über die sozialen Medien verbreitete Fake News Wahlergebnisse beeinflussen, was die Arbeit der Politiker und der Meinungsforschungsinstitute erschwert.