Deutschland blamiert sich: Nicht ‘mal in London und Brüssel kann man wählen
Die Bundestagswahl wird vom Chaos beim Briefversand überschattet: Viele Auslandsdeutsche haben ihre Wahlunterlagen nicht erhalten. Wird das Ergebnis angefochten?
Das dürfte ein Nachspiel haben: In Brüssel, London, Washington und vielen anderen großen Städten haben die Auslandsdeutschen ihre Wahlunterlagen nicht rechtzeitig erhalten und können daher keine Stimme abgeben.
In London ist sogar der deutsche Botschafter betroffen. In Brüssel trifft es viele deutsche EU-Bedienstete. Das ist besonders peinlich – denn es führt zur Enthaltung wider Willen, dem verlachten “German vote”.
Schuld ist ein Streik bei der belgischen Post. Der Ausstand begann just in der kritischen Zeit vor einer Woche, als die Wahlunterlagen bei den ca. 45.000 Deutschen in Belgien eingehen sollten – und endete erst am Mittwoch.
Anfechtung der Wahl denkbar
___STEADY_PAYWALL___
Aber auch der späte deutsche Briefversand spielt eine wichtige Rolle, wie viele Beispiele aus anderen Ländern zeigen. Offenbar war die Wahl schlecht organisiert. Ich gehe daher aus, dass es Beschwerden geben wird.
Wenn es beim Wahlergebnis “spitz auf Knopf” stehen sollte – eine Partei scheitert haarscharf an der Fünf-Prozent-Hürde – wäre sogar ein Anfechtung der Bundestagswahl denkbar.
Denn dann käme es ja auch auf die Stimmen aus dem Ausland an…
Mehr zur Bundestagswahl hier, zur Lage in Belgien hier (Belgieninfo) und Update hier
P.S. Die Bürger vieler anderer EU-Länder können in ihrer Botschaft in Brüssel wählen. Warum macht es nicht auch Deutschland so? Warum interessiert man sich in Berlin nicht für seine “Expats”? Ich konnte übrigens auch nicht wählen…
Monika
24. Februar 2025 @ 21:40
Anfechtung der Wahl denkbar…
so, jetzt steht es tatsächlich spitz auf Knopf, 4,972%, viel spitzer auf Knopf geht nicht. Müsste dann wohl auf Wahlwiederholung hinauslaufen, denn eine „Nachwahl“ derjenigen die ihre Stimmen nicht abgeben konnten, ist mit dem Wissen um die Folgen einer minimalen Änderung des Wahlergebnisses eher nicht „korrekt“. Gibt es für solche Fälle Handreichungen oder sogar Präzedenzfälle?
Am wahrscheinlichsten ist schlichtes Aussitzen, Motto Pech gehabt mit der Stimmabgabe, da wird das Fass jetzt nicht nochmal aufgemacht…
Erinnert ein wenig an die „gestohlene“ Wahl von Trump 2020
Arthur Dent
23. Februar 2025 @ 17:29
@Thomas Damrau
Die amtierende Regierung hat die Notbremse gezogen, weil sie die 5 Mrd. nicht gefunden hat, um das Haushaltsloch zu stopfen. Jetzt wird man wohl noch eine oder zwei Nullen dranhängen müssen. Europa wartet auf deutsche Führung…
Titi
23. Februar 2025 @ 10:48
Das wird ein Nachspiel haben.
Michael
23. Februar 2025 @ 09:44
Ist man dann ein „Nichtwähler“?
Kleopatra
23. Februar 2025 @ 09:17
Als vor einigen Monaten bei der Wahl in Moldau die Stimmen der Wahlberechtigten im Ausland entscheidend waren, haben Sie das in diesem Blog kritisiert. Jetzt sehen Sie es als einen Grund für eine Wahlanfechtung an, wenn die Stimmen von Deutschen im Ausland nicht abgegeben werden können und dies die Wahl beeinflusst? Die Gegebenheiten vor Ort (Streikrisiko bei der belgischen Post) sind nichts, worauf deutsche Stellen einen Einfluss haben. (Anders bei der letzten Wahl in Berlin, wo nichts die Berliner Verwaltung gehindert hätte, den Stadtmarathon an einem anderen Termin abzuhalten).
Die Bundestagswahl war so gut und schlecht organisiert wie alle anderen. Anders war nur die kurze Vorlaufzeit, und die ergab sich zwingend aus der Verfassung (den dort vorgesehenen Fristen) – dies führte dazu, dass erst Ende Januar die Kandidaten feststanden und dementsprechend erst einige Tage später Stimmzettel gedruckt und verschickt werden können. Es gibt die Möglichkeit, sich Stimmzettel/Wahlunterlagen an die zuständige Botschaft schicken zu lassen (auch die Rücksendung der Wahlbriefe kann per diplomatischem Kurierdienst erfolgen). Die schwerwiegendste Komplikation besteht in Deutschland darin, dass jeder Wahlberechtigte an einem konkreten Ort wahlberechtigt ist (sonst könnte die Erststimme keinem Wahlkreis zugeordnet werden). Deshalb ist für jeden Wahlberechtigten eine deutsche Gemeinde zuständig und es gibt kein zentrales Register. Wegen der Einteilung in Wahlkreise kann auch nicht in den Botschaften vor Ort gewählt werden, da diese für alle 299 Wahlkreise Materialien vorhalten müssten. Die Deutschen in Brüssel hatten diesmal einfach Pech; hätte man von dem Streik rechtzeitig gewusst, hätte es genügt, sich die Unterlagen an die Botschaft schicken zu lassen.
Möglich wäre die Einrichtung eines oder mehrerer Wahlkreise für Deutsche im Ausland. Dafür ist Deutschland wohl noch nicht kosmopolitisch genug eingestellt 😉
ebo
23. Februar 2025 @ 10:53
Sie wollen doch wohl nicht im Ernst das größte EU-Land Deutschland mit der ärmsten europäischen Provinz in Moldau vergleichen?
In Moldau lebt fast jeder sechste Wahlberechtigte im Ausland, in Deutschland schätzungsweise jeder 25. 🙂
Thomas Damrau
23. Februar 2025 @ 07:42
Dafür müssen wir Verständnis haben: Wenn wir erst im Merz gewählt hätten, hätte Deutschland noch länger auf die genialen Konzepte des Kandidaten März warten müssen (irgendwas scheint mir hier falsch zu sein …), der uns mit Steuersenkungen für Reiche, durch das dadurch explodierende BIP und den folgenden Trickle-Down auf die weniger Begüterten zurück ins Paradies führen wird.
Da müssen halt mal ein paar Stimmen-Späne unter den Tisch fallen …
KK
23. Februar 2025 @ 17:44
„die genialen Konzepte des Kandidaten März“
Zum Wahlkampfabschluß hatte Merz nochmal derart gegen Grüne und Linke gewettert, dass es diesen äusserst schwerfallen dürfte, mit ihm in eine Koalition eintreten zu wollen. Falls es für eine GroKo aus Union und SPD nicht reichen sollte, dann bleiobt ihm nur die AfD… und er ist nicht dumm, er weiss das!
umbhaki
23. Februar 2025 @ 22:28
Schwerfallen?
Keine Sorge, die sind da schmerzfrei. Wenn’s um Pöstchen geht …
KK
23. Februar 2025 @ 23:52
@ Umbhaki:
Schon klar… nur, dass das Mitregieren sowohl für SPD als auch für die Grünen bereits jetzt einen weiteren Stimmenverlust bei den kommenden Wahlen bedeuten wird.
Ich hatte Merz Bemerkungen gegen Links eher so verstanden, als rolle er der AfD damit schon mal den schwarz-braunen Teppich aus… ob nun als Druckmittel gegen andere mögliche Koalitionspartner, damit er seine Agenda weitgehend durchgeboxt bekommt, oder als realistische Option ist erst mal nebensächlich – Merz spielt ja nicht zum ersten Mal damit… programmatisch ist ja auch niemand näher an der Merz-CDU als die AfD – bei weitem nicht!
european
23. Februar 2025 @ 07:25
“Die Bürger vieler anderer EU-Länder können in ihrer Botschaft in Brüssel wählen.”
So ist es. Botschaften und Konsulate sollten Wahllokale bereitstellen. Sie haben auch die Listen der Bürger, die ihren Botschaften zugeordnet sind. Italiener erhalten Wahlunterlagen automatisch (!!!). Sie müssen weder einen Antrag auf Eintrag ins Wahlregister stellen noch irgendetwas anfordern.
Wir hatten diesmal wohl Glück. Die Unterlagen kamen am 14. Februar an und wurden Montag mittag von der Post abgeholt. Der Tracker gestern zeigte, dass sie in der Zustellung des Postleitzahlbezirkes waren. Knapp, aber immerhin. Bei der EU Wahl verbrachte unsere Post 2 Wochen in Customs. Das war zu spät.
Ich habe gelesen, dass 4 Mio. Auslandsdeutsche wahlberechtigt sind. Das ist eine ernstzunehmende Zahl, die bei diesen knappen Wahlergebnissen ausschlaggebend sein könnte, wie Sie oben auch sehr richtig geschrieben haben. Betrifft uns nicht, aber ketzerisch gesprochen könnte unter den Auslandsdeutschen einiges Wählerpotenzial für die AfD stecken, denn so mancher hat Deutschland wegen Unzufriedenheit mit dem System verlassen.
Ein Schelm ist, wer Böses dabei denkt 😉
Skyjumper
23. Februar 2025 @ 12:34
Ich bin der Schelm 😉
Allerdings sehe ich hier, selbstverständlich nur wenn ich den Alu-Hut aufsetze, die wohlvorbereitete „Rumänisierung“ der heutigen Wahl. Wo kämen wir denn da hin wenn „Mutti“ aus dem Ruhestand anruft, die Rückgängigmachung des eines unliebsamen Wahlergebnisses verlangt, und …… es gäbe kein Schlupfloch. Nun ist es da. In Scheunentorgröße.
Es gibt eigentlich nichts mehr was ich diesen infamen Demokratiezerstörern in unserer Parteienoligarchie nicht zutrauen würde.