CDU und AfD sägen gemeinsam an EU-Umweltgesetz
Das Europaparlament will den Schutz der Wälder auf die lange Bank schieben und eine EU-Verordnung weiter abschwächen. Die Konservativen lassen sich dafür von den Rechten unterstützen – ein Präzedenzfall?
Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmte für eine Verschiebung der sog. Entwaldungsverordnung sowie für zusätzliche, bisher nicht vorgesehene Ausnahmeregeln. Nun werden neue Verhandlungen mit den 27 EU-Staaten fällig.
Die Mitgliedsländer hatten sich bereits im Oktober dafür ausgesprochen, die Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten um ein Jahr aufzuschieben. Das Europaparlament geht nun aber noch weiter.
So soll eine Kategorie von Nicht-Risiko-Ländern eingeführt werden. Für Produkte dieser Länder würden weniger strenge Regeln gelten. Auch Deutschland würde in die Kategorie “ohne Risiko” fallen.
“AfD ausschlaggebend”
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Verantwortlich dafür ist die konservative Europäische Volkspartei, der auch CDU/CSU angehören.
Sie hat sich für die Änderungen stark gemacht und diese nun auch mit den Stimmen von Liberalen, Rechtspopulisten und AfD-Politikern durchgesetzt – sehr zum Ärger der anderen Parteien.
Zum ersten Mal habe die EVP bei einem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren gemeinsame Sache mit den Rechten gemacht, hieß es bei Sozialdemokraten und Grünen. Besonders laut protestierte der SPD-Abgeordnete René Repasi:
“Mit den ausschlaggebenden Stimmen der AfD zusammen mit anderen Rechtspopulisten wurde die pro-europäische Allianz, die sich nach den Europawahlen zur Wahl von Frau von der Leyen als Kommissionspräsidentin gebildet hatte, vor den Kopf gestoßen.“
Was sagt Merz dazu?
Die Verhandlungsführerin der EVP, die CDU-Abgeordnete Christine Schneider, wies die Vorwürfe zurück. „Ich habe nicht mit der extremen Rechten gespielt“, sagte sie. „Wir sind alle ins Parlament gewählt worden, um unsere Arbeit zu machen“, fügte sie hinzu. Das Parteibuch dürfe dabei keine Rolle spielen.
Ob das ihr Parteichef Merz auch so sieht? Vor der nun anstehenden Bundestagswahl behauptet er, es gebe in der CDU einen strikten Trennungsstrich zur AfD…
P.S. Die Rechts-Allianz war nicht die einzige Besonderheit bei diesem Votum. Es gab auch Probleme mit den Wahlmaschinen…
Siehe auch “Nun bröckelt die Brandmauer auch in Straßburg” und “VDL 2.0 steht auf der Kippe” (Newsletter)
Chaos in the European Parliament pic.twitter.com/RFf6TBIwen
— Fidias (@Fidias0) November 14, 2024
KK
15. November 2024 @ 13:34
“Vor der nun anstehenden Bundestagswahl behauptet er [Merz], es gebe in der CDU einen strikten Trennungsstrich zur AfD… ”
Ja, Friedrich “IM Blackrock” Merz behauptet auch, er gehöre zur Mittelschicht – als Multimillionär mit u.a. zwei Privatflugzeugen im Hangar…
Er ist wieder da, der Baron von Merzhausen.
Arthur Dent
15. November 2024 @ 11:32
Haben nicht 140 Länder auf der Klimakonferenz 2021 in Glasgow die Null-Abholzung für 2030 ins Auge gefasst? Brasilien hat 2023 gegenüber 2022 die Abholzung um 60 Prozent reduziert.
Welche Auswirkungen haben solche Verordnungen eigentlich auf das Mercosur-Abkommen.
Die betroffenen Produkte kommen dann wohl auf vielen Umwegen in die EU. Es wird für die Verbraucher alles teurer.
Aber die „Ungewählte“ handelt immer nach dem Motto: Spieglein, Spieglein… Wer ist die Schönste und Moralischste auf der ganzen Welt?
Wie viele Bäume müssen wohl ihr Leben aushauchen für die vielen Verträge und Nachweise?
(Und warum reicht eigentlich die Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung nicht mehr aus)?
Stef
15. November 2024 @ 09:39
Wer glaubt, dass es zwischen dem politischen Mainstream und der AfD sowie den anderen europäischen Rechtsparteien Marke Meloni und LePen so etwas wie eine politische Brandmauer gibt, der glaubt vermutlich auch noch an den Weihnachtsmann.
Das ist politische Kulissenschieberei und Wahlkampftaktik, um dem politischen Konkurrenten Stimmen abzujagen. Mehr nicht. Programmatisch stehen sich hierzulande z.B. die Unionsparteien und die AfD extrem nahe.
Die Bruchlinien verlaufen heute an anderen Stellen, dort sind dann auch die ominösen “Brandmauern” zu finden. Zwischen den Vertretern eines bedingungslosen Transatlantizismus und denjenigen, die sich vom Primat der USA lösen wollen. Zwischen den Interessensträgern des Großkapitals und denjenigen, die den umfassenden Einfluss des großen Geldes auf die Politik zurückdrängen wollen. Zwischen den Vertretern des sinkenden ancient regime (aka EU) und denjenigen, die die Stukturen änden wollen.
Diese Trennlinien verlaufen inzwischen tatsächlich nicht mehr sortenrein zwischen rechts und links. Bei Parteien, wie der AfD und der BSW wird sich in den nächsten Jahr noch zeigen müssen, welche Richtung sich betreffend der o.g. Trennlinien durchsetzt.
By the way: Interessant an der sich abzeichnenenden neuen Regierung Trump ist, dass sie sich betreffend der spezifischen Bruchlinien in der US-Politik in einigen fundamentalen Punkten Richtung Änderung aufstellt, ein echter Politikwechsel. Ein Umstand, den es in den USA schon sehr lange nicht mehr gab. Ob ein solcher Politikwechsel in der EU und in Deutschland überhaupt möglich wäre, bleibt abzuwarten. Ich bin da sehr skeptisch, Demokratie hin oder her.
ebo
15. November 2024 @ 09:51
Das sehe ich ähnlich. Interessant ist dieser “Fall” aber aus zwei Grünen: Zum einen tut die CDU in Berlin so, als werde sie NIE mit der AfD kooperieren, was offensichtlich nicht stimmt.
Zum anderen führen die Konservativen im Europaparlament die Grünen und die Sozialdemokraten vor. Letztere haben von der Leyen nur unter der Prämisse im Amt bestätigt, dass es keine Zusammenarbeit mit den Rechten gibt.
Nun gibt es sie doch. So what?
Stef
15. November 2024 @ 12:41
Unterhalten wir uns nicht über die machtpolitische Dummheit der Roten und Grünen, sonst fange ich aus Verzweiflung wieder an an den Weihnachtsmann zu glauben. Sie lassen sich am Nasenring durch die Manege führen und werden m.E. von dam Kakao auch noch trinken.
Ein pikantes Detail nach dem Ende der Ampel wird für meine Begriffe noch unterbelichtet: Die SPD hatte sich die lächerliche temporäre Stabilisierung des Rentenniveaus auf 48 % als Kernforderung an die Ampel auf die Fahnen geschrieben. Jetzt ist die Ampel durch und die SPD steht ohne irgendeine Aussicht auf Mehrheiten in dieser Frage im Regen da. Noch epochaler kann man in machttaktischer Hinsicht wohl nicht scheitern. Die Frage, die man sich in der SPD stellen sollte ist doch: Haben das unsere neoliberalen Spitzengenossen eigentlich absichtlich vergeigt? Weil rein handwerklich kann man sich dieses Desaster nicht mehr erklären….
Helmut Höft
15. November 2024 @ 09:37
Arbeitsplätze, Rendite Waxxthum: Yeah! Wald, Umwelt, Biodiversivität: Das hindert nur, das kann weg!
Neusete Meldung aus der – angeblich doch so a) entweder ahnungslosen oder b) uneinigen – Wissenschaft: Wir steuern auf ein neues Ziel zu: + 2,6° Prost! *hicks*
Karl
15. November 2024 @ 08:50
Ist natürlich nur ne‘ Einbildung, dass wir das Wald haben, die Änderungen sind nicht menschengemacht, und der Waldschutz beruht auf Ideologie …
Kleopatra
15. November 2024 @ 08:47
Die EntwaldungsVO ist letztlich ein Versuch, durch wirtschaftliche Sanktionen andere Länder zu bestimmtem Verhalten zu zwingen. In anderen Kontexten sind Sie doch strikt gegen Sanktionen und halten sie für wirkungslos?
ebo
15. November 2024 @ 09:18
Es geht nicht um Sanktionen, sondern um Einfuhr- bzw. Verkaufsverbote. Aber es stimmt, damit greift die EU in die Wirtschaft anderer Länder ein.
Die USA und Brasilien haben dagegen protestiert – deshalb wird die Regulierung ja auch um ein Jahr aufgeschoben.
Sie noch weiter zu verwässern, macht jedoch keinen Sinn – es sei denn, man wählt CDU, CSU, FDP oder AfD und glaubt, in Deutschland sei die Welt bzw. der Wald noch in Ordnung 🙂
Stef
15. November 2024 @ 09:43
@ Kleopatra: Einigen wir uns darauf, die Sanktionen gegen Russland, Iran und China sowie die Entwaldungs-VO u.ä. zurückzunehmen? Kaufen wir wieder russisches Gas und stehen wieder für unsere strategischen kritischen Infrastrukturen ein? Verteidigen wir unseren Handel mit China gegen den Kriegskurs der USA? Das wäre ein beträchtlicher Fortschritt im Diskurs.