Brüssel filtert das Internet – Straßburg rügt Polizeigewalt

Nach der Datenschutzgrundverordnung, die vor allem lästige „Cookie“-Warnungen gebracht hat (aber kaum mehr Datenschutz), knöpft sich die EU nun auch das Urheberrecht vor. Wird das Internet endgültig kaputt gemacht?

Das fürchten Kritiker wie die grüne Europaabgeordnete Julia Reda. Sie spricht von einem „Angriff auf das freie Internet“. Kritik kommt auch von den Sozialdemokraten. Sie stoßen sich an den geplanten „Upload-Filtern“ und fordern Nachbesserungen.

Doch Digitalkommissar Ansip versucht, die Wogen zu glätten. Der ursprüngliche, noch vom deutschen EU-Kommissar Oettinger (CDU) vorgelegte Entwurf sei zwar besser gewesen, räumt er ein.

Doch das World Wide Web bleibe offen und frei. Für Ansip schafft die Reform die beste aller virtuellen Welten: Sowohl Internet-Plattformen als auch die Verbraucher und Unternehmen würden profitieren.

Doch sobald es konkret wird, gerät Ansip ins Schleudern. Wie Internet-Plattformen und Verlage künftig Geld von YouTube, Google & Co. eintreiben sollen und wie es dann zu den Autoren gelangt, kann er nicht erklären.  

Und was ist mit den geplanten Upload-Filtern für Videos und andere Inhalte, die ins Internet hochgeladen werden? Offiziell gibt es die gar nicht, beteuern Ansips Mitarbeiter. Das sei alles nur Panikmache.

Tatsächlich taucht der vergiftete Begriff in Artikel 13 der Copyright-Reform nicht auf. Doch wie man ohne Filter sicherstellen will, dass beim Hochladen die Rechte der Autoren gewahrt werden, bleibt im Dunkeln.

In der Brüsseler Behörde ist die Rede von „technologischen Mitteln“, die sich jede Plattform selbst aussuchen könne. Doch selbst auf mehrfache Nachfrage wird nicht klar, was damit gemeint ist.

Gibt es denn überhaupt andere technische Lösungen als Filter? Müssen die Internet-Plattformen improvisieren – oder den Zugang für kleine Produzenten ohne große Rechteverwerter dicht machen?

Schon zu Beginn der Reform wurden diese Fragen gestellt. Nun, viele Monate und eine gewaltige Lobbyschlacht später, gibt es immer noch keine Antwort. Und so geht der Streit in die nächste Runde. 

Der Kompromiss wird nun dem Plenum des Europaparlaments zur Abstimmung vorgelegt. Die endgültige Verabschiedung spätestens im April geplant, also rechtzeitig vor der Europawahl Ende Mai.

In Brüssel hofft man wohl, dass die Internet-Community bis dahin vergessen haben wird, was die „Reformer“ angerichtet haben. Dabei verlieren Geeks wie Sascha Lobo schon jetzt den Glauben an die EU

WATCHLIST:

  • Wer rüstet am schnellsten auf? Das dürfte sich heute zeugen, wenn das Internationale Institut für Strategische Studien (IISS) seinen Jahresbericht über Militärausgaben vorlegt. Vor dem Hintergrund der hitzigen Debatte um nukleare Mittelstreckenraketen birgt das Sprengstoff. Die Nato robbt sich schon an die nächste „Nachrüstung“ heran, und die USA und Israel bereiten sich auf einen Krieg mit Iran vor. Ausgerechnet Polen gab beiden Ländern ein Forum, mehr dazu hier

WAS FEHLT:

  • Die Resolution des Europaparlaments gegen „exzessive“ Polizeigewalt etwa gegen die Gelbwesten in Frankreich, aber auch anderswo. Die Linke hatte den Antrag eingebracht, scheiterte aber mit ihrem Versuch, auch bestimmte Waffen wie den in Frankreich eingesetzten Gummigeschoss-Werfer LBD 40 zu brandmarken. Derweil sinkt bei den Franzosen die Unterstützung für die Gelbwesten. Sie hätten ihre ursprünglichen Ziele verraten und sollten endlich Ruhe geben, heißt es.