Brüssel sieht schwarz: “Reisebann verlängern”
Ist die Coronakrise doch ernster, als wir bisher annahmen? Und hat die EU-Kommission doch mehr Macht, als ihr zusteht? Die neueste Meldung aus Brüssel gibt zu denken.
Kommen wir gleich zur Sache:
Die Kommission hat heute die Schengen-Mitgliedstaaten und die assoziierten Schengen-Länder aufgefordert, die vorübergehende Beschränkung von nicht unbedingt notwendigen Reisen in die EU bis zum 15. Mai zu verlängern.
EU-Kommission
Zur Begründung heißt es:
Die Bewertung der derzeitigen Lage durch die Kommission zeigt, dass die Zahl der neuen Infektions- und Todesfälle in der gesamten EU weiter zunimmt und dass sich die Pandemie außerhalb der EU weiter ausbreitet, darunter in Ländern, aus denen jedes Jahr Millionen von Menschen in die EU reisen. Vor diesem Hintergrund ist eine Verlängerung der Reisebeschränkung notwendig, um das Risiko einer weiteren Ausbreitung der Krankheit zu verringern.
Das klingt nicht gut. Jedenfalls nicht nach Entspannung.
Tatsächlich hat die Zahl der Todesfälle in Frankreich und Spanien zuletzt wieder zugenommen. Auch in Deutschland gibt es noch keine Entwarnung.
Insgesamt gibt es in Europa schon 58.000 Corona-Tote, meldet “Le Monde”. Die Hoffnung auf ein Überschreiten des Höhepunkts habe sich nicht erfüllt, eine Trendwende sei nicht erkennbar.
Soit. Aber bisher wurde – zumindest in Deutschland – die Hoffnung genährt, dass es nach Ostern besser werden könne. Und bisher lag die letzte Entscheidung in Berlin, nicht in Brüssel.
Doch von der Leyen scheint das nicht zu kümmern. Sie will endlich aus der Defensive kommen. Das wäre auch dringend nötig, wenn sie die EU noch retten will.
Dennoch: Mich überzeugt die Kommissions-Empfehlung nicht. Die Mitteilung wirkt eher beunruhigend, denn:
- Sie war nicht angekündigt. Im Gegenteil: Eigentlich wollte Kommissionschefin von der Leyen heute einen “Exit-Plan” bekanntgeben, also eine Lockerung der Notmaßnahmen.
- Es ist unklar, was die Brüsseler Behörde zu so einer Empfehlung befugt. Reisebeschränkungen sind Sache der Mitgliedstaaten, auch Grenzschließungen werden national beschlossen.
- Last but not least fehlt jeder Hinweis darauf, wann und unter welchen Umständen eine Lockerung denkbar wäre. Welche Kriterien werden herangezogen, um uns unsere Reise-Freiheit zurückzugeben?
Heute ist nur eins klar: Aus Brüssel kommen keine guten Nachrichten…
Siehe auch “Sie reden von Exit” und “Wann endet dieser Alptraum – und wie?”
P.S. Als von der Leyen den Einreisebann im März erstmals vorschlug, hatte sie noch die Hoffnung, so die Schließung der Binnengrenzen rückgängig zu machen. Sie ist gescheitert, heute ist davon keine Rede mehr…
Immer locker bleiben
9. April 2020 @ 12:05
Nachricht aus Österreich: “Reisefreiheit wie vor der Krise wird es laut der Regierung länger nicht mehr geben. Köstinger (zuständige Ministerin) rief deshalb zu Urlaub in Österreich auf.” (Der Standard 9.4. S.1). Fakt ist, dass 73% der 152 Millionen Übernachtungen in 2019 von Ausländern gebucht wurden. (S.2) (Das liegt wahrscheinlich daran, dass außerhalb Österreichs so viele Menschen leben.) Würden die Österreicher nur noch Urlaub zu Hause machen, “stünde da ein gewaltiger Topf zur Verfügung.” Meine Fragen: Erstens, lassen sich die Menschen dermaßen bevormunden? Zweitens, wer zahlt den Österreichern das Geld, um all die Ausländer zu ersetzen? Drittens, wenn es so kommt, wer macht dann die Arbeit in den Gaststätten, Campingplätzen und Hotels?
Kleopatra
9. April 2020 @ 05:17
Von der Leyen versucht einfach verzweifelt, das vorzuschlagen, was die Mitgliedstaaten ohnehin tun werden (und zwar ohne irgendwelche Vorschläge der Kommission abzuwarten oder zu berücksichtigen), um zu vertuschen, dass sie bei der Lösung dieser Fragen vollkommen irrelevant ist. Niemand wartet darauf, was die Kommission sagt; alle sind hektisch aktiv und schauen allenfalls darauf, was der Nachbar macht. (Ich würde mich zum Beispiel nicht wundern, wenn die Ausgangsbeschränkungen in Deutschland nach österreichischem Vorbild gelockert würden, aber hektisch im Schweinsgalopp und mit einer Woche zeitlichem Abstand zum kleinen Nachbarstaat.)
Wenn, wie vermutet, vdL nur versucht, relevant zu wirken, kann man ihren Verlautbarungen nur entnehmen, was sie als vermutliches Ergebnis der Politik ansieht, die an ihr vorbei gemacht wird. D.h. im Grund ist sie im Augenblick nicht viel mehr als eine (ausgeprochen gut bezahlte) politische Kommentatorin.