Brüssel redet schon wieder von „exzessiven Defiziten“
Die Coronakrise ist noch nicht vorbei, der wirtschaftliche und finanzielle Schock kommt erst noch. Doch die EU-Kommission redet schon wieder von „exzessiven Defiziten“ – und empfiehlt neue neoliberale Reformen.
Eigentlich ist alles wie immer. Obwohl die EU unter dem Druck der Coronakrise ihre strikten Defizitregeln ausgesetzt hat, prüft sie immer noch die Neuverschuldung der Eurostaaten. Und obwohl der Neoliberalismus gescheitert ist, hängt ihm Brüssel immer noch nach.
Dies zeigt die jüngste Übung im Rahmen des „Europäischen Semsters“, mit dem die EU-Kommission die Wirtschafts- und Finanzpolitik koordinieren will. Neuerdings ist – als rotgrünes Alibi – auch noch die Klima- und Sozialpolitik hinzu gekommen.
Doch obwohl nun auch Sozialkommissar Schmit auf die Pressebühne treten darf, gibt immer noch Vizepräsident Dombrovskis den Ton an, der als fiskalpolitischer Hardliner gilt. Das Coronavirus sei „wie ein Asteriod“ eingeschlagen, sagt er.
Doch die EU-Dogmen hat dieser Einschlag offenbar nicht erschüttert. Neben Investitionen ins Gesundheitswesen und in den Erhalt von Jobs gehe es jetzt auch um eine Verbesserung der Produktivität und des Geschäftsklimas, sagt Dombrovskis.
„Wenn es die Umstände wieder erlauben, müssen wir ein Gleichgewicht finden zwischen finanzieller Stabilität und der Belebung von Investitionen.“ Und was heißt finanzielle Stabilität? Natürlich – wie immer – Abbau von Defiziten!
Die EU-Kommission hat sogar schon die passenden Länderberichte angefertigt. Ganz besonders hat sie „France, Belgium, Cyprus, Greece, Italy and Spain“ auf dem Kieker – also die üblichen Verdächtigen. Es ist alles wie immer.
Einziger Unterschied: Vorerst will Brüssel kein neues Defizitverfahren einleiten. Stattdessen will die EU-Kommission mehr Druck auf die „Defizitsünder“ machen, die üblichen neoliberalen „Reformen“ einzuleiten.
Doch sobald sich die Krise legt, das macht Dombrovskis klar, wird es wieder um den Abbau der Schulden gehen. Man muß kein Hellseher sein, um zu prophezeien, dass dann Italien und Frankreich unter Druck kommen…
Siehe auch „Isch over“
P.S. Auf Nachfrage kündigt Dombrovskis schon mal das Ende der „General Escape Clause“ vom Stabilitätspakt an. Sobald die Krise vorbei ist, sollen die Stabilitätsregeln wieder gelten. Nur ein Datum nennt er noch nicht…
European
20. Mai 2020 @ 12:42
Warum sollten die Nettozahler Frankreich und Italien sich solidarisch mit Nettoempfänger Litauen zeigen?
Aber es war absehbar, dass die Austerity-Anhänger wieder Aufwind bekommen. Nichts verschwindet im Nichts.
Kleopatra
20. Mai 2020 @ 14:37
Dombrovskis ist nicht Litauer, sondern Lette; und Frankreich sowie Italien würden nach dem Macron-Merkel-Plan, der anderswo besprochen wird, zu Nettoempfängern. Dass verschiedene Länder oder auch Regionen verschiedene materielle Interessen haben, ist freilich nichts Neues und war schon vor COVID-19 so. M.E. vertritt Dombrovskis nur die Position, die er als fachlich zuständiges Kommissionsmitglied vertreten muss. Die wirtschaftspolitischen Rahmenverpflichtungen ergeben sich aus den Verträgen, deren Hüter die Kommission ist (die Mitgliedstaaten hingegen sind die souveränen Herren der Verträge).
PS: Hat Dombrovskis wirklich von einem Androiden gesprochen oder nicht eher von einem Asteroiden?
European
20. Mai 2020 @ 16:03
Stimmt. Er stammt aus Lettland und nicht aus Litauen. Sorry.
Hüter der Verträge…. hmmm.
Existenzieller Baustein des Euros zur Währungsstabilitiät waren Lohnentwicklung gemäß Produktivität plus 1.9% Inflation. Wer hat sich gar nicht daran gehalten und eine unsägliche Lohnsenkungsspirale in Gang gesetzt, verbunden mit Austeritätsauflagen, Deregulierung und Destabilisierung? Wer verursacht durch extreme Exportüberschüsse anderer Länder Defizite in der Eurozone als geschlossene Volkswirtschaft?
Deutschland’s Rolle bisher ist fatal.
Parallelen dazu kann man in der deutschen Vergangenheit übrigens nachlesen – und auch, wie das zum Aufstieg der Nazis mit beigetragen hat.
https://de.wikipedia.org/wiki/Deflationspolitik
„Folgen der Deflationspolitik
In Bezug auf die ökonomischen und sozialen Konsequenzen wird die Deflationspolitik als fataler Fehler angesehen, der nicht zuletzt die Machtergreifung Adolf Hitlers begünstigte.[11]“
Sehr sehenswert dazu diese Arte-Doku über den Abstieg der Mittelschicht:
https://www.youtube.com/watch?v=LjwCVQvEt24
Ob der Plan von Macron und Merkel durchkommt, wird man sehen. Wer dann zu Nettoempfängern wird, wird man dann auch sehen.
Bisher sind Italien und Frankreich Nettozahler, Lettland auch nicht. Dombrovski ist Physiker und hat ein bisschen Ökonomie für Ingenieure belegt. Er ist kein Makroökonom.
Für manche Dinge braucht es einfach qualifiziertes Fachpersonal.
Holly01
20. Mai 2020 @ 12:15
“ “Wenn es die Umstände wieder erlauben, müssen wir ein Gleichgewicht finden zwischen finanzieller Stabilität und der Belebung von Investitionen.” Und was heißt finanzielle Stabilität? Natürlich – wie immer – Abbau von Defiziten! “
Der Mann ist entweder ein Lügner oder ein (Entschuldigung, aber kleiner geht es nicht) Idiot.
Investitionen erfolgen, wenn man einen Markt hat.
Der Markt verschwindet gerade komplett in einer Depression für die es in der historisch erfassten Menschheitsgeschichte KEINE vergleichbare Krise gibt.
Wer aber keine Kunden hat, nicht weiß ob die Staaten morgen noch existieren oder funktionieren, investiert NICHT.
On top zu dieser Depression starten wir den mit Abstand schlimmsten Wirtschaftskrieg, der letzten 300 Jahre.
Die Abkopplung von China (sollte sie überhaupt gelingen) wird so teuer, das uns das entweder direkt umbringt oder so tiefe Spuren hinterlässt, das 2007/8 aussieht wie eine Geburtstagsparty.
Die USA rechnen konservativ mit einem BIP Einbruch von 30%.
Die haben jetzt noch etwa 120 Mio. Steuerzahler, steuern aber auf ein Schuldenhoch zu das mit „historisch“ nett umschrieben ist.
Koppeln wir uns von China ab, dann werden Schockwellen von den Firmenzusammenbrüchen durch die Weltwirtschaft rasen, die sich NIEMAND vorstellen kann.
Kleines Beispiel: Schweden hatte keinen shutdown. Schweden ist so weit in die arbeitsteilige Wirtschaft eingebunden das es trotzdem den Durchschnitt der Depressinsfolgen der EU plant.
Das in China sind „unsere“ Maschinen. das ist der Ersatz, für die exportierte Produktion.
Wenn das wegbricht, dann gehen Billionen von UNSEREN Auslandsinvestitionen den Bach runter.
Ja klar. das machen die Zentralbanken dann wieder flott.
Nein tun sie nicht.
Wir haben gar nicht die Mitarbeiter für diese Produktionen.
Wir haben die Arbeitsplätze exportiert und die Mitarbeiter haben dieses Wissen verloren.
Mit „schnell“ geht da gar nichts.
Foxconn wollte eine Chipfabrik in den USA bauen. Technisch kein Problem. Aber Personal?
Das Personal hätte man importieren müssen. Das US Schulwissen hat aus Basis zur Ausbildung der Mitarbeiter nicht gereicht.
SO sieht das aus.
Wir haben das Bildungswesen ruiniert, damit die Leute nicht verstehen was gerade passiert.
Jetzt haben wir dämliche Menschen, mit denen man nichts anfangen kann.
Das wird noch lustig …… recovery … ich lach mich tot ….
vlg