EU-Kommission prüft Reichensteuer, Berlin brüskiert Moskau & Deals mit NGOs?

Die Watchlist EUropa vom 10. Juni 2025 – Heute mit News und Updates zur Steuerpolitik in Zeiten wachsender Ungleichheit, zur deutschen Russland-Politik und zu fehlender Transparenz in der EU-Kommisssion.

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Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer. So legte das Vermögen der Superreichen laut dem „World Wealth Report“ im Jahr 2024 auf einen Rekordwert von 90,5 Billionen Dollar (79,3 Billionen Euro) zu. Sogar in Deutschland haben Millionäre abkassiert – trotz der Rezession. Von den Wahlversprechen, etwas gegen die wachsende Ungleichheit zu tun, ist wenig übrig geblieben.

Doch nun kommt Bewegung in die Debatte, zumindest in der EU. Der für Klima und „grünes Wachstum“ zuständige EU-Kommissar Hoekstra prüft eine Reichensteuer, wie er auf Anfrage des Europaabgeordneten De Masi (BSW) mitteilte. Eine Machbarkeits-Studie sei schon in Arbeit, heißt es in Hoekstras Antwort.

Diese Studie soll bis Ende des Jahres abgeschlossen werden. Sie baut auf Vorarbeiten einer Expertengruppe – des „EU Tax Observatory“ unter Leitung des renommierten französischen Ökonomen Zucman – auf. Zucman hat vorgeschlagen, weltweit eine Reichensteuer von mindestens zwei Prozent einzuführen, allerdings zunächst nur für Milliardäre.

Hoekstra hat es nicht eilig

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Damit könnten jährlich 200 bis 250 Mrd US-Dollar an zusätzlichen Steuereinnahmen generiert werden, hat  Zucman ausgerechnet. Europaweit würden 42 Mrd. Euro zusammenkommen, wenn die reichsten 499 Europäer die „Zucman-Tax“ zahlen müssten. Angesichts knapper Kassen wäre das für die EU und ihre Mitglieder ein willkommener Geldsegen.

Doch EU-Kommissar Hoekstra hat es nicht eilig. Derzeit gehe es vor allem darum, das „Umfeld“ für eine Reichensteuer zu prüfen, heißt es in Brüssel. „Die Kommission ist der Ansicht, dass zunächst ein besseres Verständnis des Themas nötig ist“, erklärte der Niederländer in seiner Antwort auf die parlamentarische Anfrage. 

De Masi, der sich als Ökonom auch in Deutschland einen Namen gemacht hat, ist mit dieser Antwort nicht zufrieden. „Die EU Kommission beklagt in Sonntagsreden die Macht von Tech Oligarchen wie Elon Musk“, sagte er. „Wenn es aber darum geht, eine kleine Minderheit von 3000 Milliardären international koordiniert und moderat zu besteuern, duckt sie sich weg.“

“Die Lage ist schockierend”

Mehr Einsatz fordern auch die Sozialdemokraten im Europaparlament. „Die Lage ist schockierend: In 22 EU-Staaten verfügen ein Prozent der Superreichen über 32 Prozent des Nettovermögens, während die ärmste Hälfte der Bevölkerung gerade einmal 4,5 Prozent besitzen“, empört sich Jonás Fernández, wirtschaftspolitischer Sprecher der Sozialdemokraten. 

Neben einer Reichensteuer fordern die Genossen eine Mindestssteuer auf Kapitalgewinne sowie Maßnahmen gegen Steuerflucht. Allerdings haben auch sie bisher nicht viel erreicht – obwohl sie zur ganz großen Koalition um EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zählen.

Der Grund: Die CDU-Politikerin von der Leyen hat andere Prioritäten – und die Steuerpolitik ist Ländersache…

News & Updates

  • Berlin brüskiert Moskau. Die Konfrontation mit Russland hat auch die Parlamente erfasst. Der Präsident der russischen Staatsduma, Wjatscheslaw Wolodin, hat in einer Botschaft an den Bundestag vor einer Eskalation gewarnt. Anlass der Kritik Wolodins waren die jüngsten Äußerungen von Kanzler Merz. Wolodin sagte: “Wir wissen, dass die deutsche Regierung plant, eine Raketenproduktion in der Ukraine aufzubauen. Damit wird die BRD immer mehr in ein militärisches Vorgehen gegen Russland hineingezogen.” Bundestags-Präsidentin Klöckner wies diese “Kriegsdrohungen” (n-tv): zurück: Man lasse sich nicht einschüchtern. – Was Klöckner wohl sagen würde, wenn Russland die Produktion von Raketen unterstützen würde, die von einem Drittland auf Deutschland zielen?
  • Brüssel seit einem Jahr ohne Regierung. Brüssel ist nicht nur Sitz von EU und Nato sowie Hauptstadt Belgiens – sondern auch eine eigenständige Region. Doch seit der Wahl vor einem Jahr hat diese Region keine Regierung mehr. Die Parteienlandschaft ist zu zersplittert, die Mehrheitsfindung zu kompliziert. Die Folge: Wichtige Entscheidungen für die Stadt werden vertagt, einige Reformen der neuen Föderal-Regierung sind blockiert. – Erinnert irgendwie in Berlin – dort geht auch mit einem “funktionierenden” Senat fast nichts mehr…Mehr hier (VRT deutsch)
  • Frankreich und UK wollen doch keinen Palästinenser-Staat anerkennen. Dies meldet das “Middle East Eye”. Frankreichs Staatschef Macron hatte eine schnelle Anerkennung erwogen, um Druck auf Israel zu machen. Doch nun ist ihm die neue “Entente” mit dem britischen Premier Starmer wichtiger – und der zögert. – Macron hat auch nicht den kleinen Finger für die französische EU-Abgeordnete Hassan gekrümmt, die von Israel festgenommen wurde, nachdem sie an der “Friedensflotte” für Gaza teilgenommen hatte. – Mehr im Blog

Das Letzte

Geheime Deals mit NGOs? Der Vorwurf ist nicht neu: Die EU-Kommission soll Verträge mit Umweltverbänden und Aktivisten geschlossen haben, um ihren „Green Deal“ für den Klimaschutz voranzutreiben. Nun behauptet die „Welt am Sonntag“, Einsicht in „geheime Verträge“ erhalten zu haben. Die NGO ClientEarth habe sich angeblich verpflichtet, gegen „bestimmte Kohlekraftwerke“ in Deutschland vorzugehen. Dafür sei ihr 350.000 Euro Fördergeld versprochen worden. Ob dieser Deal honoriert wurde, geht aus dem Bericht nicht hervor.  Unklar ist auch, was aus angeblichen Absprachen zum umstrittenen Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten wurde. Laut „Welt“ heuerte die Generaldirektion Umwelt der EU-Kommission 2022 die NGO „Friends of the Earth“ an, um Mercosur zu torpedieren. Angeblich flossen dafür 700.000 Euro. Allerdings blieb der erhoffte Erfolg aus. Brüssel setzte sich energischer denn je für das Mercosur-Abkommen ein. Die EU-Kommission bestreitet denn auch alle Vorwürfe. Allerdings lässt sie die nötige Transparenz vermissen – wieder einmal…

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