Brüssel ist pleite, Tusk macht weiter – und T.G. Ash will Russland besetzen
Die Watchlist EUropa vom 11. Juni 2025 – Heute mit News und Updates zur Krise der “Hauptstadt EUropas”, zum 40. Geburtstag des Schengen-Raums und zu den gefährlichen Ansichten eines “pro-europäischen” Historikers.
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Brüssel ist pleite. Zwar ist die Überschuldung noch nicht ganz so krass wie in Berlin – Brüssel steht “nur” mit 15 Mrd. Euro in der Kreide, Berlin mit 66 Mrd. Doch die “Hauptstadt EUropas” hat keinen, der die Schulden abtragen könnte.
Denn seit einem Jahr ist die Hauptstadt-Region Brüssel ohne Regierung. Und Besserung ist nicht in Sicht. Zwar versuchen die Liberalen und die Sozialisten unabhängig voneinander, die Krise zu lösen.
Das liberale „Mouvement Réformateur“ MR, der Wahlsieger vom Juni 2024, hat ein Programm vorgelegt – in der Hoffnung, dass sich die anderen Parteien darauf einlassen und in Koalitionsverhandlungen einsteigen.
Doch die Sozialisten machen nicht mit, sie suchen eine linke Mehrheit. Mit den Grünen und dem linksradikalen PTB dürfte dies allerdings schwierig werden, zumal auch noch das muslimische „Team Fouad Ahidar“ gebraucht wird.
Die EU-Kommission schaut weg
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Niemand möchte seinen Wählern sagen, dass alle Wahlversprechen zu Makulatur geworden sind, weil gekürzt werden muß. Alle haben Angst vor der Rating-Agentur Standard & Poor’s, die die Kreditwürdigkeit herabstufen könnte.
Und was macht die EU? Schaut weg – wie immer, wenn es um Brüssel geht. Schon bei der Schließung des Audi-Werks in Forest duckte sich die EU-Behörde weg. Der Drogenkrieg in Anderlecht findet auf einem anderen Planeten statt.
Und der finanzielle Abgrund, vor dem Brüssel steht? Kein Thema im Europaviertel. Kommissionschefin von der Leyen will der Region nicht helfen, sondern sogar noch die Kohäsionsfonds der EU zusammenstreichen..
Siehe auch “Angriff aufs EU-Budget”
News & Updates
- Tusk macht weiter – und droht Merz. Trotz einer Niederlage bei der Präsidentschaftswahl hat die Regierung in Polen weiter die Unterstützung des Parlaments: Regierungschef Tusk gewann eine Vertrauensabstimmung mit 243 zu 210 Stimmen. Damit werde “allen Spekulationen ein Ende gesetzt”, sagte Tusk. – Er gilt als “pro-europäisch”, obwohl er die EU-Asylreform ablehnt und nun sogar droht, Grenzkontrollen zu Deutschland einzuführen – als Retourkutsche für Kanzler Merz…
- Europaparlament verleugnet R. Hassan. Nach Angaben der israelischen NGO “Adalah” wurde die französische EU-Abgeordnete R. Hassan, die auf dem Hilfsschiff für Gaza unterwegs war, am Mittwoch zeitweise in Isolationshaft genommen. Später sei sie in ein Gefängnis in der Nähe von Tel Aviv verlegt worden. – Das Europaparlament hielt es nicht für nötig, sich dazu zu äußern. Die EU schweigt seit Tagen…
- China hängt EU im Handelskrieg ab. Neuer Rückschlag für die EU: Während sie auf Fortschritte in den Handelsgesprächen mit den USA wartet, verkündet US-Präsident Trump eine Einigung mit China. Demnach soll China wieder seltene Erden und Magnete liefern. – Mehr im Blog
Das Letzte
Timothy Garton Ash will Russland besetzen. Er gilt als der pro-europäischste Brite, ausgezeichneter Kenner Europas und großer Historiker. Doch nun hat sich T. G. Ash als Russland-Hasser geoutet. Ausgerechnet in der ukrainischen “Pravda” hat Ash gefordert, Russland nicht nur im Krieg zu schlagen, sondern dann auch noch 50 Jahre zu besetzen. “I say this sincerely, not as a joke, – the best thing that can happen to Russia in the long term is a complete defeat and then, ideally, an occupation for about 50 years… So these are unfounded ideas that Russia can’t be defeated.” – Mir fehlen die Worte. Vielleicht braucht das UK auch mal 50 Jahre Besatzung – fragt sich nur, durch wen? Die Deutschen kommen wohl nicht infrage, die Frenchies auch eher nicht. Und die Russen – seriously, die kommen nie im Leben so weit…
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Titi
12. Juni 2025 @ 10:12
Als „ausgezeichneter Kenner Europas“ müsste Timothy Garton Ash eigentlich wissen, dass bis jetzt noch nie ein Land oder eine Allianz es geschafft hat, das riesige Russland vollständig zu besetzen. Im 16. Jahrhundert, als die damals mächtigen Tataren immer wieder in das russische Gebiet eingefallen waren (einmal haben die Tataren sogar Moskau in Brand gesetzt. Nur der Kreml überlebte damals den Brand von 1571), war Russland noch viel kleiner und verwundbarer, aber selbst da konnte keine ausländische Macht das Land vollständig besetzen. Unsere westliche Welt ist im Niedergang (Emmanuel Todd beschreibt das sehr ausgiebig in seinem Buch „Der Westen im Niedergang „) und das Projekt Ukraine als Bollwerk des Westens gegen die „Putin‘sche Welt“ steht vor dem Scheitern. Haushoch gescheitert sind auch die 17 Sanktionspakete gegen Russland, die das Ziel, Russland wirtschaftlich zu schwächen und den Ukraine-Krieg zu beenden, klar verfehlt haben. Stattdessen wurde daraus ein Schuss ins Wirtschafts-Knie Europas, und man hat Russland, China und den wirtschaftlichen wachsenden Globalen Süden umso mehr zusammengeschweißt. Die politischen Eliten in Europa (mit Starmer, Macron, Von der Leyen, Kallas, Federiksen, Merz, Stubb, etc) möchten das nicht erkennen und erquicken sich stattdessen an den nicht realisierbaren Fantasievorstellungen von T.G. Ash.
Kleopatra
12. Juni 2025 @ 09:11
Die Feststellung, dass eine Niederlage für Russland gut wäre, klingt unter Historikern nicht so absurd wie in der allgemeinen Öffentlichkeit. Tatsächlich haben Niederlagen im Lauf der russischen Geschichte mehrfach als Anstoß für wichtige, positive Reformen gewirkt: die Niederlage im Krimkrieg 1856 gab den Anstoß zu den Reformen Alexanders II. (Abschaffung der Leibeigenschaft, Geschworenengerichte u.v.m.), die Niederlage gegen Japan 1905 führte zur Einführung eines Parlaments im bis dahin absolutistisch regierten Russland. Katastrophal wirkte eher das Gefühl, unbesiegbar zu sein und daher nichts ändern zu müssen. Gegenwärtig hat in Russland wieder dieses Gefühl und der Spruch, Russland habe nur zwei Verbündete, nämlich seine Armee und seine Flotte, Konjunktur.
ebo
12. Juni 2025 @ 09:21
Sie haben die Oktoberrevolution und die von Deutschland unterstützte Rückkehr Lenins vergessen. Das war eine wahrhaft historische Niederlage mit weltweiten Folgen 🙂
Guido B.
12. Juni 2025 @ 09:39
@Kleopatra:
Danke für Ihr Plädoyer für pädagogische Entwicklungshilfe. Sie haben das winzige Detail übersehen, dass inzwischen die Atombombe erfunden wurde. Halten sich die USA für unbesiegbar? Sicher. Sie haben die Atombombe. Hält sich Israel für unbesiegbar? Sicher, es hat die Atombombe. Halten sich UK und Frankreich für unbesiegbar? Und ob, denn sie haben die Atombombe.
Ja, die Atombombe hat alles verändert. Ihr Besitz bedeutet, dass eine militärisch erzwungene Niederlage nur unter der Bedingung denkbar ist, dass der Angreifer selber eine vernichtende Niederlage erleidet.
Man sollte bei Barbarossa 2.0 unbedingt mitberücksichtigen, dass Russland das militärische Potenzial hat, die ganze Welt zu pulverisieren. Sie können sich Ihre Geschichtslektionen also in den Allerwertesten stecken. Und mit ihnen die kranken Fantasien Adolf Hitlers. Bitte verzeihen Sie meine blumige Ausdrucksweise, es liegt an den Zumutungen des westlichen Mainstream-Intellekts.
Guido B.
12. Juni 2025 @ 08:54
“Timothy Garton Ash will Russland besetzen”
Ja, solche Ideen sind heute salonfähig und weiter verbreitet, als man denkt. Daher auch die kategorische Weigerung, bei der europäischen Sicherheitsordnung irgendwelche Konzessionen an Russland zu machen. Natürlich will man Russlands strategische Niederlage, um das Land mit den riesigen Rohstoffvorkommen zu besetzen. Das ist der feuchte Traum, den schon Adolf Hitler in die Tat umsetzen wollte. In dieser Denktradition steht T.G. Ash.
Wahrscheinlich waren die Alliierten damals nur gegen Hitler, weil sie Russlands Rohstoffe nicht allein den Deutschen überlassen wollten. Mit den Nazis in der Ukraine nehmen sie einen neuen Anlauf, dieses Mal unter angelsächsischer Ägide. Leider spielt Trump nicht so richtig mit. Dafür legt sich Deutschland ins Zeug, um die Ägide beim Unternehmen Barbarossa 2.0 wieder an sich zu reissen. Offiziell arbeiten D und UK jetzt zusammen, wobei UK sicher hofft, dass nach Trump der Siegespokal wieder an die Angelsachsen geht.
Der Kreml hat verstanden, wie das Spiel läuft. Wenn er die Russische Föderation erfolgreich gegen die westlichen Imperialisten verteidigen will, muss er die Ukraine besiegen, denn sie ist das militärische Einfallstor der Imperialisten. Den Wirtschaftskrieg kann Russland nur mit Hilfe von BRICS+ gewinnen.
Solange sich die USA von diesem Spiel fernhalten, haben die Imperialisten keine Chance. Wenn sie wieder ins Spiel zurückkehren, wird der Weltkrieg voll eskalieren.
Es ist eine Schande, dass Deutschland in diesem Dreckspiel ein führender Akteur sein will. Hitler ist – Stand heute – unbesiegt. Sein Geist lebt in den Köpfen des deutschen Führungspersonals weiter.
Kleopatra
12. Juni 2025 @ 09:23
Niemand will sich ernsthaft mit einer Besetzung Russlands belasten; dieses Land ist zu groß, um besetzt zu werden, und im Grunde ist es auch für seine eigene Bevölkerung zu groß (indem nämlich eine nicht sehr große Bevölkerung extreme Infrastrukturkosten tragen muss). Wie sehr man andererseits bereit war, mit ihnen Geschäfte zu machen, dh. ihnen ihre Bodenschätze zu einem fairen Marktpreis abzukaufen, zeigt die Affäre North Stream. Nein – das Verhältnis zu Russland wurde nicht durch eine angebliche Gier des bösen Westens zerstört, sondern durch die aggression Russlands gegen die Ukraine. Seither besteht keine Bereitschaft mehr für das bisherige Vertrauensverhältnis.
Guido B.
12. Juni 2025 @ 10:06
Klar, der Westen muss von jeder Schuld am Konflikt mit Russland freigesprochen werden. Der Westen meinte es immer gut mit Russland, darum hat er sein antirussisches Militärbündnis nach dem Zerfall der UdSSR auch sofort aufgelöst, den Wiederaufbau der bankrotten Russischen Föderation mit Krediten unterstützt und keine Geheimdienste und russlandkritische NGOs in die Nachbarländer Russlands entsandt. Und als Russland davon sprach, eine eurasische Sicherheitsarchitektur zu installieren, war die NATO sofort einverstanden. Die USA und die Ukraine untersützten auch immer den Bau und Betieb von Nord Stream. Der Westen war stets so konstruktiv, so hilfsbereit und so kooperativ. Plötzlich wurde Russland zum Aggressor! Innerhalb von Sekunden! Und vorbei wars mit dem schönen Frieden!
MarMo
14. Juni 2025 @ 19:22
Ja, das ist eine Schande – die Deutschen mit ihrer Russland-Agression und der alten deutschen Krankheit: maßlose Überschätzung der eigenen Fähigkeiten, Arroganz, Blindheit und Großherrentum gepaart mit einer unfassbaren Verantwortungslosigkeit gegenüber der eigenen Bevölkerung und selbstverständlich auch der anderen Länder, weil Völker, die zu, Feind erklärt werden.
“Wissenschaftler wie Mr. Ash (gibt es auch in Deutschland zuhauf: Friedens- und Konfliktforscher, Politikwissenschaftler) haben weder die Bezeichnung “großer Historiker (Wissenschaftler)” oder “Experte” oder “ausgezeichneter Kenner” verdient. Meines Erachtens müssten Personen, denen solche Auszeichnungen zugewiesen werden, ein paar Standards erfüllen: z. B. zu ausgewogenen, an Fakten und Realität orientierten Schlüssen zu kommen, sich bedacht zu äußern. Sie würden sich hüten, derartigen Ideologien zu verfallen. Nein, dies sind finstere Gesellen, verblendet von ideologischem Hass – ein ganz niedriges Niveau!
UK hat nie den Verlust “seines” Empire verkraftet – und im Gegensatz zu Russland – seine Kolonien auch nicht kampflos ziehen lassen. Seitdem ist UK mittels seines Geheimdienst in nahezu jede geopolitischen Sauerei involviert.
Eine diesbezüglich Liste wäre lang …
WBD
12. Juni 2025 @ 08:30
Zu der unmassgeblichen Meinung des britischen ‘Historikers’ passt, daß auch die Schein-liberale altehrwürdige (?) ‘ZEIT’ vor nicht langer Zeit die provokative Frage stellte: ‘Ist Russland unbesiegbar’
Es sieht so aus, als ob die Frage eines Krieges mit Russland schon geklärt ist.
Aber waren nicht die Waffenlager schon für Kiev geleert worden? Und sind die jungen Menschen noch nicht ausreichend für den Militärdienst motiviert?
Aber wenn Deutschland dabei ist, kann ja nix schief gehen. Wir können Weltkrieg… ;-(
european
12. Juni 2025 @ 07:28
Wollen wir wieder jemanden “befreien”? Haben wir mal die Russen gefragt, ob sie “befreit” werden wollen? Bisher waren alle Regimechange-Kriege ein einziges Desaster mit entsprechend negativen Auswirkungen auf Europa / die EU.
Russland hat an den Ländern der EU kein Interesse, weil wir nichts zu bieten haben, was Russland nicht schon hat. Umgekehrt jedoch gibt es seitens des Westens im Niedergang ein großes Interesse an einem Zugewinn an Land, Bodenschätzen, Energie und Weltmacht.
Ein Schelm ist wer Böses dabei denkt 😉