BRICS-Gipfel: Abkehr vom Dollar – und von der EU
35 Staaten sollen am BRICS-Gipfel in Kasan teilnehmen. Das internationale Treffen markiert die Abkehr vom US-Dollar – aber auch von der EU und ihrer Sanktionspolitik.
EU-Kommissionschefin von der Leyen liebt es, Weltereignisse zu kommentieren. Doch den womöglich historischen BRICS-Gipfel in Kasan straft sie mit Nicht-Beachtung. Kein Gesandter, keine Erklärung, nicht mal ein Tweet.
Dabei sind die BRICS+ zum wichtigsten Partner der EU im Warenhandel aufgestiegen. Der Wirtschaftskrieg gegen Russland und China – immerhin Gründungsmitglieder der BRICS – hat dies nicht verhindert.
Im Gegenteil: Er hat entscheidend zum Aufstieg der neuen Staatengruppe beigetragen. Ein Leitmotiv ist die Abkehr vom Dollar (und vom Euro), die für viele Staaten wegen der Sanktionspolitik überlebenswichtig geworden ist.
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Die USA haben ein Drittel der Welt mit unilateralen und meist illegalen Sanktionen überzogen, wie die “Washington Post” berichtet. Die EU eifert den Amerikanern nach, obwohl sie selbst unter den Folgen leidet.
So hat sie Russland vom Finanzdienstleister SWIFT abgeklemmt, der in der Nähe von Brüssel sitzt und internationale Finanzströme erleichtert. Seither geht in vielen Staaten die Angst um, ihnen könnte dasselbe passieren.
Diese Sorge – und die Suche nach Alternativen – treibt immer mehr Staaten in die Arme der BRICS. Zuletzt hat sich sogar die Türkei interessiert gezeigt – der ehemalige EU-Beitrittskandidat wendet sich von EUropa ab.
Alternative aus Russland
Derweil bastelt Russland an einem alternativen Zahlungssystem. Der Plan sieht vor, ein “Mehrwährungssystem” zu schaffen, das seine Teilnehmer “vor jeglichem Druck von außen, wie etwa extraterritorialen Sanktionen, schützen soll”.
Doch in Brüssel hat man die Zeichen der Zeit immer noch nicht erkannt. Hier arbeitet man verbissen am 15. (!) Sanktionspaket gegen Russland, von dem von der Leyen sicher erklären wird, dass es diesmal aber wirklich wirkt…
Siehe auch “Wie SWIFT von den USA zur Waffe umfunktioniert wurde” sowie unseren Schwerpunkt zum Wirtschaftskrieg
P. S. Die EU wollte Putin isolieren – dieser Versuch ist gescheitert. Eher schon wirkt Europa isoliert und irrelevant, etwa in Nahost. Doch auch das wird in Brüssel nicht reflektiert.
Helmut Höft
24. Oktober 2024 @ 11:58
“Dabei sind die BRICS+ zum wichtigsten Partner der EU im Warenhandel aufgestiegen. “ Und da könnte der Pferdefuß für die BRICS zu finden sein: Sie machen ihr Hauptgeschäft mit “uns”! Sie müssten stattdessen mehr Geschäft in den Binnenmärkten der Teilnehmerstaaten und zwischen Ihnen, sozusagen einen den BRICS-Binnemarkt, installieren.
Wohin die jetzige Situation sonst führen kann sieht man am deutschen “Exportmodell”: Abhänigkeit von Anderen. Hierzu beispielhaft eine Auszug aus Andreas Nölkes Buch “Exportismus. Die deutsche Droge” https://blog.wiwo.de/management/2022/03/29/buchauszug-andreas-noelke-exportismus-die-deutsche-droge/
Ist das die Zukunft der BRICS?
w.nissing
23. Oktober 2024 @ 15:47
@ Stef es geht nicht um meine bescheidene Weltsicht, da sind wir sowieso nahe beieinander. Ich sehe in den zumind. momentan Bestimmenden und ihren Prestituten nicht den hauch einer Einsicht in die Realität. Ich versuche tagtäglich in meinem Umfeld was zu verändern, muß aber konsterniert feststellen das ein gut Teil meiner früheren Homebase die sich aus einer mehr oder weniger satuierten und an-akademisierten Schicht zusammen setzt, wenig Umdenken zu finden ist. Denen geht es noch relativ gut, okay hier und da geht ein Investment/ETF in die Hose, aber wird noch unter „persönliches Fehlinvestment“ verbucht…. und nicht unter „Frosch langsam kochen“
Udo
23. Oktober 2024 @ 13:21
@ebo 23. Oktober 2024 @ 09:55
Nach über zwanzig Jahren der katastrophalen Einflussnahme Deutschlands auf die Entwicklung Europas wäre der Ausschluss Deutschlands ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Ein deutsches Europa kann und darf es nicht geben!
Auch und gerade deswegen, weil Deutschland eine emanzipierte und unabhängige politische und wirtschaftliche Position Europas gegenüber den USA verhindert.
w nissing
23. Oktober 2024 @ 12:27
Ich empfehle diese Pressekonferenz mit Putin zum Gipfel in Kasan
https://globalbridge.ch/russlands-praesident-wladimir-putin-beantwortet-fragen-internationaler-journalisten/
Monika
23. Oktober 2024 @ 11:01
…dass es diesmal aber wirklich wirkt…
Die Sanktionitis wirkt doch schon die ganze Zeit! Negativ auf die EU und verheerend auf Deutschland! Mir san eben NICHT mir, daran krankt ja die ganze Geschichte! Aber im Ernst, Deutschland in die BRICS aufnehmen? So wie sich Deutschland nach der Bahr/Brandtschen Freundschaftsinitiative vom Bully USA zu “dienender Führerschaft” hat abkanzlern lassen, zu einem Land des Lächelns? In dieser Operette geht der Text aber
“Immer nur lächeln und immer vergnügt,
Immer zufrieden, wie’s immer sich fügt.
Lächeln trotz Weh und tausend Schmerzen,
Doch wie’s da drin aussieht, geht niemand etwas an.”
Und das “geht niemand was an” ist genau das gefährliche an der Situation…. Romantizismus und Weltschmerz waren niemals eine gesunde Option für Deutschland!
Per Gaststatus in dem es die BRICS nicht von innen zersetzen kann, müsste sich Deutschland mit seiner durch und durch verlogenen Politik (z.B. die völkerrechtswidrigen Morde und Waffenlieferungen der USA über Ramstein, die neue NATO-Stationierung in Rostock, die völlig verfehlte Israelpolitik unter dem label Antisemitismus, ect.pp.) eine lange Zeit der “Läuterung” gefallen lassen!
KK
23. Oktober 2024 @ 01:18
Wenn das Zahlsystem der BRICS+ erst einmal steht, wird der Schatten eines dicken, nicht zu übersehenden Mittelfingers auf EUropa fallen – und den Kontinent für lange Zeit, wenn nicht endgültig verdunkeln! Dann wird EUropa ein INkontinent sein.
Art Vanderley
22. Oktober 2024 @ 21:25
Letztlich dürfte da eine tiefere Entwicklung hinter stehen, die eines gewissen Niedergang des Westens.
Es bleibt eben nicht folgenlos, jahrzehntelang herum zu schwurbeln mit Ideologien wie den neoliberalen Dogmen, der Idenditätspolitik und der allgemeinen Ideologie der Entgrenzung, nicht nur zwischen Staaten, sondern auch zwischenmenschlich, mit dem Ergebnis einer allgemeinen Degeneration zur überwiegenden Pöbelherrschaft.
Wer an ein „Ende der Geschichte“glaubt, wer glaubt, den Staat führen zu können wie einen schwäbischen Privathaushalt, wer sich rassistisch verfolgt fühlt von Harry Potter, Winnetou oder dieser gefährlichen Sprachterroristin aus Schweden (nein, nicht die- Pippi Langstrumpf ist gemeint), der braucht sich nicht über seinen Machtverfall zu wundern.
Der Westen als Kasperlestheater, das führt nicht nur zu einem Verlust von Funktionalität, sondern auch zu einem Verfall des Respekts.
european
22. Oktober 2024 @ 20:32
Europa hätte sich schon längst im eigenen Interesse neu orientieren und eine Vermittlerrolle in Konflikten übernehmen müssen. Ebenso hätte man überall gleiche Maßstäbe anwenden müssen, um weltweit noch einigermaßen angesehen zu sein bzw. verstanden zu werden. Natürlich darf man Russland’s Kriegsverbrechen nicht übersehen, aber ebenso wenig die der USA, Großbritannien’s, Deutschland’s etc. Wenn Putin vor ein Kriegsgericht kommen soll, dann auch Bush, Blair, Obama, Biden, Schröder und andere…Nichts davon ist aus der EU zu hören.
Es drängt sich der Verdacht auf, dass man am Krieg festhält, um den Laden zusammenzuhalten. Er ist der letzte Kitt. Wenn der Krieg vorbei ist, kommen die Fragen danach, womit Europa seine Brötchen verdienen will und vor allem, wer die Kriegsschulden bedienen soll.
Michael
22. Oktober 2024 @ 18:26
Emmanuel Todd ist schon weitsichtiger und überlegt ob sich z. B. Deutschland (samt EU?) nicht besser den BRICS+ anschließen sollte! Wie es aussieht gehört die Zukunft schon jetzt einem potentiell geeinten Eurasia! Allein schon geographisch ist der Transatlantik einschl. NATO nicht Teil dieses Continents! Versteht sich von selbst dass der Sitz der Vereinten Nationen dann auch besser in Eurasia sitzt!
Karl
23. Oktober 2024 @ 09:06
Passend dazu das Interview mit Emmanuel Todd: „Deutschland sollte sich um eine Brics-Mitgliedschaft bewerben“ in der BLZ:
https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/geopolitik/emmanuel-todd-deutschland-sollte-sich-um-eine-brics-mitgliedschaft-bewerben-li.2264844?id=8c5c286618cb415bb1bb09eb0deb1cdb
Im Abstieg der USA sieht er eine Chance für den Frieden: Verständigung und Frieden in einer multilateralen Welt sei die passende wirtschaftliche Basis für die überalterten Gesellschaften Europas, sagt Emmanuel Todd.
Lebendiger Gaullismus aus Paris auf Deutschland angewendet! Soeben erscheint sein neue Buch: „Der Westen im Niedergang“.
ebo
23. Oktober 2024 @ 09:14
Todd ist immer lesenswert, aber das ist Quatsch. Deutschland ist der Inbegriff des ordoliberalen, auf die USA und den Dollar fixierten EU-Landes, das die Welt mit seiner Besserwisserei und Sanktionen traktiert. Bei den BRICS hat es nichts zu suchen.
Stef
23. Oktober 2024 @ 09:35
@ ebo “Todd ist immer lesenswert, aber das ist Quatsch.”
Aber deshalb ist das noch lange kein Quatsch. Deutschland ist schlecht geführt und strategisch katastrophal aufgestellt. Nimmt den den Anspruch, dass Europa und Deutschland als Wurmfortsatz und Befehlsempfänger der USA nicht gedeihen kann, auch nur halbwegs ernst meint, ist BRICS sehr Wohl das Mittel der Wahl. Und wir sollten hierzulande daran arbeiten, dass Deutschland seine grundlegenden strategischen Eigentore nicht für immer wiederholt. Ich glaube daran, dass sich dieses Land neu erfinden kann und mit ihm auch Europa. Ich sage bewusst nicht EU.
Dass der Weg dorthin sehr weit ist, sehe ich allerdings auch so.
ebo
23. Oktober 2024 @ 09:55
Dann müßte Deutschland aus der EU austreten. Will not happen
Stef
23. Oktober 2024 @ 11:05
@ ebo: Ernst gemeinte Frage: Halten Sie die EU für überlebensfähig in dieser Form? Ich nicht.
w.nissing
23. Oktober 2024 @ 12:32
Todd irrt sich glaube/befürchte ich in diesem Punkt. Ich halte die Neocons für dermaßen destruktiv und Selbstbezogen das sie alles mit sich runter reißen wo sie nur können. Die Frage wird sein, geht der Zusammenbruch so schnell das sie nur wenig eingreifen können
Stef
23. Oktober 2024 @ 13:56
Die Frage ist eine ganz andere. Wie lange schauen wir in Deutschland weiter wie das Karnickel auf die Schlange? Seit wann ist für uns maßgeblich, was die Neocons wollen? Wenn nicht mal hier im Forum der Mut aufgebracht wird, über den Tag hinaus zu denken, wo soll das denn sonst noch erfolgen? Oder ist es inzwischen in die genetische Substanz der Deutschen eingegangen, dass man sich jedem noch so vernichtenden Willen aus den USA beugen muss?
ebo
23. Oktober 2024 @ 14:04
Dazu empfehle ich diesen Beitrag von A. Tooze. Seine These: Biden (und wohl auch Harris) verfolgen die Politik der Neocons, auch wenn sie sich Demokraten nennen.
https://www.theguardian.com/commentisfree/2024/oct/10/war-middle-east-ukraine-us-feeble-biden-trump
Helmut Höft
24. Oktober 2024 @ 10:55
Sehr richtig, wir werden entweder das Eine oder Andere sehen.
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