Eine Versicherung gegen das Brexit-Chaos

Was soll man von dem neuen Brexit-Plan halten, den der EU-Gipfel in achtstündigen (!) chaotischen Beratungen erarbeitet hat? Übernimmt jetzt die EU die Kontrolle – oder wird alles noch verrückter?

Bei deutschen Beobachtern überwiegt die Erleichterung. “EU übernimmt Regie im Brexit-Drama”, schreibt SPON. Auch der Brexit-Experte Von Ondarza scheint zufrieden. Hier sein Tweet:

Die EU zeige sich geduldig, erhöhe den Druck auf Premierministerin Theresa May und wahre die Einheit, so der Experte. Alles richtig. Doch der Schlingerkurs wird damit nicht beendet.

Im Gegenteil: Jetzt hat die EU plötzlich drei Deadlines: 12. April, 22. Mai und “Irgendwann”. Das schafft nicht die Planungssicherheit, die Unternehmen und Bürger so dringend brauchen.

Die EU-27 handelt wie ein Versicherungsvertreter, der alle möglichen Risiken bedenken und den Schaden begrenzen will. Sie treibt damit ihren bisherigen Ansatz auf die Spitze.

Denn auch im Austrittsvertrag stand ja schon die “Versicherung” namens Backstop für Irland im Mittelpunkt. Für den Notfall, so hieß es, müsse man Regeln erlassen. Doch genau diese Regeln haben sich als Stolperstein erwiesen, der den Notfall auslösen könnte!

Denn die britischen Abgeordneten wollen die Backstop-Versicherung partout nicht schlucken. Ich habe große Zweifel daran, dass sie dies nun tun werden, unter noch größerem Druck der EU.

Ohnehin hätte ich mir einen anderen Ansatz gewünscht. Der Brexit ist ein politisches Problem und kann nur politisch gelöst werden. Auch die Wirtschaftskrise, in die Europa – auch wg. Brexit – schlittert, schreit nach politischem Handeln, wirtschaftspolitischem.

Ein klarer Schnitt, das wäre Politik gewesen, oder auch Bewegung beim Brexit-Deal – wie sie der Speaker in London fordert. Auch DIW-Chef Marcel Fratzscher hat einen guten Vorschlag vorgelegt.

Das Ganze hätte man mit einem Kurswechsel in der Wirtschafts- und Finanzpolitik absichern können, um die (vor allem in Deutschland drohende) Rezession abzuwenden. Doch dazu ist EUropa nicht fähig,

Die EU-27 haben den Brexit von Anfang an unpolitisch behandelt. Das Referendum von 2016 wurde als bedauerlicher Betriebsunfall betrachtet, nicht als politische Herausforderung.

Das rächt sich nun. Die “englische Krankheit”, die man auch als institutionelle Lähmung bezeichnen kann, greift immer mehr auf die EU über. Der Europawahlkampf wird jetzt schon überschattet.

Und die großen politischen Fragen – US-Handelskrieg, China, Klima – laufen nur noch unter ferner liefen. Auf dem Gipfel wurden alle wichtigen Entscheidungen vertagt, wieder einmal…

Siehe auch “Nun sind alle auf Schlingerkurs” und “Gefangen in Hotel California”