Brexit oder Sozialismus?
Am Donnerstag wählen die Briten ein neues Unterhaus. Wer den Wahlkampf aus der Ferne verfolgt, könnte den Eindruck gewinnen, es gebe nur eine Wahl – zwischen Brexit oder Sozialismus. Dabei ist es viel komplizierter.
Hier der konservative Hasardeur Boris Johnson, der den Brexit durchziehen will. Dort der sozialistische Zauderer Jeremy Corbyn, der die Wirtschaft enteignen möchte: So stellt sich die Unterhaus-Wahl dar – wenn man britischen Tabloids oder deutschen Qualitätszeitungen glauben möchte.
Doch so simpel ist das alles nicht. Zum einen ist Johnsons Brexit-Deal noch längst nicht in trockenen Tüchern. Der Tory-Politiker steht unter Druck aus den USA, die einen schnellen Bruch mit Brüssel fordern – und der EU, die warnt, bis zum 31.12.2020 werde man keineswegs handelseinig werden.
Zum anderen ist Corbyn nicht der altlinke Volltrottel, als den man ihn in den deutschen Medien gerne darstellt. Er hat mehrere wichtige Enthüllungen zu Johnsons Brexit-Plänen vorgelegt – und stützt sich auf eine breite Bürgerbewegung, die einen neuen Brexit-Deal und ein “People’s Vote” fordert.
Die Wahl ist noch nicht gelaufen, auch wenn uns das die Meinungsforscher bzw. -macher glauben machen wollen. Der Mainstream hat sich zwar auf Johnson festgelegt – doch wie wenig er seiner Sache sicher ist, zeigen die massiven Kampagnen und Einmischungs-Versuche gegen Corbyn.
Wie brisant die Lage ist, scheint nun auch den Berufs-EUropäern zu dämmern. Sie wollen sich schon beim EU-Gipfel am Freitag mit dem Ergebnis und seinen Folgen beschäftigen – ursprünglich sollte das Thema gar nicht auf der Tagesordnung stehen.
Es gehe darum, aufs Tempo zu drücken, heißt es in Brüssel. Man dürfe keine neue Hängepartie wie nach dem Abgang von Theresa May riskieren. Doch eine Strategie für den Umgang mit den abtrünnigen Briten und die Zeit nach dem Brexit hat die EU immer noch nicht.
Nur eins ist sicher: Sozialismus kommt nicht in Frage…
Mehr zum Brexit hier