Brexit now?! – Erdogans Krieg, Seehofers Schweigen

Die Verhandlungen über den Brexit stecken schon wieder fest. Brüssel arbeitet auf eine neuerliche Verschiebung des britischen EU-Austritts hin – doch was soll das bringen?

Unsere Tür ist vierundzwanzig Stunden am Tag geöffnet, und das sieben Tage die Woche – so lautete bisher das Motto der EU-Kommission, wenn es um mögliche Verhandlungen zum Brexit ging.

Doch nun, da ein Vorschlag von Boris Johnson auf dem Tisch liegt, wollte die EU lieber doch nicht verhandeln. An diesem Wochenende werde man nicht miteinander reden, hieß es in Brüssel.

Wieso bricht die EU ihr Versprechen ausgerechnet jetzt, da es Ernst wird? Und warum redet der finnische EU-Ratsvorsitzende schon die nächste Verlängerung herbei?

 „Ich wäre bereit, eine Bitte um Verlängerung der Verhandlungen zu erwägen“, sagte der finnische Premierminister Rinne der „Welt am Sonntag“. Es sei wichtig, einen harten Brexit zu verhindern.

Derzeit sehe es so aus, als werde es bis Ende Oktober keinen Deal geben – und als bestehe die Gefahr eines harten Brexits. Für diesen Fall rechne er mit einem Verlängerungsantrag. 

Doch Johnson will diesen Antrag nicht stellen. Der britische Premier hat sein Versprechen erneuert, Großbritannien wie geplant am 31. Oktober aus der EU zu nehmen.

„Wir werden unsere Taschen packen und am 31. Oktober gehen„, kündigte Johnson an. „Die einzige Frage lautet, ob Brüssel uns mit einem beidseitig akzeptablen Abkommen fröhlich zum Abschied winkt, oder ob wir dazu gezwungen sein werden, alleine loszuziehen“.

Gleichzeitig bereitet sich Johnson offenbar schon auf den Fall vor, dass UK doch noch länger in der EU bleiben muss. Dann werde er das künftige EU-Budget sabotieren und einen Euroskeptiker als Kommissar nach Brüssel schicken, meldet der Telegraph.

Vor diesem Hintergrund macht es keinen Sinn, weiter auf Zeit zu spielen. Wenn die EU der Meinung ist, dass Johnsons Deal nicht akzeptabel ist, dann sollte sie es klar sagen – und die Reißleine ziehen.

Wenn sie ihn hingegen für eine Gesprächsgrundlage hält, dann muß sie jetzt mit Hochdruck verhandeln, um doch noch eine Einigung hinzubekommen, und Schlimmeres zu verhindern.

So oder so läuft es auf einen Brexit now“ hinaus. Ein Ende mit Schrecken, das meint auch DIW-Chef Fratzscher, wäre besser als ein Schrecken ohne Ende.

Also, worauf warten wir noch?

Siehe auch „Johnsons schmutzige Trümpfe“

Watchlist

  • Die Wahlen in Kosovo und Portugal. In Portugal liegen erwartungsgemäß die Sozialisten vorn, aber für die absolute Mehrheit dürfte es nicht reichen.
  • Im Kosovo haben die Oppositionsparteien Vetevendosje und LDK laut Wahlkommission die Parlamentswahl am Sonntag mit 25,9 und 25,2 Prozent der Stimmen gewonnen.
  • Die von Brüssel hofierte PDK gestand ihre Niederlage ein, sie geht in die Opposition. Die Regierungsbildung dürfte dennoch schwierig werden.

Was fehlt

  • Der türkische Einmarsch in die Kurdengebiete in Nordsyrien. Nur drei Tage, nachdem Innenminister Seehofer der türkischen Regierung seine Aufwartung gemacht (und neue Milliardenhilfen versprochen) hat, kündigt Sultan Erdogan eine neue Militär-Offensive an.
  • Sie soll eine so genannte „Sicherheitszone“ schaffen, in die Millionen syrische Flüchtlinge umgesiedelt werden sollen, die derzeit noch in der Türkei und in Europa leben. Da würde man doch gern wissen, ob Seehofer davon weiß, und ob er bereits eingewilligt hat!?
  • Und was sagt eigentlich die EU-Kommission zu Erdogans Krieg? Sie hat Seehofer begleitet und dessen Absicht, den Flüchtlingsdeal mit Erdogan zu erneuern, gutgeheißen. Macht sie sich nun auch zum Komplizen des Einmarschs in Syrien, oder sagt sie Stopp?