Brexit-Krise: Barnier wirft hin
Seit dem Eklat beim Salzburg-Gipfel lag es in der Luft: Der EU-Verhandlungsführer für den Brexit, M. Barnier, wird nicht als Spitzenkandidat für die Europawahl antreten. Die konservative EVP verliert damit ihren besten Mann.
Barnier begründet seine Absage mit den festgefahrenen Verhandlungen über den EU-Ausstieg von Großbritannien, die er seit anderthalb Jahren führt: “Es ist meine Pflicht und Verantwortung, die Brexit-Verhandlungen bis zum Ende fortzusetzen.”
Doch derzeit zeichnet sich kein Ende ab, schon gar kein Happy End. Ursprünglich sollte beim nächsten EU-Gipfel Mitte Oktober der Austrittsvertrag stehen. Barnier hätte dann noch seinen Hut für die EVP in den Ring werfen können.
Doch die Staats- und Regierungschefs sowie Ratspräsident Tusk haben den Karren in den Sand gefahren. Bei ihrem letzten Treffen in Salzburg haben sie die britische Premierministerin May düpiert und den Zeitplan über den Haufen geworfen.
Nun wird erst Mitte November mit einer Einigung gerechnet – zu spät für Barnier, denn die EVP will ihren Spitzenkandidaten schon Anfang November bestimmen. Bisher ist nur der deutsche CSU-Politiker Weber im Rennen.
Weber hat jedoch kaum Erfahrung und noch weniger Profil. Er präsentiert sich als “Everybody’s Darling” – und wird dabei zwischen Kanzlerin Merkel und CSU-Chef Seehofer hin- und hergerissen, wie der Streit um Ungarn zeigt.
Barnier hingegen war schon Minister in Frankreich und EU-Kommissar in Brüssel. Er hat sich auch schon einmal bei der EVP beworben, war vor fünf Jahren jedoch an Merkel gescheitert. Nun hat er auch noch ein Problem zuhause.
Denn der liberale Präsident Macron will den Gaullisten nicht unterstützen. Und dessen ehemalige Partei ist auf strammen Anti-EU-Kurs geschwenkt. In Paris hält Barnier kaum noch jemand die Stange – auch deshalb hat er nun hingeworfen…
P.S. Barnier ist deswegen noch nicht aus dem Rennen für die Nachfolge für Kommissionschef Juncker. Die Staats- und Regierungschefs könnten ihn nach der Europawahl immer noch nominieren – wenn sie das (ohnehin angeschlagene) System der “Spitzenkandidaten” ignorieren –
Peter Nemschak
29. September 2018 @ 09:24
Wenn die deutschen und französischen Interessen sich treffen, steht einer Zusammenarbeit nichts im Weg. Was heißt fair play gegenüber den Briten? Der Austritt aus der EU hat nun einmal bestimmte Konsequenzen. Nicht nur die Briten auch die Amerikaner haben uns vom Nationalsozialismus befreit. Schließlich war es nicht in ihrem Interesse in Europa und weiten Teilen Asiens eine konkurrierende Weltmacht aufkommen zu lassen. Dass die Freiheit der USA in Europa verteidigt wird, hat sich als damals politisches Credo in den USA durchgesetzt. Es gab dort auch andere Stimmen. 70 Jahre danach haben sich die wirtschaftliche und politischen Kräfteverhältnisse geändert. Andere Mächte sind groß geworden und streben nach dem Platz an der Sonne. Auch die Bäume der Rechtspopulisten, vor denen sich manche fürchten, werden nicht ewig in den Himmel wachsen. Demokratisierungsbewegungen sind nicht linear sondern wellenförmig.
Hans Werner Körtgen
27. Oktober 2018 @ 20:52
Der Austritt Englands aus der EU erfolgte nicht freiwillig. Das dürfen wir niemals vergessen. Denn unser eigener deutscher Sündenfall, der Austritt aus der ersten deutschen Demokratie, der Weimarer Republik, und unser Eintritt in die grausame Welt des Faschismus und des Nationalsozialismus erfolgte auch nicht freiwillig. Die Amerikaner und Briten haben damals unterschieden zwischen mehr oder weniger gezwungenen deutschen Mitläufern und überzeugten Nazis. Es würde uns heute gut zu Gesicht stehen, wenn wir das bei anderen auch gelten liessen, anstatt hochmütig auf ein Volk herabzublicken, das uns nach dem 2. Weltkrieg verziehen und geholfen hat.
Hans Werner Körtgen
28. September 2018 @ 22:31
„Den Karren in den Sand gefahren“ – jawohl, das haben sie alle gemeinsam getan, absichtlich und mit Hintergedanken. Ein solches Gezänk der Hofschranzen gab es zuletzt am Hof von Kaiser Franz Josef I., Kaiser von Österreich und König von Ungarn. Wie sich die Dinge doch gleichen: 1867 war es ein “ österreichischer Franz Josef“, der SEINEM Ungarn Selbständigkeit gewährte – und heute sind es die „Enkel eines bayerischen Franz Josef“, die Viktor Orban zum Kronprinz von Ungarn machen wollen. Weiß der Himmel, was sie dafür verlangen. Kriegen werden sie es natürlich nicht.
Hat er schlau gemacht, der alte Seehofer: seit drei Jahren schwächt er Merkel durch eine konsequente Politik der giftigen Nadelstiche und nun trotzt er ihr Manfred Weber ab, seinen Vize-Vorsitzenden von seiner CSU. Der soll Nachfolger des ungekrönten Königs von Europa werden – und nicht David McAllister, der einmal Wunschkandidat von Merkel war.
Verliebt in ihre Glasperlenspiele haben Hofnarren niemals bemerkt, dass sich die Welt verändert hat. Hier und jetzt bemerken sie nicht, dass die EU, wie wir sie kennen, bereits tot ist und dass Deutschland nicht mehr ihre zentrale Macht ist. Sie wollen nicht anerkennen, dass am 8. November 2016 „der russische Zar Putin“ zum de facto Präsidenten der USA wurde. Der alte Traum eines durch den Kreml kontrollierten US – Präsidenten hat die Sowjetunion überlebt. Er wurde verwirklicht durch „die vielleicht größte Geheimdienstoperation der Geschichte“. Und das hat alles verändert.
Wir Deutschen haben nur eine Chance: wir müssen endlich die französisch-deutsche Freundschaft, den Motor Europas zum Laufen bringen. Macron ist alleine und Merkel ist schwach und isoliert. In solchen Situationen ist es vernünftig, sich mit dem nächsten Partner zu einigen. Aber Menschen reagieren in ihrer Not nicht vernünftig. Es gibt da einige unschöne Dinge zwischen Merkel und Macron in der Vergangenheit, die bereinigt werden müssen. Und wir müssen mit den Briten fair play spielen, schließlich haben sie uns vom Nazi-Faschismus befreit – die meisten von uns wollten es nicht und die Minderheit von uns konnte es nicht.
Sie werden es aber nicht einsehen, die Konservativen in Deutschland. Sie werden nicht die Demokratie verteidigen, sondern kurzfristigen Gewinnen nachjagen und sich mit den Feinden der Demokratie verbünden. Es sei denn – dass der Aufbruch in der CDU nicht vorzeitig gelöscht wird.
Peter Nemschak
28. September 2018 @ 20:52
Barnier wir hoffentlich weiterhin die Interessen der EU im Finale der BREXIT-Verhandlungen vertreten. Die EU darf kein Präjudiz setzen. Das wäre für andere Staaten, die aus anderen Gründen die EU nicht wollen, ein falsches Signal.
Solveig Weise
28. September 2018 @ 20:07
Barnier ist eine lame duck seit Macon die Wahl gewonnen hat. Keine Hausmacht und somit auch keine Chancen mehr in Brüssel. Wieso eine Person wie Barnier, die es seit Monaten nicht schafft mit den Briten eine Einigung zu erzielen „Europas bester Mann“ sein soll…… muss man nicht verstehen oder sagt sehr viel über die Qualität der Bürokraten in Brüssel aus.
ebo
28. September 2018 @ 20:52
Barnier verhandelt im Namen der 27. Sein Mandat ist so eng wie der kleinste gemeinsame Nenner der 27.